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Berliner Zeitung 13./14.10.2018

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22 <strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 239 · 1 3./14. Oktober 2018<br />

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Sport<br />

Bruce Springsteen in Gedanken<br />

Im Finale des German Bowl wollen Schwäbisch Hall und Frankfurt den American-Football-Boom hierzulande weiter anheizen<br />

VonChristian Kattner<br />

Seinen Wunschgast wirdTom<br />

Aust am Sonnabend in Berlin<br />

nicht sehen und nicht<br />

hören können. Gut, vielleicht<br />

läuft ein Song von Bruce<br />

Springsteen vorher im Radio, „aber<br />

den bekommen wir halt nicht“, sagt<br />

Aust. Der German Bowl ist eben<br />

nicht der Super Bowl und Football in<br />

Deutschland längst nicht so populär<br />

wie in den USA. Unddoch freut sich<br />

der Pressesprecher des American<br />

Football Verbandes Deutschland<br />

(AFVD) auf das 40. Finale um die<br />

Deutsche Meisterschaft: „Wir werden<br />

sicherlich ein volles Haus und<br />

gute Stimmung haben.“<br />

Auch diesmal −und seit 2012 ununterbrochen<br />

–wird der Friedrich-<br />

Ludwig-Jahn-Sportpark Austragungsortfür<br />

das Endspiel der großen<br />

Jungs sein. „Wir sind mit dem Standort<br />

Berlin in den letzten Jahren sehr<br />

gut gefahren“, sagt Aust, „die Zuschauer<br />

sind in diesem Stadion trotz<br />

der Laufbahn nah dran.“ Mit 15000<br />

Besuchern rechnet Aust, wenn sich<br />

ab 18 Uhrdie Teams der Schwäbisch<br />

Hall Unicorns und Frankfurt Universe<br />

gegenüberstehen werden. Die<br />

einen, die Einhörner aus dem beschaulichen<br />

40 000-Seelen-Örtchen<br />

in Schwaben, sind Dauergast. In Berlin<br />

standen sie schon fünfmal auf<br />

dem Rasen und holten zweimal den<br />

Titel. Die anderen sind Neulinge.<br />

„Wir freuen uns auf alles“, sagt<br />

Frankfurts Geschäftsführer Michael<br />

Schwarzer.<br />

Die Frankfurter gehen nicht ganz<br />

unbeschwert in dieses Finale. Sie<br />

sorgten in diesem Jahr mit finanziellen<br />

Problemen und einem eröffneten<br />

Insolvenzverfahren für Schlagzeilen.<br />

Doch, und nur so viel möchte<br />

Schwarzer zudiesem Thema sagen,<br />

auch im kommenden Jahr wird in<br />

Frankfurt American Football gespielt.<br />

Gerne als Deutscher Meister,<br />

aber das müssen die Akteure auf<br />

dem Rasen ausspielen.<br />

Ausgelasteter Bus<br />

Am Freitag haben sich beide Teams<br />

auf den Weg gemacht. Und das im<br />

großen Stil. „Im Normalfall fahren<br />

wir mit einem Doppeldecker oder einem<br />

Großraumbus“, erzählt Unicorn-Sprecher<br />

Axel Streich und ergänzt<br />

mit einem hörbaren Lachen:<br />

„Mit Doppelachse hinten.“ So ein<br />

voll besetzter Bus bringt es auf ein<br />

stolzes Gewicht. Es sitzen ja auch<br />

keine Ballerinas auf den Plätzen,<br />

sondern ausgewachsene und<br />

schwergewichtige Footballspieler.<br />

Dergroße Buswirdzudem noch von<br />

zwei, drei Kleinbussen eskortiert.<br />

Der gesamte Tross bringt es auf eine<br />

Stärke vonfast 100 Leuten.<br />

Wo etwa Handballer, Fußballer<br />

oder Basketballer in ihren Bussen<br />

noch freie Sitzreihen haben, ist ein<br />

Reisegefährt bei Footballern bis auf<br />

den letzten Platz belegt. Der Kader<br />

ist um Längen größer als in den<br />

Bereit zum großen Duell: die Footballer aus Frankfurtund Schwäbisch Hall<br />

meisten anderen Mannschaftssportarten.<br />

Mindestens 22 Spieler, ohne<br />

Ersatzspieler, braucht so ein Team.<br />

„Mit unter 60 Spielern im Kader<br />

muss man in der GFL nicht antreten“,<br />

sagt Streich. GFL steht für German<br />

Football League,sie ist die Erste<br />

Bundesliga. Wenngleich sich<br />

Schwarzer mit diesem Begriff<br />

schwertut. „Wenn ich in Deutschland<br />

von Bundesliga spreche, dann<br />

denken alle automatisch nur an die<br />

Fußball-Bundesliga. GFL und Ger-<br />

DPA<br />

man Bowl sind Begriffe, die auch<br />

