Alnatura Magazin September 2018
Warenkunde: Italienische Käsespezialitäten // Pecorino von Busti und weitere Hersteller-Reportagen aus Italien // Reept: Gnocchi mit Parmigiano und Pecorino
Warenkunde: Italienische Käsespezialitäten // Pecorino von Busti und weitere Hersteller-Reportagen aus Italien // Reept: Gnocchi mit Parmigiano und Pecorino
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HERSTELLER-REPORTAGE<br />
»Gorgonzola – das ist Poesie.«<br />
Der italienische Familienbetrieb Arrigoni<br />
produziert Käse der Spitzenklasse.<br />
Themenwochen<br />
Italien<br />
10<br />
Uhr morgens im neuen<br />
<strong>Alnatura</strong> Super Natur Markt<br />
in Potsdam: Am Käsestand<br />
greift eine ältere Dame im Vorbeigehen<br />
nach einem Häppchenspieß. »Schmeckt<br />
der gut«, ist Herta Waise überrascht und<br />
schaut den jungen Mann hinter dem Tresen<br />
an. »Der schmilzt ja auf der Zunge!«,<br />
schwärmt die Potsdamerin. Sie kauft zum<br />
ersten Mal bei <strong>Alnatura</strong> ein. »Das ist Taleggio«,<br />
erklärt Marco Colonna. Der italienische<br />
Exportmanager ist angereist, um<br />
<strong>Alnatura</strong> Kunden den Taleggio und den<br />
Gorgon zola dolce der norditalienischen<br />
Käserei Arrigoni Battista vorzustellen,<br />
einem traditionsreichen Familienbetrieb<br />
in der Nähe von Bergamo.<br />
Lächelnd reicht er einen zweiten, hellgelben<br />
Würfel mit feinem orangeroten<br />
Rand über die Theke. »Die rote Kruste<br />
können Sie ruhig essen, schmeckt würzig,<br />
no Chemie«, erklärt er in leicht holprigem<br />
Deutsch. Damit der Käse die typische<br />
Rotschmiere entwickelt, wird in der Käserei<br />
in Pagazzano, einem ruhigen Ort in<br />
der Po-Ebene, jede Käseform bei der fünfwöchigen<br />
Reifung alle sieben Tage mit<br />
einer Lauge per Hand gewaschen und in<br />
Leinentüchern auf Holzregale gelegt.<br />
Zögernd greift sie zu, kaut bedächtig.<br />
»Schmeckt angenehm würzig, nach Mineralien«,<br />
findet sie.<br />
»Sie bekommen hier einen der besten<br />
Taleggio Italiens!«, verweist Marco Colonna<br />
auf die Auszeichnungen: Erste Preise für<br />
den Taleggio beim World-Cheese-Contest<br />
in den USA und Concorso Formaggio<br />
Bio in Italien. Der Gorgonzola dolce Bio<br />
von Arrigoni gewinnt 2017 die Super-<br />
Gold me daille der World-Cheese-Awards in<br />
Birming ham. Mit italienischem Charme<br />
bietet er Herta Waise ein Stückchen des<br />
milden, hellgelben, cremigen Käses an,<br />
der von feinen graugrünen Adern des<br />
Roquefort-Schimmels durchzogen ist.<br />
Er gibt ihm eine leicht pikante Note.<br />
Das Erfolgsgeheimnis von Arrigoni?<br />
»Unsere Milchproduzenten kennen wir seit<br />
Generationen, sie wissen, welchen Fettund<br />
Proteinanteil die Milch enthalten<br />
sollte«, sagt Geschäftsführer Marco Arrigoni.<br />
Mit ihm hat die vierte Generation<br />
das Zepter übernommen. Sein Cousin<br />
Alberto beispielsweise kümmert sich um<br />
Produktentwicklung. »Der handwerkliche<br />
