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Sylter Spiegel 31.05.2017

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INSEL SYLT<br />

Seite 32 · Nr. 22 SYLTER SPIEGEL · 31. Mai 2017<br />

Von Heiko Wiegand<br />

Insel Sylt. Die Zahlen sind<br />

alarmierend: Knapp 20 Prozent<br />

mehr Drogentote gab es<br />

im Jahr 2015 in Deutschland,<br />

verglichen mit dem Vorjahr.<br />

Der im vergangenen Jahr<br />

vorgestellte Drogen- und<br />

Suchtbericht der Bundesregierung<br />

zählt insgesamt<br />

1.226 Drogenabhängige, die<br />

das Jahr 2015 nicht überlebt<br />

haben. Trotz der um ein Fünftel<br />

gestiegenen Opferzahl<br />

innerhalb nur eines Jahres<br />

mutet diese Entwicklung fast<br />

marginal an, betrachtet man<br />

die mindestens 40.000 Toten<br />

pro Jahr, die in der Bundesrepublik<br />

an den Folgen von<br />

Alkoholmissbrauch sterben.<br />

Deutschland, berauschtes<br />

Land? „Wenn man betrachtet,<br />

wie einfach es über das<br />

Darknet geworden ist, sich<br />

die gewünschten Drogen<br />

einfach per Post nach Hause<br />

schicken zu lassen – und<br />

wenn man die Diskussion<br />

um die Legalisierung von<br />

Cannabis verfolgt, muss man<br />

in der Tat die Frage stellen,<br />

ob wir uns langsam zu einer<br />

berauschten Gesellschaft<br />

entwickeln.“ Lars Wittmeier<br />

ist Diplom-Sozialpädagoge/<br />

Sozialarbeiter und Sozialtherapeut<br />

im Beratungs- und<br />

Die Suchtprävention – ein Schwerpunkt der Arbeit des BBZ Sylt<br />

Vertrauen als Fundament<br />

Lars Wittmeier<br />

Behandlungszentrum Sylt<br />

(BBZ). Er betont vor dem<br />

Hintergrund dieser alarmierenden<br />

Entwicklung den<br />

Wert der Suchtprävention,<br />

der Arbeit von Fachleuten<br />

also, die von vornherein verhindern<br />

wollen, dass sich vor<br />

allem junge Menschen zu<br />

Süchtigen entwickeln. Norbert<br />

Golomb, ausgebildete<br />

Suchtpräventionsfachkraft<br />

beim BBZ, kommt bereits mit<br />

Grundschülern auf der Insel<br />

ins Gespräch, um sie gegen<br />

die Versuchungen der Droge,<br />

gegen den Druck fragwürdiger<br />

Freunde, „es“ doch<br />

einmal zu versuchen, immun<br />

zu machen. „Dabei geht es<br />

vor allem darum, die eigene<br />

Persönlichkeit der jungen<br />

Menschen zu stärken. Sie<br />

sollen lernen, ,Nein‘ zu sagen,<br />

sich abzugrenzen von<br />

denen, die Drogen nehmen.<br />

Das ist wichtig.“<br />

Golomb hat das Ziel, mindestens<br />

einmal mit jedem <strong>Sylter</strong><br />

Schüler über dieses schwierige<br />

Thema ins Gespräch zu<br />

kommen. Er ist 25 und noch<br />

jung genug, ein Vertrauensverhältnis<br />

zu den Schülern<br />

aufzubauen. Zuzuhören und<br />

Ratschläge zu geben. „Es<br />

geht darum, bei denen, die<br />

es zuhause nicht gelernt haben,<br />

die Lebenskompetenz zu<br />

stärken, die Persönlichkeit zu<br />

stärken. Denn charakterstarke<br />

Menschen nehmen keine<br />

Drogen.“<br />

So wichtig ist dem BBZ unter<br />

der Leitung von Jutta Ringele<br />

Norbert Golomb<br />

das Thema Suchtprävention,<br />

dass auch mit den hiesigen<br />

Schülern der Jahrgangsstufen<br />

5, 6 und 8 über dieses<br />

Thema geredet wird.<br />

„In der Fachklinik Riddorf<br />

besuchen wir mit den Kindern<br />

und Jugendlichen Menschen<br />

im Drogenentzug, die<br />

selbst oft noch jünger sind<br />

als wir selbst“, erläutert Lars<br />

Wittmeier. Aus dem anfänglichen<br />

Getuschel und Gekichere<br />

hinter vorgehaltener<br />

Hand wird dann schnell große<br />

