12.10.2018 Aufrufe

Berliner Zeitung 11.10.2018

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

22 <strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 237 · D onnerstag, 11. Oktober 2018<br />

·························································································································································································································································································<br />

Feuilleton<br />

Frankfurter Buchmesse<br />

Übersetzungen holen die Welt in die deutsche Sprache: Ein Roman aus Frankreich,<br />

Essays aus den USA und Erzählungen von den Färöer-Inseln.<br />

DenMenschen<br />

im Mörder<br />

finden<br />

„Der Widersacher“<br />

von Emmanuel Carrère<br />

VonJörg Aufenanger<br />

Neu ist das neue Buch vonEmmanuel<br />

Carrère nicht, der „Widersacher“<br />

ist schon 1999 in Paris erschienen.<br />

Doch der Verlag Matthes &<br />

Seitz scheint nach dem Erfolg mit mit<br />

dem fulminanten Roman „Das Reich<br />

Gottes“ vorzuhaben, alle Werke des<br />

Autors herauszugeben. In „Der Widersacher“<br />

berichtet er im ersten Kapitel<br />

knapp und sprachlich brillant<br />

von einem Familienmassaker, das<br />

sich 1993 im französischen Jura ereignet<br />

hat und das Freunde und Nachbarn<br />

entsetzt und ratlos macht. Hat<br />

man diese sechzehn Seiten gelesen,<br />

muss man erst einmal kräftig durchatmen,<br />

so ergreifend ist das erzählt.<br />

Doch Carrère wäre nicht Carrère,<br />

wenn er sich danach nicht selbst ins<br />

Spiel brächte,uns zwingt, vonseinen<br />

Kopfschmerzen, den Alkoholproblemen,<br />

der Schlaflosigkeit zu lesen<br />

und von seiner Berufung als Schriftsteller.Als<br />

solcher nimmt er sich des<br />

Falls des Jean Claude Romand an,<br />

der Frau, Kinder und die Eltern erschossen,<br />

sein Haus in Brand gesteckt<br />

hat, aus dem er aber gerettet<br />

wurde.Carrèrebesucht ihn im Knast<br />

und verfolgt den Prozess. Erwill die<br />

unbegreifliche Tat begreifen, im<br />

Mörder auch den Menschen finden.<br />

Die Fragen bleiben<br />

Romand hat ein erlogenes Leben geführt.<br />

Und wer einmal einmal lügt,<br />

der lügt immer öfter und verfängt<br />

sich bald im Labyrinth der Lüge,findetweder<br />

hinaus noch zurück. Er bezeichnet<br />

sich als Arzt, arbeitet angeblich<br />

in bedeutender Position bei der<br />

Weltgesundheitsorganisation im nahen<br />

Genf, fährtjeden Morgen zur Arbeit,<br />

vertreibt sich den Tagund kehrt<br />

abends zur Familie zurück, führt sie<br />

und die Freunde über Jahre hinters<br />

Licht. Um seinen Lebensunterhalt zu<br />

bestreiten, legt er vorgeblich Geld von<br />

Familienmitgliedern und Freunden<br />

an, verspricht aufgrund seiner Beziehungen<br />

in Genf hohe Rendite. Er<br />

führtein Leben in Luxus,wenn er„geschäftlich“<br />

in Parisist, leistet sich eine<br />

Geliebte, deren Geld er auch verwahrt.<br />

Als diese das zurück fordert,<br />

beginnt die Katastrophe. Welchen<br />

Ausweg gibt es noch? Dendes Todes,<br />

des eigenen oder den der anderen?<br />

Als CarrèreRomand im Gefängnis<br />

besucht, erklärtder,erfühle sich nun<br />

befreit, könne endlich die Wahrheit<br />

seines Lebens erzählen: Vonden Demütigungen,<br />

die er als Kind erlitten<br />

habe, von den Erwartungen der Eltern,<br />

dass er was Bedeutendes<br />

werde. Um das zum Schein zu erfüllen,<br />

habe er zu lügen begonnen. Im<br />

Prozess beantwortet er bereitwillig<br />

alle Fragen der Richterin, bisweilen<br />

auch unter Tränen, denn er sei schon<br />

immer äußerst sensibel gewesen.<br />

Dennoch konnte er die Tatbegehen.<br />

Wären aber die Familie und die<br />

Freunde aufmerksamer gewesen,<br />

hätten sie das Lügengespinst durchschaut,<br />

das Unglück verhindernKönnen?Wieso<br />

haben sie nichts gemerkt?<br />

Sind sie nicht mitschuldig, fragt sich<br />

nicht nur Carrère. Entscheidend ist<br />

für ihn: Gibt es einen Widersacher in<br />

Romand, der an seiner Stelle gehandelt<br />

hat? Viele Fragen bleiben offen.<br />

Autor und Leser sind am Ende des Romans<br />

dem Unbegreiflichen nur ein<br />

wenig näher gekommen.<br />