Anteil ist bei uns sehr groß. Wir nehmen<br />
die Milch nicht auseinander und setzen<br />
sie dann wunschgemäß zusammen. Wir<br />
mischen die Lieferungen aus den<br />
einzelnen Höfen so, dass es passt«, fügt<br />
Alberto hinzu.<br />
Dazu braucht es erfahrene Käsemacher.<br />
Der eher stille, in sich ruhende Maurizio<br />
Scarabelli hat mit 17 Jahren bei Arrigoni<br />
gelernt und ist nun schon 37 Jahre dabei.<br />
Er kümmert sich um den Taleggio. Ihm zur<br />
Seite steht der 48-jährige Miguel Pavesi,<br />
ein quirliger Typ. Er kann nicht aufhören,<br />
vom Gorgonzola zu schwärmen. »Gorgonzola,<br />
das ist Poesie.« Schon sein Vater hat<br />
in einer Käserei gearbeitet und abends unterhält<br />
er sich oft mit Rentner Alessandro<br />
Monarat, einem anerkannten Fachmann<br />
in der Branche, über den Gorgonzola.<br />
»Jedes noch so kleine Detail ist wichtig«,<br />
unterstreicht Miguel. Gorgonzola zu<br />
produzieren sei etwas Besonderes. »Es<br />
gibt nichts Vergleichbares.« Sein Kollege<br />
Maurizio nickt zustimmend.<br />
Es begann mit einer Hochzeit<br />
Die Familie Arrigoni stammt wie der Käse<br />
aus dem Taleggio-Tal in der Provinz Bergamo.<br />
Der Urgroßvater von Marco, Battista<br />
Arrigoni, packte als 15-Jähriger 1890 seinen<br />
Ranzen und verließ das Tal, um nach<br />
Texas auszuwandern. Aus Italien erreichte<br />
ihn 1914 der Einberufungsbefehl. In die<br />
Heimat zurückgekehrt, verliebte er sich in<br />
Rosa, ein Mädchen aus Pagazzano, heiratete<br />
sie und ließ sich dort nieder. Er gründete<br />
den Landwirtschaftsbetrieb Arrigoni<br />
Battista und begann, Taleggio herzustellen.<br />
Seine Enkel Gian Battista (68) und<br />
Lucio (71) arbeiten noch heute in der Firma.<br />
»Er nahm uns auf seinem Fahrrad mit<br />
über die Felder«, erzählt Lucio. »Vorher<br />
flocht er uns einen Kranz aus Weidenzweigen<br />
als Sonnenschutz«, fügt Gian<br />
Battista hinzu. »Die Liebe zur Natur und<br />
zu Tieren hat er uns vorgelebt.«<br />
Der Taleggio wurde in den 60er- und<br />
70er-Jahren immer beliebter. Einige Produzenten<br />
fingen an, Milch im Ausland zu<br />
kaufen, Produktionszeiten zu verkürzen.<br />
Gian Battista, Marcos Vater, gefiel das<br />
nicht. Er suchte Partner und gründete 1979<br />
das Konsortium zum Schutz des Taleggio,<br />
mit Richtlinien, die auf alter Rezeptur<br />
basieren. Taleggio und Gorgonzola tragen<br />
heute das wertvolle Gütezeichen<br />
DOP (auf Deutsch: geschützte Ursprungsbezeichnung).<br />
Mittagszeit in Potsdam: Der <strong>Alnatura</strong><br />
Markt füllt sich mit jungen Leuten. Einige<br />
kennen den Gorgonzola dolce schon und<br />
kosten begeistert. Marco Colonna reicht<br />
das Käsetablett herum. »Mit Birnen<br />
schmeckt er super, und auf Polenta aus<br />
dem Ofen – ein Gedicht!«<br />
››› Katrin Kasch<br />
Marco Arrigoni führt in vierter<br />
Generation das Unternehmen.<br />
24 <strong>Alnatura</strong> <strong>Magazin</strong> <strong>September</strong> <strong>2018</strong>