Stille und bitterer Ernst.<br />

Am Ende geht es den Fachleuten<br />

vom BBZ darum zu<br />

kommunizieren, „dass bei<br />

uns immer die Tür offen<br />

steht, wenn jemand Hilfe<br />

benötigt, dass wir erst einmal<br />

nur zuhören und Vertrauen<br />

schaffen möchten.<br />

Denn ohne Vertrauen geht in<br />

der Suchtprävention, in der<br />

Suchthilfe nichts“, sagt Wittmeier.<br />

Nach seiner Erfahrung liegt<br />

nahezu jedem Drogenmissbrauch<br />

ein inneres Defizit des<br />

Abhängigen zugrunde. „Diese<br />

Menschen glauben nicht<br />

an sich, weil sie beispielsweise<br />

von ihren Eltern zu wenig<br />

beachtet wurden. Oder weil<br />

ihnen Gewalt angetan wurde.<br />

Kein Mensch nimmt gern<br />

Heroin, kein Mensch zerstört<br />

seine eigenen Venen im Arm<br />

so sehr, dass er sich ins Bein<br />

oder in den Hals spritzen<br />

muss.“<br />

Der Appell von Wittmeier<br />

und Golomb ist deutlich:<br />

„Alle müssen auf die Kinder<br />

schauen! Eltern und<br />

Lehrer, Freunde und Nachbarn.<br />

Alle!“ Und zusammen<br />

mit Norbert Golomb, dem<br />

die Schüler über die Jahre<br />

immer wieder in schöner<br />

Regelmäßigkeit begegnen<br />

sollen, damit langfristiges<br />

Vertrauen entstehen kann,<br />

soll die Präventionsarbeit auf<br />

Sylt in Kooperation mit der<br />

örtlichen Schulsozialarbeit<br />

zum Erfolg geführt werden.<br />

Klares Ziel der Suchtprävention:<br />

Schon der Zwölfjährige<br />

soll sich eingeladen fühlen,<br />

ins BBZ zu gehen, wenn sein<br />

Kumpel an der Schule plötzlich<br />

anfängt zu rauchen und<br />

er selbst das nicht will. Was<br />

kann er tun? Wie sich distanzieren?<br />

Seinen Willen zum<br />

Ausdruck bringen, dass er<br />

selbst nicht rauchen möchte?<br />

Jetzt nicht – und auch nicht in<br />

Zukunft? „Dafür und gerade<br />

für solch vermeintlich unproblematischen<br />

Dinge sind wir<br />

zuallererst Ansprechpartner“,<br />

sagt Norbert Golomb<br />

abschließend.<br />

Fotos: oh/pixabay<br />

Hintergrund<br />

Illegale Drogen<br />

Unser Überblick über illegale<br />

Drogen und ihre Wirkung:<br />

• Haschisch wird aus dem<br />

Harz der weiblichen Hanf-<br />

Pflanze gewonnen und zu<br />

Platten gepresst.<br />

Konsum: mit Tabak gemischt<br />

und geraucht, in Speisen verarbeitet,<br />

als Tee getrunken.<br />

Wirkung: verminderter Antrieb,<br />

gehobene Stimmung,<br />

Konzentrations- und Aufmerksamkeitsstörungen,<br />

erweiterte Pupillen, Mundtrockenheit,<br />

langfristig: psychische<br />

Abhängigkeit, Wesensveränderung.<br />

Marihuana ist ein Gemisch<br />

aus getrockneten, zerriebenen<br />

Blättern und Blüten der<br />

Hanfpflanze. Konsum: als Zigarette<br />

mit Tabak gemischt<br />

und geraucht.<br />

Wirkung: gehobene Stimmung,<br />

gesteigerte Kontaktfreudigkeit,<br />

Antriebsverlust,<br />

Gleichgültigkeit, Sinnestäuschungen,<br />

räumliche und<br />

zeitliche Desorientiertheit,<br />

Halluzinationen, Sinnesschwankungen<br />

bis hin zu<br />

Angstgefühlen, langfristig:<br />

Verlust der Leistungsfähigkeit,<br />

psychische Abhängigkeit.<br />

• Kokain wird aus den Blättern<br />

des südamerikanischen<br />

Coca-Strauches gewonnen.<br />

Es ist ein weißes, flockiges<br />

Pulver.<br />

Konsum: Kokain wird meist<br />

Medien- und Spielsucht<br />

Es gibt Süchte, die mit Stoffen und Substanzen wie Heroin<br />

oder Alkohol nichts zu tun haben – und dennoch in die<br />

Abhängigkeit führen. Auch in solchen Fällen ist das Beratungs-<br />

und Behandlungszentrum Sylt Ansprechpartner<br />