Emmanuel Carrère: Der Widersacher. Roman.<br />

Ausdem Französischen vonClaudia Hamm.<br />

Matthes &Seitz, Berlin 2018. 195 S.,22Euro<br />

Der Mensch dem Menschen ein Helfer<br />

VonArnoWidmann<br />

AmFreitag, den 12. September<br />

2008 erhängte sich David<br />

Foster Wallace in der<br />

Scheune seines Hauses.<br />

Am Sonnabend fand ihn seine Ehefrau,<br />

die Malerin Karen L.Green. Im<br />

Februar war er 46 Jahrealt geworden<br />

und hatte nach eigenen –von Freunden<br />

und Verwandten nicht bestätigten<br />

–Angaben von seinem neunten<br />

oder zehnten Lebensjahr an mit Depressionen<br />

zu kämpfen. Dazu kamen<br />

Alkohol und Drogen, eine geniale<br />

Intelligenz. Er musste scheitern.<br />

Aber, was heißt scheitern? Es<br />

war ein Sieg. Nach ich weiß nicht wie<br />

vielen Selbstmordversuchen hatte es<br />

endlich geklappt. David Foster Wallace<br />

hat eines der wichtigsten literarischen<br />

Werke der vergangenen einhundert<br />

Jahre vorgelegt, gegen und<br />

mit den Höllengeistern, die ihn plagten,<br />

die ihn ja nicht nur depressiv,<br />

sondernauch aggressiv machten, ihn<br />

mit paranoischen Ängsten verfolgten<br />

und dazu führten, dass er andere –<br />

meist Frauen –schlug und verfolgte.<br />

Die Heilmittel waren Elektrokrampftherapie,Lithium,<br />

Xanax, Valium,<br />

Prozac, Zoloft und am Ende<br />

Phenelzine. Heilmittel, an denen er<br />

ebenfalls starb.<br />

Es ist nicht zu fassen, wie ein<br />

vontausend Teufeln gejagter Mann<br />

es schafft, nicht nur den –inder<br />

deutschen Fassung – 1400 Seiten<br />

umfassenden Roman „Unendlicher<br />

Spaß“ zu Ende zu bringen und zu<br />

veröffentlichen, sondern auch ein<br />

umfangreiches Oeuvre, dessen essayistischer<br />

Teil jetzt in einem<br />

Band von mehr als eintausend Seiten<br />

unter dem Titel „Der Spaß an<br />

der Sache“ vorliegt.<br />

Ein empfindsamer Riese.Beginnen<br />

Sie Ihre Reise durch den essayistischen<br />

Kosmos des David Foster<br />

Wallace mit der Rede, die er 2005<br />

vor der Abschlussklasse des Kenyon<br />

College in Ohio hielt. Sieträgt<br />

den Titel „Das hier ist Wasser“. Er<br />

erzählt darin, wie schwierig es für<br />

Fische ist, zu erkennen, dass sie im<br />

Wasser leben. Es ist so verdammt<br />

schwer, zu erkennen, worum es<br />

wirklich geht. In einer konkreten<br />

Situation und im Leben.<br />

Stürmen abgerungen<br />

Wereseilig hat, dem sind alle anderen<br />

imWeg. Er stellt sich nicht vor,<br />

dass er einem anderen, der es aus einem<br />

sehr guten Grund noch eiliger<br />

hat als er,imWeg steht. Wirerkennen<br />

unsere Lage nicht, weil wir uns nicht<br />

um die der anderen kümmern. „Das<br />

hier ist Wasser“ ist eine Einladung zur<br />

Empathie. Wir lesen solche Texte<br />

gerne als Meinungsäußerung. Als<br />

moralische Belehrung gar.Wir sehen<br />

den erhobenen Zeigefinger auch da,<br />

wo es –eigentlich nicht zu übersehen<br />

–umetwas ganz anderes geht.<br />

Wallaces Text, der so tut, als sage<br />

ein älterer Mitbürger den jungen Leuten<br />

mal, worum es geht, ist in Wirklichkeit<br />

der Hilferuf eines Menschen,<br />

der sehr genau weiß, dass wir alle zugrunde<br />

gehen werden, wenn jeder<br />

von uns sich nur um sich kümmert.<br />

Er weiß das,weil er es vonsich weiß.<br />

Wallace war darauf angewiesen,<br />

sich nur um sich zu kümmern, nicht<br />

nur,weil erTagund Nacht darauf achten<br />

musste,das richtige,korrekt flektierte<br />

Adjektiv zum richtigen, korrekt<br />

flektierten Substantiv zu stellen, er<br />

musste auch Scherz, Satire und tiefere<br />

Bedeutung so mischen, dass das<br />

eine das andereerhellte und unter die<br />

Haut mussten die Texte gehen, sie<br />

mussten aufwühlen, die Empfindungen<br />

der Leser umpflügen, damit das<br />

Unterste nach oben kam und sichtbar<br />

Das essayistische Gesamtwerk von David Foster Wallace: „Der Spaß an der Sache“<br />

David Foster Wallace (1962−2008)<br />

ALLE ESSAYS<br />

BILDARCHIV MORGENPOST VERLAG<br />

David Foster Wallace: Der Spaß an der Sache. Alle Essays<br />

Herausgeber Ulrich Blumenbach, deutsch vonUlrich Blumenbach und Marcus Ingendaay,<br />

