27.06.2018 Aufrufe

KunstInvestor 01-2008

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

„Die Kirche muss<br />

aus sich herausgehen“<br />

Interview mit Pater Gustav Schörghofer,<br />

Jesuitenpfarrer in der Jesuitenkirche in Wien 1<br />

Wie kamen Sie zur zeitgenössischen Kunst?<br />

Schörghofer: Ich bin 1953 in Salzburg geboren,<br />

da lebt man direkt in einem Kunstwerk. Ich bin auf<br />

der Burg Salzburg aufgewachsen, dort, wo die Schule<br />

des Sehens von Oskar Kokoschka war, ich bin also<br />

von klein auf mit der Kunst konfrontiert gewesen.<br />

Sie sind noch mehr mit der Kunst verbunden?<br />

Schörghofer: Für mich war immer das Betrachten<br />

von Kunst wichtig. Die Kunst spricht zu mir.<br />

Sie haben ja moderne Kultur präsentiert ...<br />

Schörghofer: Der Altarraum ist seit 2004 teilweise<br />

mit moderner Kunst ausgestattet. Vor dem Altar<br />

steht zum Beispiel ein Kreuz aus kristallklaren Legosteinen<br />

von Manfred Erjautz, statt dem Corpus Christi<br />

ist ein kleiner, blauer Lastwagen zu sehen. Altar,<br />

Ambo und Priestersitz sind aus Beton und von Michael<br />

Kienzer gestaltet.<br />

Wie waren und sind die Reaktionen?<br />

Schörghofer: Wenn man etwas ernst betreibt,<br />

muss man sich aufs Spiel setzen. Ich kann mich nicht<br />

nur auf das Können verlassen, sondern man muss<br />

auch Dinge wagen. Das geht in der bildenden Kunst<br />

leichter als in der Musik. Die Reaktionen auf das Legokreuz<br />

sind unterschiedlich, manche haben spontan<br />

einen Zugang, manche brauchen eine Vermittlung.<br />

Je unvoreingenommener man der Kunst begegnet,<br />

umso besser. Das blaue Lastenauto steht<br />

etwa für die Last, die Jesu für uns transportiert, man<br />

darf nicht immer nur das Kreuz sehen. Für mich ist<br />

das Betrachten von Kunst ein mitschöpferischer Akt.<br />

Generell wird die Kunst im Kirchenraum positiv aufgenommen,<br />

wird nur von wenigen abgelehnt. Einzig am<br />

Wochenende muss das Legokreuz in die Sakristei, da<br />

es für liturgische Zwecke nicht verwendet wird.<br />

Hat sich die Kirche von der Kunst abgekoppelt?<br />

Schörghofer: Die Kirche hat sich von der zeitgenössischen<br />

Kunst schon lange entfernt. Die Kirche<br />

hat im 19. Jahrhundert ihre eigene<br />

Kunst ausgebildet. Es ist wichtig, dass<br />

die Kirche wieder aus sich heraus<br />

geht.<br />

36<br />

haben und erstaunt sind, dass man sich hier mit zeitgenössischer<br />

Kunst beschäftigt und „Kirche doch nicht ein Relikt aus<br />

dem Mittelalter ist“, freut sich Hubl. So ist die Kunst ein lebendiges<br />

Mittel der Kommunikation und dem Abt ist etwas gelungen,<br />

was derzeit viele Menschen an der Kirche vermissen:<br />

Die Kirche hat mit den Menschen unserer Zeit zu tun und sie<br />

muss helfen, ihre Probleme zu lösen – und dies kann begleitend<br />

über die Kunst passieren. Abt Hubl wünscht sich, dass<br />

die Menschen über die Kunst mit einer lebendigen Kirche in<br />

Berührung kommen. Da nimmt der Kirchenmann auch in<br />

„Kunst darf nicht zur Hülle werden, darf nicht<br />

zum Objekt des Raubes und der Spekulation<br />

werden“<br />

Kauf, dass es schon auch gläubige Menschen gibt, die den<br />

Zugang zur zeitgenössischen Kunst nicht finden, dafür aber<br />

nichtgläubige Menschen plötzlich einen Zugang zur klösterlichen<br />

Atmosphäre verspüren.<br />

In Admont nimmt das Ambiente des Klosters die Gegenwartskunst<br />

mit offenen Armen auf und sie kann sich vor der<br />

geistigen wie körperlichen Kulisse des Klosters ausbreiten<br />

und entfalten. Im Schnittpunkt von Religion und Kunst kann<br />

die Sprache der heutigen Menschen deutlicher werden, denn<br />

die Kunst wirft für Abt Hubl derzeit mehr Fragen denn Antworten<br />

auf. „Die Botschaft Jesu soll in jener Sprache weitergegeben<br />

werden, die Menschen unserer Zeit verstehen können“,<br />

gibt sich der Abt weltoffen, möchte aber nicht, dass sich die<br />

Gegenwartskunst vorwiegend mit religiösen Themen beschäftigt.<br />

Auch wenn sich der Abt dann doch wünscht, dass<br />

sich die Kunst wieder mehr für religiöse Werte interessiert,<br />

weiß er, dass man die zeitgenössische Kunst nicht für „unsere<br />

Botschaften vereinnahmen“ darf.<br />

Wie man anhand des Stiftes Admont sieht, öffnet sich die<br />

Kirche langsam, überdenkt ihre Beziehung zur zeitgenössischen<br />

Kunst und tritt wieder stärker und in neuer Form als<br />

Sammler auf. Die Kirche galt und gilt als größter Kunstsammler<br />

der Welt. Das bestätigt auch der Abt des Stiftes Heiligenkreuz<br />

in Niederösterreich, Gregor Henckel-Donnersmarck, der<br />

viele Jahre „gerne“ (wie er betont) in Deutschland Manager in<br />

der Speditionsbranche war. Die Zisterzienserabtei ist ebenfalls<br />

ein Ort der Kultur, die sich über 900 Jahre erstreckt. Und der<br />

Abt macht sich vor allem aus seinen wirtschaftlichen Wurzeln<br />

heraus Gedanken über die Bedeutung der Kunst für die Kirche.<br />

Er verstehe, dass die Kunst immer öfter nach wirtschaftlichen<br />

Aspekten bewertet und ge- bzw. behandelt wird. k.i<br />

Kunst.Investor I Ausgabe 1 I Frühjahr <strong>2008</strong>

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!