ZAP-0218
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Fach 22, Seite 924<br />
Strafverfahren/Strafvollstreckung/Strafvollzug<br />
Zustellungsfehler im Strafverfahren<br />
mächtigten Vertreter. Gemeinschaftseinrichtungen in diesem Sinne sind u.a. Krankenhäuser, Altenbzw.<br />
Pflegeheime, Asylbewerberunterkünfte, Wohnheime oder Kasernen.<br />
Hinweis:<br />
Bevor an die Leitung der Einrichtung zugestellt wird, muss jedoch immer versucht werden, den Empfänger<br />
dort persönlich anzutreffen. Es ist unzulässig, das Schriftstück ohne vorherigen Kontaktaufnahmeversuch<br />
mit dem Empfänger an der Pforte abzugeben, selbst wenn die dort tätigen Beschäftigten von der Heimleitung<br />
mit der Entgegennahme von Post beauftragt sind.<br />
b) Urlaubsabwesenheiten<br />
Ist der Empfänger nur für einen kürzeren Zeitraum, etwa für eine Urlaubsreise, und nicht längerfristig<br />
abwesend, berührt dies die Wirksamkeit einer Ersatzzustellung nicht. Die Frist beginnt ab der (Ersatz-)<br />
Zustellung zu laufen, und der Empfänger kann sich nicht darauf berufen, er sei zu diesem Zeitpunkt<br />
ortsabwesend gewesen. Stattdessen muss er in solchen Fällen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand<br />
beantragen. Hierbei dürfen dann aber keine übersteigerten Anforderungen gestellt werden. Es gilt<br />
insoweit der Grundsatz, dass derjenige, der sich nur vorübergehend nicht an seinem Wohnort aufhält,<br />
keine Vorkehrungen dafür treffen muss, dass ihn Zustellungen innerhalb der Rechtsmittelfristen<br />
erreichen (so schon BVerfG NJW 1969, 1531). Auch die Kenntnis von laufenden Ermittlungen führt<br />
insoweit nicht zu gesteigerten Sorgfaltspflichten, es sei denn der Empfänger hat mit Zustellungen zu<br />
rechnen, vor allem mit der eines Urteils (KK-CIRENER, § 44 Rn 23).<br />
c) Einlegen in den Briefkasten<br />
Scheitert eine Zustellung nach § 178 ZPO, kann das Schriftstück gem. § 180 ZPO durch Einlegen in den<br />
Briefkasten zugestellt werden. Hierzu wird das Schriftstück in einen sich in einem ordnungsgemäßen<br />
Zustand befindlichen, insbesondere nicht überquellenden (PRÜTTING/GEHRLEIN, ZPO, 8. Aufl. 2016, § 180 Rn 2)<br />
Briefkasten eingelegt. Die Zugehörigkeit zur Wohnung bzw. zum Geschäftsraum muss durch Beschriftung<br />
oder den Ort der Anbringung erkenntlich sein (PRÜTTING/GEHRLEIN, a.a.O.). Eine gemeinschaftliche Nutzung<br />
eines Briefschlitzes in einem von einem überschaubaren Personenkreis bewohnten Mehrfamilienhaus ist<br />
unschädlich (OLG Frankfurt NStZ-RR 2010, 349).<br />
V. Öffentliche Zustellung<br />
Kann eine Entscheidung, etwa wegen unbekannten Aufenthalts des Adressaten, nicht zugestellt<br />
werden, greifen die Gerichte gerne auf die öffentliche Zustellung zurück. Diese ist für Zustellungen an<br />
den Beschuldigten/Angeklagten in § 40 StPO geregelt.<br />
Obwohl § 40 StPO nur vom Beschuldigten bzw. Angeklagten, nicht aber vom Verurteilten spricht,<br />
besteht Einigkeit darüber, dass die öffentliche Zustellung nicht nur bis zum rechtskräftigen Abschluss<br />
des Verfahrens möglich ist, sondern auch bei Entscheidungen im Vollstreckungsverfahren. Somit kann<br />
insbesondere der Beschluss über den Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung öffentlich<br />
zugestellt werden (KK-MAUL, a.a.O.).<br />
In der Praxis stellt sich die öffentliche Zustellung freilich häufig als reine Fiktion heraus: Der Adressat<br />
erhält von der vermeintlich zugestellten Entscheidung i.d.R. keine Kenntnis, ehe es zu einem späteren<br />
Zeitpunkt zu Zwangsmaßnahmen im Rahmen der Vollstreckung kommt.<br />
Angesichts dieser drohenden Konsequenzen wird in der obergerichtlichen Rechtsprechung zu Recht<br />
immer wieder hervorgehoben, dass die öffentliche Zustellung nur ultima ratio sein kann (so z.B. OLG<br />
Hamm, Beschl. v. 17.1.2013 – 3 RBs 214/12, NWVBl 2013, 422). Trotz dieser klaren Vorgabe kommt es aber<br />
bei der Anordnung der öffentlichen Zustellung immer wieder zu Nachlässigkeiten.<br />
So wird oftmals übersehen, dass die Anordnung der öffentlichen Zustellung nur durch einen förmlichen<br />
Gerichtsbeschluss erfolgen kann. Eine Verfügung des Vorsitzenden genügt nicht.<br />
102 <strong>ZAP</strong> Nr. 2 17.1.2018