Kiepenheuer &Witsch, Köln 2018, 1088 Seiten, 36 Euro<br />

wurde.Das alles aber musste ihm gelingen<br />

–sie nutzend –gegen seine<br />

Krankheiten und Süchte.Die Zeit, die<br />

er in Kliniken verbrachte,musste wiedergewonnen<br />

werden fürs Schreiben,<br />

fürs Leben.<br />

Er musste also fortwährend sich<br />

beobachten, durfte sich nie aus den<br />

Augen verlieren. Aber genau dabei<br />

entdeckte er wohl, wie sehr er darauf<br />

angewiesen war, von anderen erkannt<br />

zu werden. Dass ernicht nur<br />

süchtig nach der Einsamkeit war,<br />

sondern auch nach einem Gegenüber,das<br />

ihm dabei half, sich für eine<br />

Zeit zu vergessen. „Das hier ist Wasser“<br />

gibt sich ganz unaufgeregt, einfach<br />

nur vernünftig und klug. In<br />

Wahrheit ist gerade diese Ruhe gefährlichsten<br />

Stürmen abgerungen.<br />

Hätte er geschrien, wonach ihm oft<br />

war und was er oft tat, er hätte die jungen<br />

Leute und die Leser erschreckt.<br />

Sie wären weggelaufen. Wichtiger<br />

aber war, dass erdie Ruhe brauchte,<br />

um sich selbst zu erreichen.<br />

Seine Essays sind wie seine Romane<br />

und Erzählungen, ohne seinen<br />

Wahn, ohne seine Verzweiflung am<br />

Leben nicht zu verstehen, aber sie<br />

sind keine Dokumente des Wahns<br />

und der Verzweiflung. Sie sind Reflexionen<br />

über den ihn die TiefeziehendenWassern.<br />

Man lese „Borges auf der Couch“<br />

und seine Kritik, den Erzählungen<br />

und Gedichten des argentinischen<br />

Autors mittels seiner auf die Liebesgeschichte<br />

geschrumpften Lebensgeschichte<br />

auf die Spur zu kommen.<br />

„Was die Biografie angeht, haben wir<br />

es mit der seltsamen Situation zu tun,<br />

dass Borges’ individuelle Persönlichkeit<br />

und Lebensumstände nur insofern<br />

eine Rolle spielen, als sie ihn<br />

dazu brachten, Kunstwerke zu erschaffen,<br />

in denen solche persönlichen<br />

Fakten als irreal gelten.“<br />

Eine Minute ist kurz<br />

Wen meine bisherigen Bemerkungen<br />

eher abschrecken von der Lektüre<br />

dieser Essays, der sei auf die<br />

mehr als einhundert Seiten verwiesen,<br />

die der ehemalige Tennisspieler<br />

David Foster Wallace in mehreren<br />

Artikeln diesem Sport widmet. Natürlich<br />

darf man diesen Band nicht<br />

aus der Hand legen, ohne „E Unibus<br />

Pluram: Fernsehen und Literatur in<br />

den USA“ gelesen zu haben und<br />

seine bittere Traumschiff-Reportage<br />

„Schrecklich amüsant –aber in<br />

Zukunft ohne mich“.<br />

Aber ich möchte den wenigen<br />

Platz nutzen, um auf einen mir bisher<br />

unbekanntenText vonWallace hinzuweisen:<br />

„Die besten Prosagedichte“.<br />

Wallace probierte auf den elf Seiten<br />

mal eine ganz andere Art von Rezension.<br />

Er spricht vorallem vonZahlen:<br />

das Gewicht des Bandes, die Seitenzahl,<br />

