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Strafverfahren/Strafvollstreckung/Strafvollzug Fach 22, Seite 923<br />
Zustellungsfehler im Strafverfahren<br />
III. Zustellungsadressaten<br />
Adressat der Zustellung ist der, für den das zuzustellende Schriftstück bestimmt ist, also in aller Regel<br />
der Angeklagte oder dessen Zustellungsbevollmächtigter (hierzu ausführlich MAYER NStZ 2016, 76).<br />
Die Benennung eines Zustellungsbevollmächtigten darf nach der Rechtsprechung des EuGH nicht dazu<br />
führen, dass sich für den Angeklagten die Rechtsmittelfrist verkürzt (NJW 2016, 303). Die Ansicht, dass dies<br />
dazu führe, dass eine Zustellung über einen Zustellungsbevollmächtigten erst wirksam werde, wenn das<br />
jeweilige Schriftstück den Angeklagten in seinem Heimatland anschließend auch tatsächlich erreicht (so<br />
BÖHM NJW 2916, 307), hat sich auf nationaler Ebene bislang nicht durchgesetzt. So vertritt das OLG<br />
München die Ansicht, dass die Rechtsprechung des EuGH bei der Zustellung eines Strafbefehls weder den<br />
Lauf der Einspruchsfrist noch den Eintritt der Rechtskraft hindere (NStZ-RR 2016, 249). Es sei Sache des<br />
Angeklagten, sicherzustellen, dass der von ihm benannte Zustellungsbevollmächtigte ihn über den<br />
Eingang amtlicher Schriftstücke unverzüglich informiert. Es komme nicht darauf an, wann er von dem<br />
Schriftstück tatsächlich Kenntnis genommen hat, sondern ab wann er hiervon Kenntnis nehmen konnte<br />
(OLG München a.a.O.).<br />
IV.<br />
Ersatzzustellung<br />
1. Voraussetzungen<br />
Gelingt eine Zustellung durch persönliche Übergabe nicht, kann nach Maßgabe der §§ 178 f. ZPO eine<br />
Ersatzzustellung vorgenommen werden. § 178 Abs. 1 Nr. 1 ZPO eröffnet die Möglichkeit, die (Ersatz-)<br />
Zustellung durch Übergabe des Schriftstücks in der Wohnung des Zustellungsempfängers an einen<br />
erwachsenen Familienangehörigen (dieser muss trotz der Formulierung „erwachsen“ nicht zwingend<br />
volljährig sein, KK-MAUL, § 37 Rn 14), eine in der Familie beschäftigte Person oder einen erwachsenen<br />
ständigen Mitbewohner zu bewirken, sofern der Empfänger dort nicht angetroffen werden kann. Eine<br />
Wohnung i.S.d. § 178 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ist gegeben, wenn es sich um zu dauerndem Aufenthalt<br />
bestimmte, gemeinhin auch als Schlafstätte benutzte Räume handelt und sich dort der Mittelpunkt des<br />
Lebens des Inhabers und seiner Familie befindet (KK-MAUL, a.a.O.). Dass der Adressat des Schriftstücks<br />
an einer Anschrift polizeilich gemeldet ist, genügt dagegen nicht (OLG Düsseldorf StV 1996, 83).<br />
2. Besonderheiten<br />
Eine Ersatzzustellung kann nicht an eine Person bewirkt werden, die durch die dem Angeklagten<br />
vorgeworfene Straftat selbst unmittelbar verletzt ist (KK-MAUL, § 37 Rn 11). Damit scheidet etwa die<br />
Zustellung eines Strafbefehls an den durch eine im Rahmen einer häuslichen Auseinandersetzung<br />
begangene Körperverletzung geschädigten Ehepartner aus.<br />
Ausgeschlossen ist diese Form der Ersatzzustellung auch, wenn der Wohnungsinhaber über einen<br />
längeren Zeitraum hinweg abwesend ist, so etwa bei<br />
• längerem beruflichen Auslandsaufenthalt,<br />
• Strafhaft,<br />
• Untersuchungshaft,<br />
• Wehrdienst oder<br />
• stationärem Aufenthalt in einer Therapieanstalt (OLG Frankfurt NStZ 2003, 174).<br />
Erst recht ausgeschlossen ist eine Zustellung nach § 178 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, wenn die Wohnung aufgegeben<br />
wird. Hierfür genügt jedoch das Vorhandensein eines bloßen Aufgabewillens nicht; vielmehr muss in<br />
dem gesamten Verhalten des Betroffenen – für einen mit den Verhältnissen vertrauten Beobachter<br />
erkennbar (BGH NJW 1996, 2581) – zum Ausdruck kommen, dass er seinen bisherigen Lebensmittelpunkt<br />
verlegen will.<br />
a) Geschäftsräume/Gemeinschaftseinrichtungen<br />
Darüber hinaus erlaubt § 178 Abs. 1 ZPO Ersatzzustellungen in Geschäftsräumen an dort beschäftigte<br />
Personen (Nr. 2) und in Gemeinschaftseinrichtungen (Nr. 3) an deren Leiter oder dessen dazu er-<br />
<strong>ZAP</strong> Nr. 2 17.1.2018 101