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SOCIETY 371 / 2017

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DIPLOMATIE<br />

GROSSBRITANNIEN<br />

d. Red. Interview fand im Februar <strong>2017</strong> statt] hat<br />

sehr klar kundgetan, dass wir die Kontrolle über<br />

unsere Grenzen haben wollen – das ist ein sehr<br />

wichtiger Teil der Brexit-Verhandlungen. Daraufhin<br />

haben uns die anderen 27 Mitgliedsstaaten<br />

klar gemacht, dass wir – wenn wir diese Kontrolle<br />

haben wollen – nicht mehr Teil des Binnenmarkts<br />

der EU sein können. Aber auf der anderen<br />

Seite wollen wir ein Freihandelsabkommen mit<br />

der EU verhandeln, das für die restliche EU wie<br />

auch für Großbritannien positiv ist. Es soll eine<br />

Win-win-Beziehung für alle sein, denn eine gute<br />

Handelsbeziehung liegt im Interesse der EU-Mitgliedsstaaten,<br />

als auch im Interesse Großbritanniens.<br />

Hinsichtlich des Tourismus, aber vor allem<br />

in Hinsicht auf den Austausch an Kräften für den<br />

Arbeitsmarkt, müssen wir erst neue Regeln aufstellen.<br />

Sie sind seit Herbst 2016 als Botschafter in<br />

Österreich tätig. Können Sie uns etwas über Ihren<br />

Werdegang und Ihre Aufgaben erzählen?<br />

Ich finde es wunderbar, Botschafter in Österreich<br />

zu sein – es ist ein Privileg und eine Ehre.<br />

Ich war von 2008 bis 2012 als Botschafter in Kiew,<br />

Ukraine. Dann war ich vier Jahre lang Generalkonsul<br />

in Istanbul. Die Leitung des Konsulats<br />

in der Türkei ist ein relativ großer Posten. Dort<br />

habe ich mich im Rahmen meiner Tätigkeit mit<br />

wirtschaftlichen Fragen, dem Handel und Investitionen<br />

beschäftigt, und ich hatte auch die Verantwortung<br />

für unsere Wirtschaftsbeziehungen<br />

mit zehn anderen Ländern, vor allem aus dem<br />

mittel- und zentralasiatischen Raum. Nun freue<br />

mich aber sehr darüber, dass ich nach Österreich<br />

zurückkehren durfte. Die bilaterale Beziehung<br />

zwischen Österreich und Großbritannien war<br />

immer sehr wichtig, und wird es auch bleiben.<br />

Die Beziehungen waren auch immer sehr gut –<br />

ich war zuletzt von 1984 bis 1987 in der Botschaft<br />

in Wien tätig – 1986 gab es auch einen Besuch<br />

von Prinz Charles und der Prinzessin von Wales.<br />

Dieser Besuch hat gezeigt, dass die Österreicher<br />

Großbritannien und die Königsfamilie sehr<br />

schätzen, und ich glaube, dass es noch immer so<br />

ist – aber vor allem lieben die Briten Österreich.<br />

Mehr als zwei Millionen Briten besuchen jährlich<br />

Österreich. Ich bin auch der ständige Vertreter<br />

Großbritanniens bei den Internationalen Organisationen<br />

in Wien, und es ist ein erfüllender Job,<br />

beide Funktionen innezuhaben.<br />

Hinsichtlich des Ausstiegs Großbritanniens<br />

aus der EU: dieses Thema wird sicher den größten<br />

Teil Ihrer aktuellen Kommunikationsarbeit<br />

einnehmen. Müssen Sie in diesen Gesprächen<br />

die Menschen von Sorgen befreien?<br />

Meist sind diese Gespräche gefüllt mit Erklärungen<br />

und Erläuterungen. Firmeninhaber<br />

fragen, was die nächsten Schritte sein werden.<br />

Aber die Beziehungen zu den wichtigen Kontakten<br />

in der Politik, Industrie und Wirtschaft sind<br />

auf einem sehr freundlichen Niveau, denn die<br />

CURRICULUM<br />

VITAE<br />

S.E. ROBERT LEIGH<br />

TURNER wurde am 13. März<br />

1958 geboren. Er wuchs<br />

in Nigeria, Lesotho und<br />

Swasiland auf. Leigh Turner<br />

hat einen Sohn und eine<br />

Tochter. Er studierte an der<br />

Cambridge Universität. Von<br />

2012 bis 2016 war er als<br />

Honorargeneralkonsul und<br />

Generaldirektor für Handel<br />

und Investment des Vereinigten<br />

Königreichs für den<br />

Raum Türkei, den südlichen<br />

Kaukasus und Zentralasien,<br />

in Istanbul tätig. 2008 bis<br />

2012 war er als Botschafter<br />

in Kiew. 2006 bis 2008<br />

arbeitete er als Direktor der<br />

Abteilung für Überseegebiete<br />

des Ministeriums für<br />

auswärtige Angelegenheiten<br />

und Commonwealth-Fragen<br />