die Gesamtzahl der Wörter und<br />

so weiter. Die Gesamtzahl der Prosagedichte,die<br />

vonden 204 Anthologietexten<br />

gut/lebendig/eindringlich/interessant<br />

genug sind, um im Geist des<br />

Lesers noch 60 Sekunden nach der<br />

Lektüre Bestand zu haben, liegt bei<br />

31. Eine Minute ist verdammt kurz.<br />

Wallace hat seine Ansprüche sehr<br />

niedrig geschraubt.<br />

Das Zählen ist eine so objektive<br />

Sache, dass auch die subjektivsten<br />

Eindrücke schön durchgezählt fast<br />

eine objektive Lage ergeben. Auch<br />

das ist ein Teil des Spaßes,den David<br />

FosterWallace seinem Leben und seiner<br />

Kunst abgewann. Es gibt Verfahren,<br />

mit denen gewissermaßen empathiefrei<br />

sich Mitmenschlichkeit sicher<br />

nicht herstellen, aber doch darstellen<br />

lässt.<br />

Wo ist der Hafen?<br />

Das ist eines Geheimnisse jeder<br />

Kunst. Die Hellhörigkeit, mit der<br />

der Schöpfer auf jede Äußerung<br />

oder auch Nicht-Äußerung seiner<br />

Geschöpfe achtet, die Empfindlichkeit,<br />

mit der er sie wahrnimmt<br />

und registriert, verleitet den Rezipienten<br />

seiner Kunst dazu, sie für<br />

Eigenschaften des Menschen und<br />

nicht für eine künstlerische Technik<br />

zu halten. Ein Irrtum, dem der<br />

von Wallace kritisierte Borges-Biograph<br />

erlag, ein Irrtum, dem Leser<br />

bei den vonihnen verehrten Autoren<br />

nur gar zu gerne erliegen.<br />

Einer der Irrtümer freilich auch,<br />

gegen die David Foster Wallace uns<br />

in seinen Essays immer wieder rüstete.<br />

Das Schöne und Große<br />

kommt nicht vom Schönen und<br />

Großen. Eswird von Menschen gemacht,<br />

vonzerbrechlichen, zerbrechenden,<br />

ja von zerbrochenen Geschöpfen<br />

sogar.Esgibt keinen Ausweg,<br />

keinen sicheren Hafen. Es gibt<br />

nur die Anstrengung, die Wunden<br />

offen zu halten, sie zu zeigen, um<br />

den Anderen, noch nicht Zerbrochenen,<br />

eine Hilfe zu sein.<br />

Arno Widmann<br />

ist süchtig nach Zucker<br />

und neuen Gedanken.<br />

Das schönste<br />

Welttheater<br />

im Norden<br />

„Hier wird getanzt!“<br />

William Heinesen erzählt<br />

VonMathias Schnitzler<br />

Der absolute Mittelpunkt derWelt,<br />

da können die Skeptiker noch so<br />

müde lächeln, heißt Tórshavn. William<br />

Heinesen hat das behauptet,<br />

und obwohl Sie möglicherweise weder<br />

vonHeinesen noch vonTórshavn<br />

jemals gehört haben –der Mann hat<br />

recht. Liest man seine geheimnisvoll<br />

funkelnden, im leichten Tonmit abgründiger<br />

Tiefe erzählten Geschichten<br />

in „Hier wird getanzt!“, kann es<br />

gar nicht anders sein: Auf Heinesens<br />

skurrilen Schafsinseln im Nordatlantik,<br />

den Färöer, verdichtet sich der<br />

Kosmos aufs Allerkleinste, lässt die<br />

Menschen, sturmumtost und schicksalsschwer,singend<br />