der Hilfe geben kann.<br />

• Die Spielsucht: Auch hier geht es in vielen Fällen zunächst<br />

um mangelnde Akzeptanz, um zu wenig Aufmerksamkeit<br />

für den Abhängigen aus dessen Umfeld: „Der<br />

Spielautomat sorgt von Zeit zu Zeit, wenn der Spieler mal<br />

was gewinnt, für Bestätigung und ein gutes Gefühl“, sagt<br />

Lars Wittmeier. Dies komme sonst nirgendwo her. Also<br />

wird weiter gespielt Problem bei dieser Sucht: Sie lässt<br />

sich körperlich nicht nachweisen. In Deutschland gibt es<br />

zwischen 100.000 und 290.000 Betroffene.<br />

• Medien/Internetsucht: „Es ist ähnlich wie bei der<br />

Spielsucht: Die Menschen versinken in ihrer Welt, ohne<br />

noch einen Zugang nach draußen zu haben“, erläutert<br />

Lars Wittmeier. Beim (anfangs) kostenlosen Online-Spiel<br />

vergehen schnell Stunden, ohne dass der Internetnutzer<br />

merkt, wie die Zeit vergeht. „Echte“ Freunde aus dem<br />

Verein werden ersetzt durch virtuelle Mitspieler, zu denen<br />

in aller Regel keinerlei sozialer Kontakt hergestellt wird.<br />

Die Abhängigen vereinsamen mehr und mehr, verlieren<br />

ihre Sozialkompetenz und am Ende ihren Freundes- und<br />

Bekanntenkreis. Und manches Online-Spiel lässt sich die<br />

Sucht des Spielers teuer bezahlen, denn mit dem oft teuer<br />

gekauften Werkzeug im Spiel ist man womöglich erfolgreicher<br />

als der Mitspieler.<br />

„Die Anerkennung durch Menschen weicht der Anerkennung<br />

durch den Computer. Darin sehe ich vor allem in<br />

den kommenden Jahren eine große Gefahr“, prognostiziert<br />

Wittmeier – und betont gleichzeitig: „Auch für solche<br />

Probleme lassen sich auf jeden Fall Lösungen finden,<br />

wenn wir ums Gespräch gebeten werden.“<br />

Der Draht zum BBZ<br />

Die Kontaktkoordinaten des Beratungs- und<br />

Behandlungszentrums:<br />

Beratungs- und Behandlungszentrum Sylt gGmbH<br />

Kirchenweg 37<br />

25980 Sylt/Westerland<br />

Telefon 04651 8222020<br />

Telefax 04651 8222028<br />

E-Mail bbz-sylt@dw-suedtondern.de<br />

Internet www.dw-suedtondern.de<br />

geraucht, inhaliert und vor<br />

allem geschnupft.<br />

Wirkung: stark aufputschend,<br />

Kälte-, Hunger-,<br />

Durst-, und Müdigkeitsgefühl<br />

werden unterdrückt,<br />

euphorische Allmachtsgedanken,<br />

Selbstüberschätzung,<br />

Hemmungslosigkeit.<br />

Langfristig: starke psychische<br />

Abhängigkeit ist bereits<br />

nach der ersten Einnahme<br />

möglich.<br />

• Synthetische Drogen (z.B.<br />

Ecstasy) werden in illegalen<br />

Labors hergestellt.<br />

Konsum: Pulver, Tabletten.<br />

Wirkung: Konzentrationsfähigkeit<br />

und Leistungsbereitschaft<br />

nehmen zu, die Ermüdungsschwelle<br />

des Körpers<br />

wird angehoben, Reserven<br />

des Körpers werden angegriffen.<br />

Langfristig: schwere<br />

psychische Störungen, psychische<br />

Abhängigkeit.<br />

Heroin ist das gefährlichste<br />

Rauschgift. Das weiße bis<br />

bräunliche Pulver wird aus<br />

Opium bzw. Morphin gewonnen.<br />

Konsum: meist gespritzt.<br />

Wirkung: allgemeine Entspannung,<br />

Schmerz- und<br />

Angstgefühle werden kurzzeitig<br />

blockiert, anfänglich<br />

starke Glücksgefühle, schnelle<br />

seelische und körperliche<br />

Abhängigkeit, langfristig:<br />

körperlicher Verfall, Tod.<br />

Quelle: BBZ Sylt/wikipedia<br />

Sprechzeiten: Montag, Dienstag, Donnerstag und Freitag<br />

von 9 bis 13 Uhr; Montag, Dienstag, Mittwoch und<br />

Donnerstag von 14 bis 17 Uhr – und nach Vereinbarung

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