(FCO) des Vereinigten Königreichs.<br />

1998 bis 2002 war<br />

er als Berater in Bonn für<br />

den Bereich EU/Wirtschaft<br />

tätig. Von 1995 bis 1998 war<br />

er stellvertretender Leiter<br />

der Hong Konger-Abteilung<br />

des Ministeriums für auswärtige<br />

Angelegenheiten und<br />

Commonwealth-Fragen<br />

(FCO) des Vereinigten<br />

Königreichs. 1992 bis 1995<br />

war er Erster Sekretär der<br />

Botschaft in Moskau. 1984<br />

bis 1987 war er Zweiter<br />

Sekretär der Botschaft in<br />

Wien.<br />

»Großbritannien<br />

verlässt zwar<br />

die EU, aber<br />

nicht Europa.<br />

«<br />

INFO<br />

S.E. Robert Leigh Turner ist<br />

als @leighturnerFCO auf<br />

Twitter und als<br />

leighturnerFCO auf Instagram<br />

zu finden. Seinen Blog<br />

findet man unter: http://<br />

blogs.fco.gov.uk/leighturner/.<br />

Leute arbeiten alle sehr professionell. Sicherlich<br />

ist der Brexit ein wichtiger Teil der Arbeit hier<br />

in Wien, und wir arbeiten sehr eng mit unseren<br />

österreichischen Partnern zusammen, um zu<br />

verstehen wie die Österreicher zu diesen Fragen<br />

stehen, und um zu besprechen wie es weiter voran<br />

gehen kann. Ich möchte auch intensiv mit<br />

österreichischen Firmen zusammenarbeiten. Ich<br />

habe viele Kontakte in dieser Hinsicht, die auch<br />

weiterhin investieren wollen, und davon ausgehen,<br />

dass es zu keinen Problemen für sie kommen<br />

wird. Es gibt viele große Firmen, die trotz<br />

des Referendums im letzten Jahr, große Investitionen<br />

in Großbritannien angekündigt haben.<br />

Zum Beispiel baut Nissan seine Autoproduktion<br />

von 500.000 auf 600.000 Einheiten pro Jahr aus;<br />

Google baut einen neuen Campus, und es wird<br />

anstatt der momentanen 4.000 Mitarbeiter 7.000<br />

Mitarbeiter geben. Auch Facebook wird 300 neue<br />

Mitarbeiter einstellen. Es gibt eine Reihe solcher<br />

wichtiger Entscheidungen. Ich bin in mehreren<br />

österreichischen Firmen gewesen, und möchte<br />

mit Ihnen zusammenarbeiten, damit der Ausgang<br />

ein positiver ist – und ich bin zuversichtlich.<br />

Möchten Sie zu Ihren Aufgaben hier in Österreich<br />

noch etwas hinzufügen?<br />

Ich versuche auf allen Ebenen möglichst enge<br />

Verbindungen zwischen Großbritannien und der<br />

EU zu fördern. Wir müssen erklären, worum es<br />

uns in Großbritannien geht, was uns wichtig ist.<br />

Dafür benutzen wir die traditionellen Mittel wie<br />

Gespräche und Interviews. Ebenso nutzen wir die<br />

Neuen Medien sehr stark – wir haben hier in der<br />

Botschaft einen Twitter-Account. Ich selbst führe<br />

auch ein Konto auf Twitter und auf Instagram. So<br />

habe ich die Reihe „Keen on Wien“ ins Leben gerufen,<br />

die zeigen soll, wie sehr ich Wien schätze.<br />

Ich habe auch einen Blog, auf dem ich über die<br />

großen Unterschiede der einzelnen Bundesländer<br />

in Österreich schreibe.<br />

Was sind Ihre nächsten großen Aufgaben<br />

hier in Österreich?<br />

Es gibt immer wichtige Besuche auf hoher<br />

Ebene. So haben wir im September 2016 unseren<br />

Außenminister hier gehabt. In den nächsten<br />

Jahren werden wir mit der Entwicklung unserer<br />

Beziehung zu den Vereinten Nationen allerhand<br />

zu tun haben – hier fällt beispielsweise das Nuklearabkommen<br />

mit dem Iran hinein. Großbritannien<br />

tut auch sehr viel gegen moderne Sklaverei.<br />

In Bezug auf Menschenhandel unternehmen wir<br />

sowohl bi – als auch multilateral sehr viel. Hier<br />

arbeiten wir auch eng mit unseren österreichischen<br />

Partnern im Bereich der Sicherheit zusammen,<br />

und ebenso ist hier das United Nations Office<br />

on Drugs and Crime äußerst wichtig für uns.<br />

Ich denke, dass man mit internationalen Partnern<br />

sehr viel gegen dieses globale Problem tun<br />

kann. Auf der bilateralen Seite, werden wir in der<br />

kommenden Zeit sehr stark mit dem Thema<br />

„Brexit“ beschäftigt sein.<br />

•<br />

<strong>SOCIETY</strong> 1_<strong>2017</strong> | 29

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