16.01.2018 Aufrufe

ZAP-0218

  • Keine Tags gefunden...

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Fach 22, Seite 922<br />

Strafverfahren/Strafvollstreckung/Strafvollzug<br />

Zustellungsfehler im Strafverfahren<br />

Allerdings ist auch in derartigen Fällen auf eine sorgfältige und vor allem vollständige Abfassung des<br />

Wiedereinsetzungsantrags zu achten. Das bloße Vorbringen, die Frist sei „aufgrund eines Kanzleiversehens“<br />

nicht eingehalten worden, ist unzureichend. Vielmehr muss der Antrag nicht nur über die<br />

versäumte Frist und den Hinderungsgrund Angaben enthalten, sondern auch über den Zeitpunkt des<br />

Wegfalls des Hindernisses. Dies gilt nach der Rechtsprechung des BGH ausdrücklich auch dann, wenn<br />

der Verteidiger eigenes Verschulden geltend macht (BGH NStZ 2013, 474).<br />

2. Ohne ordnungsgemäße Zustellung kein Fristbeginn<br />

Bevor nach Wiedereinsetzungsgründen gesucht wird, ist deshalb zu prüfen, ob die vermeintlich<br />

versäumte Frist tatsächlich bereits zu laufen begonnen hat. Ist dies nicht der Fall, bedarf es bei einer<br />

„Versäumnis“ keiner Wiedereinsetzung. Insbesondere bei Zustellungen gem. § 35 Abs. 2 StPO (z.B. einer<br />

Entscheidung über den Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung) können sich durchaus erfolgversprechende<br />

Verteidigungsansätze ergeben.<br />

Die nachfolgenden Ausführungen geben einen Überblick über die allgemeinen Wirksamkeitsvoraussetzungen<br />

der Zustellung sowie über die in Betracht kommenden Formen der Ersatzzustellung und<br />

zeigen mögliche Fehlerquellen auf, die der Verteidiger zugunsten seines Mandanten nutzen kann.<br />

II. Anordnung und Durchführung der Zustellung<br />

1. Voraussetzungen<br />

Die Zustellung von Entscheidungen ordnet der Vorsitzende an, § 36 Abs. 1 S. 1 StPO. Fehlt diese<br />

Anordnung, ist die Zustellung bereits deshalb unwirksam (MEYER-GOßNER/SCHMITT, § 36 Rn 7). Die Ausführung<br />

der Zustellung obliegt nach § 36 Abs. 1 S. 2 StPO dagegen der Geschäftsstelle.<br />

2. Besonderheiten<br />

a) Strafbefehlsverfahren<br />

Ist der Zustellungsempfänger der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtig, stellt sich die Frage, ob<br />

dem zuzustellenden Schriftstück eine Übersetzung beizufügen ist. Für Urteile ergibt sich dies<br />

zweifelsfrei aus § 37 Abs. 3 StPO, der jedoch für andere Schriftstücke als Urteile keine Regelung enthält.<br />

Es war deshalb in der deutschen Rechtsprechung umstritten, ob im Strafbefehlsverfahren auch eine Übersetzung<br />

des Strafbefehls zugestellt werden muss. Während das LG Stuttgart (NStZ-RR 2014, 2016) dies zur<br />

Sicherung eines rechtsstaatlichen Strafverfahrens und der Wahrung effektiver Verteidigungsmöglichkeiten<br />

für zwingend hielt, hat das Landgericht Ravensburg (NStZ-RR 2015, 219) die Erforderlichkeit einer Übersetzung<br />

verneint.<br />

Mit Urteil vom 12.10.2017 (NZV 2017, 530) hat nunmehr der EuGH in die Diskussion eingegriffen und<br />

klargestellt, dass Angeklagte eine schriftliche Übersetzung des Strafbefehls erhalten müssen, um zu<br />

gewährleisten, dass sie imstande sind, ihre Verteidigungsrechte wahrzunehmen. Dies ist im Hinblick<br />

darauf, dass der Angeklagte im Strafbefehlsverfahren selbst aktiv werden muss, um den ersten Zugang zu<br />

Gericht (vgl. BVerfG NJW 1975, 1405) zu erhalten, zutreffend. Zudem spricht auch § 410 Abs. 3 StPO, der den<br />

rechtskräftigen Strafbefehl einem rechtskräftigen Urteil gleichstellt, für eine Gleichbehandlung von Urteil<br />

und Strafbefehl. Wenngleich sich der EuGH nicht explizit zur Frage der Wirksamkeit einer Zustellung des<br />

Strafbefehls ohne Übersetzung geäußert hat, wird man fortan davon ausgehen müssen, dass ein nicht<br />

übersetzter Strafbefehl nicht wirksam zugestellt werden kann (so auch SANDHERR NZV 2017, 531).<br />

b) Strafvollstreckungsverfahren<br />

Bei Entscheidungen im Strafvollstreckungsverfahren, etwa bei einem Widerruf der Strafaussetzung zur<br />

Bewährung ober bei Entscheidungen nach § 57 StGB, sollen schriftliche Übersetzungen dagegen nicht<br />

geboten sein (OLG Köln NStZ 2014, 229; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 24.4.2017 – 1 Ws 118/17).<br />

Hinweis:<br />

Ob diese Rechtsauffassung im Hinblick auf den Fairnessgrundsatz einer Überprüfung durch das BVerfG oder<br />

auf europäischer Ebene auf Dauer standhalten wird, erscheint allerdings fraglich. Insoweit bleibt die weitere<br />

Entwicklung abzuwarten.<br />

100 <strong>ZAP</strong> Nr. 2 17.1.2018

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!