noch keiner kennt.“<br />

Immerhin mit dem Super Bowl,<br />

dem Endspiel in den USA, können<br />

viele Deutsche mittlerweile etwas<br />

anfangen. Dieser flackertimFebruar<br />

zu nächtlicher Stunde auf immer<br />

mehr Bildschirmen, selbst kleine<br />

Partys rund um das Mega-Event<br />

nehmen zu. Nicht mehr nur Football-Interessierte,<br />

sondern auch<br />

Laien haben die Sportart für sich<br />

entdeckt, ist sie doch seit wenigen<br />

Jahren auch im frei empfangbaren<br />

Fernsehen zu bestaunen. „Auch<br />

wenn es sehr spät läuft, schauen sich<br />

das auch Jugendliche an und interessieren<br />

sich plötzlich für Football“,<br />

sagt TomAust, „einen direkten Einfluss<br />

auf die Mitgliederzahlen gibt es<br />

nicht, aber die Übertragungen helfen<br />

der Sportart.“<br />

Großer Zuwachs<br />

Touchdown, Field-Goal oder First<br />

Down sind längst keine Begriffe<br />

mehr für Insider. 63000 Mitglieder<br />

hat der AFVD in ganz Deutschland<br />

mittlerweile − ein Rekordwert. Tendenz<br />

steigend. „Es entwickelt sich<br />

immer weiter nach oben“, sagt Aust,<br />

„nicht signifikant, dafür aber konstant.“<br />

Dassei ihm auch lieber,daes<br />

nachhaltiger für die Sportartist.<br />

In Schwäbisch Hall ist der Effekt<br />

der direkt messbar. „Wir sind mit<br />

großem Zulauf im Nachwuchs gesegnet,<br />

die Nachwuchsteams sind<br />

proppenvoll. Unsere Zuschauerzahlen<br />

sind um zehn bis 15 Prozent gestiegen“,<br />

berichtet Axel Streich.<br />

Durchschnittlich 2200 Zuschauer<br />

wollten die Heimspiele des Deutschen<br />

Meisters in diesem Jahr sehen,<br />

beim Halbfinalsieg gegen Dresden<br />

kamen sogar 3200 Fans und sorgten<br />

damit für einen neuen Rekord.<br />

Mit solchen Zahlen liegt der<br />

kleine Ort in Baden-Württemberg<br />

vor Standorten wie München oder<br />

Frankfurt. DieüberschaubareGröße<br />

ist Fluch und Segen zugleich. Aufder<br />

einen Seite gebe es keine hochklassige<br />

sportliche Konkurrenz – die<br />

Crailsheim Merlins, ein Basketball-<br />

Bundesligist, sind schon 30 Kilometer<br />

entfernt, erzählt Streich. Andererseits<br />

ist die Sache mit der Suche nach<br />

Sponsoren schwieriger und auch das<br />

Potenzial der Zuschauer geringer.<br />

Immerhin hat es Football-<br />

Deutschland an die SpitzeinEuropa<br />

gebracht, vor Österreich. Briten,<br />

Franzosen, aber auch Amerikaner<br />

zieht es in die GFL. Zwei Spieler aus<br />

den USA dürfen allerdings immer<br />

nur auf dem Feld stehen. „Ohne die<br />

kann man in der Spitzenicht mithalten“,<br />

sagt Streich. Immer wieder landen<br />

auch Deutsche in der NFL. Erst<br />

in diesem Sommer durften zwei<br />

Spieler aus Köln und Ingolstadt in<br />

den Trainingscamps zweier NFL-<br />

Teams vorspielen. Zum Kader der<br />

Cincinnati Bengals gehört mit Moritz<br />

Böhringer sogar ein Deutscher,<br />

der noch 2015 das Trikot der Schwäbisch<br />

Hall Unicorns getragen und<br />

gar erst 2011 mit American Football<br />

begonnen hat.<br />

Die NFL ist also nicht nur im TV<br />

zu sehen, sondern kann durchaus<br />

zur Realität werden. Talentsuche<br />

werden am Sonnabend aber eher<br />

nicht unter den ZuschauerninBerlin<br />

zu finden sein. Der Saison in den<br />

USA läuft, die Kader sind voll. Dafür<br />

aber blickt ganz Football-Deutschland<br />

nach Berlin. „Und wir genießen<br />

das“, sagt Schwarzer. Auch ohne<br />

Bruce Springsteen.<br />

immo,wenn du schnell<br />

mehr Platz brauchst.<br />

Finde dein perfektes Zuhause<br />

berliner-zeitung.immowelt.de<br />

Ein Quarterback<br />

wird zur Sensation<br />

Das hat Patrick Mahomes dem Routinier TomBrady voraus<br />

VonMatti Lieske<br />

Patrick Mahomes muss grinsen,<br />

als er nach seinen Erinnerungen<br />

an den ersten Super-Bowl-Gewinn<br />

vonTom Brady gefragt wird.„Damals<br />

war ich sehr jung“, sagt der Quarterback<br />

der Kansas City Chiefs in der texanisch<br />

geprägten Redeweise, die<br />

