Berliner Zeitung 11.10.2018

Berliner Zeitung · N ummer 237 · D onnerstag, 11. Oktober 2018 3
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Kulturkalender
Was ist der französische
Film? Wahrscheinlich
auch nur eine Fantasie.
Als eskapistisches
Auslaufmodell spukt er weiterhin
durch die Cineastenköpfe,das Hirngespinst
reifer Erwachsenenunterhaltung
ist einfach nicht totzukriegen.
Ein Mann sieht rosa
Milder Blick auf Männerfantasien:
Daniel Auteuils Theaterverfilmung „Verliebt in meine Frau“
Die Madame- und Monsieur-
filme, mit denen uns der deutsche
Verleih so überreich beschenkt, zehren
VonPhilipp Bühler
noch vom einstigen Nimbus.
Doch der alte Schwung ist hin, die
Realität sieht anders aus.Die Illusion
vom großen französischen Film, zumal
vom Liebesfilm, ist brutal in die
Jahre gekommen. Aber manchmal
blitzt sie noch auf, wie jetzt im neuen
Film vonDaniel Auteuil, der in „Verliebt
in meine Frau“ mit seinen Fantasien
ringt –nicht nur als Schauspieler,
sondern auch als Regisseur.
Wasbleibt ihm anderes übrig?
Solange sich in Paris Gérard Depardieu
und sein alter Freund Daniel
Auteuil wie zufällig über den Weg
laufen, scheint doch alles irgendwie
in Ordnung. Patrick und Daniel, wie
sie hier heißen, würden sich gerne
verabreden, zum Abendessen mit
den Frauen, wie in alten Zeiten.
Doch es gibt ein Problem: Patricks
Frau ist nicht mehr dieselbe. Ihre
Vorgängerin ist aber immer noch die
beste Freundin von Isabelle (Sandrine
Kiberlain), Daniels Frau, die Patrick
dafür hasst –genauso wie dessen
ihr unbekannte, noch dazu sehr
viel jüngere Geliebte. Der eigene
Gatte hat diese Vorbehalte nicht nur
zu verstehen, sondern selbstverständlich
zu teilen. Durch höhere
Drehbuchkünste kommt das fatale
Dinner doch zustande. Fatal, nicht
weil Isabelle sich nicht im Zaum halten
könnte. Die bürgerliche Etikette
hat im französischen Film zu halten.
Nein, es ist Daniel, der sich kaum zusammenreißen
kann. Die neue Frau
des lieben Freundes findet er einfach
rattenscharf.
„Hinter der Fassade“ heißt das
Theaterstück, das Auteuil hier verfilmt.
Er stand damit selbst bereits
auf der Bühne,der Autor Florian Zeller
schrieb nun auch das Drehbuch.
DerFilm hat den Vorteil, Daniels jäh
aufkeimende Fantasien ins Bild setzen
zukönnen. Hinter der Fassade
geht es hoch her: Ineinem Kopf ist
Daniel der glänzende Verführer, die
aparte Emma (Adriana Ugarte) verfällt
ihm mit Haut und Haar. Der
brave Patrick ist schnell ausgestochen.
Natürlich merkt er nichts, der
Trottel. Dafür ist Daniel, der Teufelskerl,
viel zu schlau! Dass der wahre Werdenkt da nicht an „Das obskure Objekt der Begierde“? Adriana Ugarte als Emma und Daniel Auteuil als Daniel. DPA
Daniel sich hier gerade vorallen zum
Affen macht, merkt tatsächlich nur
seine Frau. Der Regisseur Auteuil ist
dezent genug, die offenkundige
„Fleischbeschau“ –Isabelles Worte–
im Rahmen zu halten. Als versöhnlicher
Kommentar zur Geschlechterdebatte
ist sein Film allemal vergnüglich.
DieFantasien älterer Männer
werden in ihrer Erbärmlichkeit,
aber eben auch Verzeihlichkeit offengelegt.
Wie harmlos das alles ist,
verrät vorsorglich der neue Titel.
Es reicht aber nicht zum großen
Wurf. So sehr Sandrine Kiberlain
auch heraussticht in diesem Käfig
voller Narren, bleiben die Frauenrollen
doch unterbelichtet. Dieanfangs
spritzige Mischung von Fantasieund
Realszenen läuft sich irgendwann
tot. Und soblickt man wehmütig
zurück auf eine Tradition, in
der das alles mal anders war. Auch
die Filme etwa von Claude Sautet,
selbst die mit Romy Schneider, waren
nicht ohne Komik. Dafür sorgte
schon Yves Montand. Von Luis
Buñuel –wer denkt bei der Spanierin
Ugarte nicht an „Das obskureObjekt
der Begierde“? –ganz zu schweigen.
Wenn Männer und Frauen in der
Mitte ihres Lebens ihre Lebensmuster
hinterfragen, das uralte Thema,
geht das nicht ohne Blessuren ab.
Aber die Melancholie des einen oder
den anarchischen Witz des anderen
sucht man hier vergeblich. Es bleibt
bei doch eher plattem Humor.
Daniel Auteuil, der große Darsteller
kleiner Männer, wird das selber
wissen. Und eswird ihm egal sein.
Als Schauspieler wirkte er unter Sautet
und Haneke, als Regisseur backt
er kleinere Brötchen und hat Spaß
daran. EinStück Boulevard, amüsant
und ein bisschen degoutant –
warum nicht? Und Gérard Depardieu?
Das skandalumwitterte
Schlachtross des französischen
Films, momentan der Vergewaltigung
beschuldigt, ist fein raus. Vor
Jahren spielte er neben Auteuil in der
hochnotpeinlichen, aber leider auch
sehr witzigen Schwulenkomödie
„Ein Mann sieht rosa“ einen homophoben
Widerling. Nun verschafft
ihm der alte Kumpel eine Rolle als
verträumtes Unschuldslamm, dem
nun mal die Herzen der Frauen zufliegen.
Durch die rosa Brille betrachtet,
ist auch das schon wieder
sehr französisch.
Verliebt in meineFrau Frankreich 2018.
Regie: Daniel Auteuil, Drehbuch: Florian Zeller,
Darsteller:Sandrine Kiberlain, Daniel Auteuil,
Gérard Depardieu u. a.; 85 Min., Farbe. FSK 0.
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Lichtspiele: Sa 11 Uhr,So13Uhr. Intimes: Sa/So 15
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