und tanzend, das<br />

schönsteWelttheater spielen.<br />

Zwischen Alltag, Abgrund und Erhabenheit<br />

sind Heinesens Helden<br />

unterwegs, in meerumschlungener<br />

Natur aus Bergen,Tälern, Graslandschaften<br />

und Steilküsten sowie in<br />

der Hauptstadt Tórshavn. Wirtreffen<br />

sie bei der Arbeit, heillos verliebt<br />

oder nach Sinn suchend, einsame<br />

Vögel und soziale Naturen. Versponnen,<br />

verloren, in engsten Verhältnissen<br />

lebend oder mit Visionen. Bärtige<br />

Seemänner, kuriose Kaufleute<br />

und Romantiker mit windigen Plänen.<br />

Einige machen sogar noch als<br />

Tote dieInseln unsicher.Ihr Verhältnis<br />

zur Wirklichkeit, das haben alle<br />

Figuren gemein und lässt die Geschichten<br />

so wundersam leuchten,<br />

ist herzzerreißend.<br />

Weltliteratur auf Dänisch<br />

„Weiter wanderte er, in entzückte<br />

Gedanken vertieft. Halb im Schlummer<br />

vernimmst du seine Schritte,<br />

glip glap,glip glap,inder hellwachen<br />

Stille zwischen den magisch beleuchteten<br />

Hausgiebeln. Wohin wanderter<br />

in dieser verzauberten Nacht? Nach<br />

Norden, nach Norden, über dunkle<br />

Heiden, unter dem aufglänzenden<br />

Dach des Morgenhimmels.“<br />

Lange Zeit haben die Färinger ihr<br />

größtes Genie ignoriert oder abgelehnt.<br />

Auch heute noch ist der<br />

Schriftsteller und bildende Künstler<br />

Heinesen (1900–1991) in seiner Heimatnicht<br />

überall so geachtet wie auf<br />

dem skandinavischen Festland oder<br />

in Mitteleuropa. Weil er mit Kritik an<br />

der patriotischen färöischen Gesellschaft<br />

nicht gespart hat; weil seine<br />

Bücher die Leser vor Herausforderungen<br />

stellen; vor allem aber, weil<br />

Heinesen sämtliche Lyrik, Erzählungen<br />

und die unbedingt lesenswerten<br />

Romane aufDänisch schrieb.<br />

Dänisch jedoch ist die Sprache<br />

der Kolonisatoren. Die Färinger, deren<br />

Muttersprache bis 1938 als<br />

Schulfach verboten war und die erst<br />

1948 den Status einer autonomen<br />

Selbstverwaltung innerhalb Dänemarks<br />

erhielten, betrachten sich als<br />

eigenes Volk. HeinesensVater war färöisch,<br />

seine Mutter Dänin.<br />

Heinesen hat Weltliteratur geschrieben,<br />

auf Dänisch, in Perspektive,<br />

Stimmung und kulturellem Hintergrundaber<br />

färöisch. Er nimmt Bezug<br />

auf alte Sagen und Balladen,<br />

überführtdas Archaische mit Humor<br />

und Herz in die Moderne. Viele färöische<br />

Begriffe und Redewendungen<br />

dienen dabei als „Strömungsbrecher“.<br />

Dasweiß Inga Meincke,der mit<br />

ihrer vielstimmigen Übersetzung ein<br />

kleines Wunder gelungen ist.<br />

William Heinesen:Hier wirdgetanzt! Erzählungen.<br />

Ausdem Dänischen vonIngaMeincke.<br />

Guggolz,Berlin 2018. 352S., 24 Euro.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!