sein Trainer Andy Reid etwas uncharmant<br />

als „froschig“ bezeichnet.<br />

Sechs Jahrealt war Mahomes,als im<br />

Februar 2002 die Karriere des nach<br />

Ansicht vieler Beobachter –inklusive<br />

Patrick Mahomes –größten Quarterbacks<br />

aller Zeiten ihren ersten Höhepunkt<br />

erreichte. Am Sonntag wird<br />

der inzwischen 23-Jährige seinem<br />

Vorbild, von dem er sich später eine<br />

Menge abschaute, erstmals auf dem<br />

Spielfeld gegenüberstehen, wenn er<br />

mit seinem Team bei den New England<br />

Patriots gastiert.<br />

Erstaunlicherweise ist es nicht<br />

Mahomes,der dann etwas zu beweisen<br />

hat, sondern Brady. Innur fünf<br />

Partien, allesamt Siege, hat sich der<br />

Spielmacher der Chiefs zur jungen<br />

Quarterback-Sensation aufgeschwungen,<br />

wie sie die National<br />

Football League (NFL) inzwischen<br />

jede Saison hervorzubringen<br />

scheint. Mahomes gehört die Zukunft,<br />

ebenso wie Carson Wentz von<br />

den Philadelphia Eagles oder Jared<br />

Goff von den Los Angeles Rams, seinen<br />

Shooting-Star-Vorgängern aus<br />

der vorigen Spielzeit. Der 41-jährige<br />

Brady jedoch, der keinen Gedanken<br />

ans Aufhören verschwendet, will zeigen,<br />

dass nach wie vorerder Meister<br />

ist, und welche Gelegenheit wäre<br />

passender als das direkte Duell mit<br />

seinem designierten Erben im Stadion<br />

der Patriots bei Boston.<br />

Patriots gegen Chiefs gefordert<br />

New England, wie immer der größte<br />

Favorit auf den Titel, hat die Saison<br />

schleppend begonnen, zuletzt aber<br />

zweimal gewonnen und liegt bei 3:2<br />

Siegen. Das Match gegen die ungeschlagenen<br />

Chiefs dürfte den ersten<br />

wirklichen Fingerzeig geben, was<br />

von den Patriots diese Saison zu erwarten<br />

ist. Kansas City hingegen hat<br />

schon bewiesen, dass der angestrebte<br />

Einzug in den Super Bowl<br />

keine Utopie ist. Das liegt vor allem<br />

an der Offensive, die eine Vielzahl<br />

von Optionen bietet, und es liegt an<br />

Mahomes, der nach einem Jahr als<br />

Reservist den Vorzug vor dem gestandenen<br />

Quarterback Alex Smith<br />

bekam. Der 34-Jährige wechselte<br />

daraufhin zu den Washington Redskins<br />

und ist voll des Lobes über seinen<br />

Nachfolger, bei dem ihm vor allem<br />

die Fähigkeit imponiert, das<br />

Spiel zu lesen und zu verstehen.<br />

Hinter den Leibwächtern<br />

DasTalent zur Analyse hat der Quarterback<br />

von seinem Vater Pat, der<br />

Pitcher bei verschiedenen Teams in<br />

der Major League Baseball war und<br />

daheim stundenlang Daten über alle<br />

Spieler memorierte, mit denen er es<br />

zu tun bekam. Auch der Sohn hätte<br />

eine Baseballkarriereanstreben können,<br />

war bereits von den Detroit Tigers<br />

gedraftet, entschied sich aber<br />

am College für den Football. Sein<br />

Trainer an der Texas Tech University<br />

in Lubbock war Kliff Kingsbury, der<br />

während seiner aktiven Zeit mal der<br />

Backup vonTom Brady war und Mahomes<br />

zu einem modernen Quarterback<br />

ausbildete.<br />

Anders als Spielmacher der Sorte<br />

Brady oder Peyton Manning, die ungern<br />

die Pocket verlassen, die Position<br />

hinter ihren Leibwächtern, ist<br />

Mahomes sehr beweglich. Nicht, um<br />

selbst mit Läufen Raum zu gewinnen<br />

wie Carolinas Cam Newton oder<br />

Seattles Russell Wilson, sondern um<br />

gute Positionen für seine präzisen<br />

Würfe zu finden, eine Spielweise,die<br />

zu den Systemen von Trainer Andy<br />

Reid passt und bestens funktioniert.<br />

Beim Sieg gegen die Denver Broncos<br />

erwarf Mahomes 192 Yards von außerhalb<br />

der Pocket, was seit zehn<br />

Jahren niemand geschafft hatte, mit<br />

14 Touchdownpässen führt er die<br />

Liga an. Eine echte Herausforderung<br />

also für TomBrady, der am Sonntag<br />

als erster Quarterback 200 Saisonsiege<br />

in der NFL erreichen könnte.

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