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SVR Gutachten 2018 Sektorenübergreifende Versorgung der Notfallversorgung

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15.2.5.1 Passivität versus Bewegung<br />

1060. Die in <strong>der</strong> NVL genannten Empfehlungen spiegeln die Heterogenität und die Uneindeutigkeit<br />

<strong>der</strong> Evidenz zu den verschiedenen konservativen Therapieansätzen wi<strong>der</strong>. Einigkeit<br />

herrscht in <strong>der</strong> Literatur vor allem darüber, dass Bettruhe nicht empfohlen werden kann<br />

Bredow et al. 2016. Analog dazu wird Bewegung grundsätzlich empfohlen – auch wenn die<br />

Evidenz zu Bewegung und Bewegungstherapien ebenfalls nicht von beson<strong>der</strong>s guter Qualität ist.<br />

So kann auch keine gesicherte Aussage dazu gemacht werden, welche Form <strong>der</strong> Bewegung am<br />

besten geeignet ist u. a. van Middelkoop et al. 2010. Ein kürzlich publizierter Cochrane Review<br />

berichtet von einigen Studienergebnissen, in denen körperliche Aktivität und Übungen zu einer<br />

Verringerung <strong>der</strong> Schmerzintensität und einer Verbesserung <strong>der</strong> Funktionalität führten<br />

Geneen et al. 2017. Allerdings waren die positiven Effekte nur gering bis mo<strong>der</strong>at und zudem<br />

nicht konsistent über alle Studien gegeben. Auch die Effekte auf Psyche und Lebensqualität<br />

waren unterschiedlich. Als methodische Probleme wurden die geringen Fallzahlen <strong>der</strong> Studien<br />

sowie die überwiegend zu kurze Studiendauer genannt Geneen et al. 2017.<br />

1061. Eine aktuelle amerikanische Leitlinie bewertet auch die Evidenz zu verschiedenen körperlichen<br />

Übungen wie Pilates, Tai‐Chi und Yoga Qaseem et al. 2017. Überwiegend wird die<br />

Evidenz als low‐quality evidence eingeordnet, zumeist zeigte sich darin aber eine leichte Verbesserung<br />

von Schmerz und Funktion bei chronischen Rückenschmerzen – ob eine Überlegenheit<br />

gegenüber an<strong>der</strong>en Therapieformen vorlag, variierte in Abhängigkeit von <strong>der</strong> gewählten<br />

Kontrollgruppe. Auch ein Cochrane Review zur Wirksamkeit von Pilates bei Rückenschmerzen<br />

weist darauf hin, dass die vorliegende Evidenz zwar positive Effekte von Pilates nahelegt, doch<br />

ob Pilates hilfreicher als an<strong>der</strong>e Formen <strong>der</strong> Bewegung ist, kann nicht beantwortet werden<br />

Yamato et al. 2015.<br />

1062. Auch wenn keine eindeutige Evidenz für eine spezielle Bewegungsform vorliegt, so<br />

sollten Passivität und ein Rückzugs‐ und Vermeidungsverhalten bei Rückenschmerzen in jedem<br />

Fall verhin<strong>der</strong>t werden. Der Verzicht auf Bewegung för<strong>der</strong>t letztlich die Atrophie <strong>der</strong> Muskeln,<br />

wodurch es zu Instabilität und damit zu potenziellen neuen Schmerzursachen kommt, die ein<br />

Schmerzvermeidungsverhalten weiter begünstigen Greitemann et al. 2012. Bei einer Befragung<br />

zur Qualität <strong>der</strong> ambulanten <strong>Versorgung</strong> von Rückenschmerzpatienten gaben 17 % <strong>der</strong><br />

Patienten mit Rückenschmerzen an, auch Selbstzahlerleistungen wie Massage o<strong>der</strong> Osteopathie<br />

in Anspruch zu nehmen – Frauen häufiger als Männer Chenot et al. 2009. Auch hier überwiegt<br />

<strong>der</strong> Wunsch nach passiven Angeboten, Massage wird am häufigsten in Anspruch genommen.<br />

1063. Wesentliche Barrieren für die Anwendung aktiver Maßnahmen wie Bewegung und<br />

Physiotherapie sind die Einstellung <strong>der</strong> Patienten selbst, die Angst vor Schmerzen durch Bewegung<br />

und <strong>der</strong> daraus resultierende Wunsch nach passiver Therapie – sei es in Form von Massage<br />

o<strong>der</strong> Medikamenteneinnahme Slade et al. 2014; Woolf et al. 2008. Diese Verhaltensmuster<br />

können durch mediale Instrumente verän<strong>der</strong>t werden. In einer australischen Kampagne mit<br />

dem Titel „Back Pain – Don’t take it lying down“ wurden von 1997 bis 1999 im Bundesstaat<br />

Victoria Fernsehspots gezeigt, <strong>der</strong>en wesentliche Botschaft darin bestand, dass man Rückenschmerzen<br />

nicht hilflos ausgeliefert und auf ärztliche Behandlung o<strong>der</strong> gar eine Operation angewiesen<br />

ist, son<strong>der</strong>n dass Bewegung und Aktivität helfen. Die Kampagne wurde mit einer Evaluation<br />

begleitet und zeigte signifikante Effekte bezüglich <strong>der</strong> Einstellung zu Rückenschmerzen<br />

– nicht nur bei <strong>der</strong> allgemeinen Bevölkerung, son<strong>der</strong>n auch unter Ärzten Buchbin<strong>der</strong> et al.<br />

2001. Sogar drei Jahre nach Beendigung <strong>der</strong> Kampagne waren signifikante Effekte nachweisbar

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