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ZAP-0218

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<strong>ZAP</strong><br />

Kolumne<br />

Kolumne<br />

Eltern haften für ihre (volljährigen) Kinder?<br />

Schilder mit der Aufschrift „Eltern haften für ihre<br />

Kinder“ sind auch weiterhin auf Baustellen, Spielplätzen<br />

und anderen öffentlichen oder privaten<br />

Einrichtungen vorzufinden. Diese „Drohung“ ist<br />

irreführend, da Eltern für die von ihren Kindern<br />

angerichteten Schäden nur dann haften, wenn sie<br />

ihre Aufsichtspflicht verletzt haben (§ 832 BGB).<br />

Diese Aufsichtsplicht endet spätestens mit der<br />

Volljährigkeit der Kinder. Der BGH hat jedoch in<br />

einer Entscheidung vom 30.3.2017 (I ZR 19/16, <strong>ZAP</strong><br />

EN-Nr. 13/2018) Eltern zum Ersatz eines Schadens<br />

verurteilt, den eines ihrer volljährigen Kinder<br />

verursacht hatte. Was war geschehen?<br />

Die Inhaberin der Verwertungsrechte eines Musikalbums<br />

hatte die Beklagten wegen Urheberrechtsverletzung<br />

auf Schadenersatz in Anspruch genommen,<br />

weil von deren Internetanschluss Musiktitel<br />

im Wege des Filesharings öffentlich zugänglich<br />

gemacht worden waren.<br />

Die Beklagten hatten sich darauf berufen, dass sie<br />

nicht selbst die Urheberrechtsverletzung vorgenommen<br />

hätten, vielmehr eines der im elterlichen<br />

Haushalt lebenden volljährigen Kinder, dessen<br />

Name jedoch nicht mitgeteilt werde.<br />

Der BGH hat die beklagten Eltern zum Schadenersatz<br />

verurteilt, weil eine tatsächliche Vermutung<br />

für eine Täterschaft des Anschlussinhabers spreche.<br />

Es sei von der sekundären Beweislast der Eltern<br />

auszugehen, die auch die Verpflichtung enthalte,<br />

den Namen des verantwortlichen volljährigen Kindes<br />

zu nennen.<br />

Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden, da<br />

die sekundäre Beweislast sich zunächst auf die<br />

Nachweise beschränkt, dass der Anschlussinhaber<br />

als Täter nicht in Betracht kommt.<br />

Zwar mag im Einzelfall die sekundäre Beweislast<br />

auch zu der Verpflichtung führen, den tatsächlichen<br />

Täter zu benennen. Selbst wenn man dies<br />

für zulässig halten würde, findet die sekundäre<br />

Beweislast aber ihre Grenze, wenn andere Rechtsgüter<br />

entgegenstehen. Nahezu alle Rechtsordnungen<br />

sehen vor, dass niemand verpflichtet ist,<br />

sich selbst oder nahe Familienangehörige zu<br />

belasten. Dieser Grundsatz beruht auf dem grundrechtlich<br />

garantierten Schutz der Familie gem.<br />

Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 7 EU-Grundrechtecharta<br />

und findet seinen Niederschlag im Zeugnisverweigerungsrecht<br />

gem. § 383 ZPO und § 52 StPO.<br />

Der BGH hat das Recht auf geistiges Eigentum<br />

gem. Art. 17 Abs. 2 EU-Grundrechtecharta und<br />

Art. 14 GG als vorrangig angesehen und die Eltern<br />

zum Schadenersatz verurteilt, obgleich diese den<br />

Schaden nicht verursacht hatten. Hier zeigt sich<br />

die Tendenz des BGH, immer mehr vom „nemo<br />

tenetur-Dogma“ abzurücken, um einer Partei<br />

die Verpflichtung aufzuerlegen, den Prozessgegner<br />

in die Lage zu versetzen, seinen Anspruch<br />

durchzusetzen (ZÖLLER/GREGER, ZPO, vor § 284<br />

ZPO, Rn 34d m.w.N.).<br />

Das Urteil des BGH vom 30.3.2017 führt zu einer<br />

Sippenhaftung und zu einer Gefährdungshaftung,<br />

die unsere Rechtsordnung nur bei Kraftfahrzeugen,<br />

Flugzeugen, Atomkraftwerken oder anderen<br />

gefährlichen Einrichtungen normiert.<br />

Allein die Unterhaltung eines Internetanschlusses<br />

stellt noch keinen Gefährdungstatbestand dar. Es<br />

ist nicht hinnehmbar, dass das Eigentumsrecht als<br />

vorrangig gegenüber dem Schutz der Familie<br />

angesehen wird. Zwar sind Eigentum und Familie<br />

grundgesetzlich gleichermaßen geschützt, im<br />

Konfliktfall dürfte jedoch dem Schutz der Familie<br />

der Vorrang einzuräumen sein. Hier muss letztlich<br />

das Bundesverfassungsgericht Klarheit schaffen.<br />

Rechtsanwalt Dr. HUBERT W. VAN BÜHREN, Köln<br />

<strong>ZAP</strong> Nr. 2 17.1.2018 49

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