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abi. 8/02 - Amtsblatt des hessischen Kultusministeriums

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566 Bekanntmachungen und Mitteilungen <strong>des</strong> Hess. <strong>Kultusministeriums</strong> ABl. 8/<strong>02</strong><br />

4. „Underachievement“ bzw. Minderleistung<br />

Wenn man – nach überwiegender Konvention – ab einem<br />

diagnostizierten Intelligenzquotienten von 130 von<br />

intellektueller Hochbegabung spricht, sind zwei Prozent<br />

der Schülerschaft als hochbegabt zu bezeichnen, unter<br />

denen wiederum ca. 15 Prozent den so genannten hochbegabten<br />

„Underachievern“, die erwartungswidrige<br />

schulische Minderleistungen erbringen, zuzurechnen<br />

sind. Bei diesen können, wenn sie nicht frühzeitig als<br />

solche erkannt und in geeigneter Weise gefördert werden,<br />

die durchschnittlichen Instrumentarien <strong>des</strong> regulären<br />

Schulwesens schnell an ihre Grenzen stoßen,<br />

woraus in Einzelfällen schulisches Scheitern mit allen<br />

negativen Begleiterscheinungen und Folgeproblemen resultieren<br />

kann.<br />

Intellektuelle Hochbegabung ist somit kein einheitlich<br />

auftreten<strong>des</strong> Phänomen, das mit Hilfe eindeutiger Erkennungskriterien<br />

festgestellt und mittels gleichförmiger<br />

bzw. allgemein gültiger schulischer Angebote gefördert<br />

werden kann. Hochbegabung ist – nach abgesicherten<br />

wissenschaftlichen Studien – bei der überwiegenden<br />

Mehrzahl der Betroffenen mit guter bis sehr guter sozialer<br />

Einbettung und Beliebtheit sowie psychischer St<strong>abi</strong>lität<br />

gekoppelt. Nur in ca. 15 Prozent der Auftretenshäufigkeit<br />

geht intellektuelle Hochbegabung mit psychischen<br />

bzw. sozialen Auffälligkeiten und Problemen daher.<br />

In diesen Fällen ist allerdings zum Teil intensive<br />

und umfassende psychologische bzw. therapeutische Hilfestellung<br />

angezeigt.<br />

Da von „Underachievement“ betroffene Kinder oder Jugendliche<br />

und ihre Familien nicht selten eine längere<br />

schulische und gesellschaftliche Leidensgeschichte<br />

durchlaufen, wurde und wird das in der öffentlichen Berichterstattung<br />

in den Medien zu findende Bild Hochbegabter<br />

häufig in verzerrenden Extremvarianten gezeichnet,<br />

was wiederum einen nüchternen und pragmatischen<br />

Zugang zu dem Thema überhaupt verstellen<br />

oder zumin<strong>des</strong>t erschweren kann. Dennoch ist Hochbegabung<br />

keineswegs generell oder auch nur überwiegend<br />

eine Frage von grundsätzlichem Anderssein, ungewöhnlicher<br />

Problembehaftung oder notorischem Außenseitertum.<br />

5. Begabungsdiagnostik<br />

Allgemein lässt sich aussagen, dass im regulären Schulunterricht<br />

Hochbegabte und Hochleistende zunächst<br />

möglichst gemeinsam in ihrem Leistungswillen und<br />

ihren Anstrengungen anerkannt, unterstützt und gefördert<br />

werden sollten. Da im Regelfall keine fachwissenschaftlich<br />

durchgeführte Testdiagnostik vorliegen wird<br />

und Reihentestungen allein schon aus datenschutzrechtlichen<br />

Gründen kaum realisierbar erscheinen, sind die<br />

Schülerinnen und Schüler grundsätzlich gemeinsam nach<br />

der Maßgabe ihrer Leistungsfähigkeit und Motivation zu<br />

beschulen. Die Durchführung einer fachpsychologischen<br />

Intelligenz- bzw. Begabungsdiagnostik ist nur in zwei<br />

speziellen Fällen angezeigt:<br />

– wenn schwere Problembelastungen oder Konfliktsituationen<br />

vorliegen, die nachhaltige negative Auswirkungen<br />

auf die Schullaufbahn haben können,<br />

– wenn über eine Aufnahme in separierende und/oder<br />

anspruchsvolle Förderprogramme, die nur für eine in<br />

ganz bestimmter Weise definierte Zielgruppe bestimmt<br />

sind und für hierfür Ungeeignete gravierende<br />

negative Folgen (etwa <strong>des</strong> massiven Überfordertwerdens<br />

und unabwendbaren Scheiterns) befürchten lassen,<br />

zu entscheiden ist.<br />

In der Regel ist im schulischen Alltag der Zugang zu inner-<br />

und außerschulischen Zusatzangeboten und Fördermaßnahmen<br />

nicht vom Nachweis bzw. der Voraussetzung<br />

einer Testdiagnostik abhängig zu machen. In der<br />

Praxis lernen Hochbegabte und/oder Hochleistende gemeinsam.<br />

Dessen ungeachtet sollten im Einzelfall vorgelegte<br />

diagnostische Gutachten von den Lehrkräften sorgfältig<br />

in ihre pädagogischen Überlegungen und Konzeptionen<br />

einbezogen werden.<br />

Aus einem vorliegenden externen begabungsdiagnostischen<br />

Gutachten und damit aus einer gutachterlich festgestellten<br />

und bestätigten intellektuellen Hochbegabung<br />

sind keine bestimmten schulischen Fördermaßnahmen<br />

zwingend ableitbar. Ein solches Gutachten kann allenfalls<br />

Förderhinweise für die pädagogische Praxis aus<br />

fachpsychologischer Sicht enthalten. Fachlich hochwertige<br />

Gutachten beschränken sich im wesentlichen auf die<br />

Erläuterung und Begründung der Diagnostik. Auf dieser<br />

Grundlage sind im Einzelfall – d.h. zumin<strong>des</strong>t im hoch<br />

problematischen Einzelfall – unter Einbeziehung der örtlich<br />

Betroffenen (Eltern, Schülerin bzw. Schüler, niedergelassene<br />

Psychologin bzw. niedergelassener Psychologe,<br />

Schulpsychologin bzw. -psychologe, Lehrkräfte,<br />

Schulaufsicht usw.) individualisierte Fördermaßnahmen<br />

anzustreben, wobei auch die an der jeweiligen Schule<br />

vorhandenen personellen und sächlichen Ressourcen sowie<br />

Fortbildungsmöglichkeiten berücksichtigt werden<br />

müssen. Es dürfen keine Förderkonzepte gegen den Willen<br />

eines der Betroffenen erzwungen werden.<br />

6. Beratungsstelle BRAIN in Marburg<br />

Die Aufgabenbereiche der Diagnostik und der anschließenden<br />

Elternberatung sind durch die Einrichtung<br />

der zentralen begabungsdiagnostischen Beratungsstelle<br />

BRAIN („Beratung und Information über besondere Begabung“)<br />

sowie die Fortbildung von Schulpsychologinnen<br />

und -psychologen aus allen Staatlichen Schulämtern<br />

zu dezentralen Ansprechpartnern vor Ort bereits mit Erfolg<br />

angegangen worden.<br />

So hatte das Kultusministerium bereits am 1. Oktober<br />

1999 an dem Fachbereich Psychologie der Philipps-Universität<br />

Marburg (Lehrstuhl von Herrn Prof. Dr. D. H.

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