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Strafverfahren/Strafvollstreckung/Strafvollzug Fach 22, Seite 925<br />

Zustellungsfehler im Strafverfahren<br />

Hinweis:<br />

Hierbei handelt es sich nicht um eine bloße Formalie. Vielmehr führt das Fehlen des erforderlichen Beschlusses<br />

zur Unwirksamkeit der Zustellung. Fristen werden dann nicht in Lauf gesetzt (MEYER-GOßNER/SCHMITT,<br />

§ 40 Rn 6).<br />

Darüber hinaus setzt die öffentliche Zustellung voraus, dass es im Inland an einer anderen Zustellmöglichkeit<br />

fehlt. Kann an einen Zustellungsbevollmächtigten oder an einen Verteidiger (Pflichtverteidiger<br />

oder, unter den Voraussetzungen des § 145a StPO, Wahlverteidiger) zugestellt werden, scheidet eine<br />

öffentliche Zustellung aus.<br />

Weiter verlangt die Rechtsprechung – und hier liegt die häufigste Fehlerquelle –, dass vor Anordnung<br />

der öffentlichen Zustellung alle zur Verfügung stehenden Mittel genutzt werden, um den Aufenthaltsort<br />

des Beschuldigten/Verurteilten zu ermitteln. Hier ist ein strenger Maßstab anzulegen (vgl. BVerfG<br />

NStZ-RR 2005, 206). Insbesondere genügt es nicht, wenn ein Schriftstück in den Rücklauf gerät – auch<br />

nicht, wenn es Vermerke wie „Empfänger an der angegebenen Anschrift nicht zu ermitteln“ oder „Empfänger<br />

unbekannt verzogen“ enthält. Auch die Mitteilung einer anderen Wohnanschrift durch das Einwohnermeldeamt<br />

ist unzureichend (KK-MAUL, § 40 Rn 7).<br />

Vielmehr müssen weitere Schritte ergriffen werden. In Betracht kommen Anschriftenüberprüfungen<br />

durch die Polizei, Anfragen an Bewährungshelfer und/oder Betreuer oder beim staatsanwaltschaftlichen<br />

Verfahrensregister. Bei Ausländern ist zudem eine Nachfrage beim Ausländerzentralregister angezeigt.<br />

Hinweis:<br />

Hin und wieder kommt es vor, dass Gerichte beim Verteidiger nach der aktuellen Anschrift des Mandanten<br />

fragen. Eine entsprechende Mitteilung an das Gericht kann im Einzelfall zur Vermeidung von Problemen<br />

sinnvoll sein, etwa weil das vermeintliche Untertauchen lediglich auf eine versehentlich unterbliebene<br />

Ummeldung nach einem Wohnungswechsel zurückzuführen ist. Hier liegt es im Interesse des Mandanten,<br />

dass der Verteidiger die neue Anschrift mitteilt und das Versäumnis des Angeklagten aus der Welt schafft.<br />

Dennoch sollte eine Adressmitteilung nur erfolgen, wenn dem Verteidiger das ausdrückliche Einverständnis<br />

des Mandanten vorliegt – alles andere wäre im Hinblick auf die anwaltliche Schweigepflicht problematisch.<br />

VI. Heilung<br />

Steht ein Zustellungsmangel fest, muss geprüft werden, ob dieser nicht nach § 189 ZPO geheilt wurde.<br />

Hiernach gilt das Schriftstück in dem Zeitpunkt als zugestellt, in dem es der Person, an die die Zustellung<br />

dem Gesetz gemäß gerichtet war oder gerichtet werden konnte, tatsächlich zugegangen ist. Dies gilt<br />

auch, wenn hierdurch eine gesetzliche Frist in Lauf gesetzt wird (OLG Frankfurt NStZ-RR 2004, 336).<br />

Der tatsächliche Zugang muss aber von einem entsprechenden Zustellungswillen des Gerichts gedeckt<br />

sein (KG NStZ-RR 2011, 86).<br />

VII. Fazit<br />

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass angesichts der dargelegten Fehlerquellen in Fällen<br />

(angeblicher) Fristversäumnis zuerst immer geprüft werden muss, ob eine wirksame Zustellung erfolgt ist.<br />

Wird der Verteidiger an dieser Stelle bei der Fehlersuche fündig, hat er gute Chancen, seinem Mandanten<br />

den zunächst versperrt erscheinenden Weg zu Gericht bzw. in die nächste Instanz zu öffnen.<br />

Hinweis:<br />

Unabdingbare Voraussetzung für einen solchen Erfolg ist jedoch, dass die zur Unwirksamkeit führenden<br />

Zustellungsfehler ebenso ausführlich wie sorgfältig dargelegt werden. Nicht wenige Gerichte tun sich recht<br />

schwer mit der Erkenntnis, dass die vermeintlich denkbar einfache und schnelle Verfahrenserledigung<br />

tatsächlich keine war und das Verfahren stattdessen noch ganz am Anfang steht. Dies führt immer wieder zu<br />

Versuchen, die Zustellung irgendwie doch noch „gesundzubeten“. Dem muss der Verteidiger mit einer wasserdichten<br />

Argumentation von vornherein entgegen treten.<br />

<strong>ZAP</strong> Nr. 2 17.1.2018 103

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