17.12.2012 Aufrufe

abi. 8/02 - Amtsblatt des hessischen Kultusministeriums

abi. 8/02 - Amtsblatt des hessischen Kultusministeriums

abi. 8/02 - Amtsblatt des hessischen Kultusministeriums

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

ABl. 8/<strong>02</strong> Bekanntmachungen und Mitteilungen <strong>des</strong> Hess. <strong>Kultusministeriums</strong> 577<br />

terricht und ein auf drei Jahre angelegtes informationstechnisches<br />

Curriculum angeboten werden. Weiterhin<br />

sollte die Förderung selbstregulierten Lernens einen integralen<br />

Bestandteil <strong>des</strong> Lehrplans darstellen. Für den<br />

Schulversuch einer dreijährigen Primarstufe schlägt er<br />

drei Grundschulen mit jeweils min<strong>des</strong>tens einer Klasse<br />

vor, wobei eine wissenschaftliche Evaluation und der<br />

Vergleich mit Kontrollschulen für eine Abschätzung <strong>des</strong><br />

Fördererfolgs notwendig sei. Die Laufzeit der wissenschaftlichen<br />

Evaluation sollte fünf Jahre umfassen, womit<br />

die komplette Grundschulzeit von drei Kohorten umfasst<br />

wäre.<br />

Sieht man von der in dieser Altersstufe noch recht<br />

problematischen Hochbegabungsprognose einmal ab, ergeben<br />

sich angesichts der oben angesprochenen<br />

Vorkommenshäufigkeit der intellektuell Hochbegabten<br />

(IQ ≥ 130) bei diesem Vorschlag beträchtliche organisatorische<br />

Probleme: Um 20 hochbegabte Kinder der<br />

ersten Jahrgangsstufe für eine Hochbegabtenklasse<br />

zu gewinnen, wäre – geht man z. B. von einer durchschnittlichen<br />

Klassengröße von 22 Schülerinnen und<br />

Schülern aus – min<strong>des</strong>tens ein Einzugsgebiet von rund<br />

45 Schulanfängerklassen erforderlich. Da aber nicht davon<br />

ausgegangen werden kann, dass jede Familie mit einem<br />

hochbegabten Grundschulkind auch eine separierende<br />

Beschulung in speziellen Klassen wünscht, wäre<br />

– bei einer angenommenen 40prozentigen Akzeptanz –<br />

von einem Einzugsgebiet von mehr als 100 Schulanfängerklassen<br />

auszugehen.<br />

Neben dem Problem der großen Anfahrtswege und Anfahrtskosten<br />

müssen auch die sich zwangsläufig ergebenden<br />

zusätzlichen psycho-physischen Belastungen für die<br />

(häufig vorzeitig einzuschulenden, d. h. besonders jungen)<br />

Schulanfängerinnen und Schulanfänger in die Überlegungen<br />

einbezogen werden. Vorab wäre weiterhin zu<br />

klären, wie mit denjenigen Schülerinnen und Schülern<br />

verfahren werden soll, bei denen sich im Verlauf der verkürzten<br />

Grundschulzeiten herausstellt, dass sie den Anforderungen<br />

dieser Spezialklassen nicht genügen.<br />

Insbesondere ist unter pädagogischen, entwicklungspsychologischen<br />

und sozialisationstheoretischen Gesichtspunkten<br />

zu bedenken, dass hochbegabten Kindern zu so<br />

frühem Zeitpunkt die für die zukünftige Lebensbewältigung<br />

zentrale Entwicklungsaufgabe <strong>des</strong> Lernens und Lebens<br />

in einer begabungsheterogenen Lernumwelt nicht<br />

vorzuenthalten ist.<br />

5. Kompetenzen von Lehrkräften<br />

Lehrerinnen und Lehrer gestalten ihre Grundschularbeit<br />

nach den Grundsätzen <strong>des</strong> allgemeinen Bildungs- und<br />

Erziehungsauftrages der Schule. In einer Zeit sich ständig<br />

verändernder Lebensbedingungen stehen sie einer<br />

Vielfalt individueller Ansprüche und Kindern mit sehr<br />

unterschiedlichen Entwicklungsständen gegenüber. Die<br />

Spanne der Fähigkeiten wie auch <strong>des</strong> Leistungsvermö-<br />

gens von Schülerinnen und Schülern klafft normalerweise<br />

auseinander.<br />

Die Bandbreite eines hohen Förderbedarfs reicht von<br />

Kindern mit Teilleistungsschwächen, psychomotorischen,<br />

visuellen und/oder auditiven Problemen, Konzentrationsschwierigkeiten<br />

oder anderen auffälligen Verhaltensweisen<br />

(wie z. B. Rückzugsverhalten, Ängsten, Clownerien,<br />

Hyperaktivität, Aggressionen) auf der einen<br />

Seite bis hin zu identifizierten oder auch unerkannten<br />

bzw. verkannten hochbegabten Kindern (Underachiever).<br />

Innerhalb dieser beträchtlichen Vielfalt haben auch<br />

intellektuell hochbegabte Kinder ein Anrecht auf eine<br />

professionelle, sensible und individuelle Förderung. Es<br />

wäre verhängnisvoll und pädagogisch unverantwortlich,<br />

wenn diese Kinder Unterricht und Schule nur über sich<br />

ergehen lassen müssten und dadurch im Einzelfall möglicherweise<br />

sogar psychische Schäden erlitten.<br />

Lehrkräfte sollten sich – nicht bloß in der Grundschule<br />

und nicht allein auf dem Gebiet der Hochbegabtenförderung<br />

– von dem überkommenen Denkmuster eines altershomogenen<br />

horizontalen gleichschrittigen Fortschreitens<br />

aller Schülerinnen und Schüler, das die tatsächliche<br />

Unterschiedlichkeit heterogener Klassenverbände nur<br />

höchst unzureichend wiedergibt, lösen. Lehrerinnen und<br />

Lehrer müssen vielmehr verstärkt lernen, die recht verschiedenartigen<br />

individuellen Schülerleistungen und ihre<br />

umgebenden Bedingungsgefüge in den Blick zu nehmen<br />

und zu beobachten, um die jeweiligen Schwierigkeitsgrade<br />

der Aufgabenstellungen darauf abzustimmen.<br />

Die optimale Förderung der einzelnen Schülerinnen und<br />

Schüler ist Aufgabe der gesamten schulischen Arbeit.<br />

Merkmale von intellektueller Hochbegabung sind sehr<br />

differenziert und vielschichtig, so dass eine Unterscheidung<br />

von „normal“ begabten Kindern für psychologische<br />

Laien – und damit auch für Lehrkräfte – in der Regel<br />

nicht unmittelbar augenfällig ist. Da im schulischen Alltag<br />

in der Regel keine fachwissenschaftlich durchgeführte<br />

Testdiagnostik vorliegen wird und eine solche auch<br />

nur in enger umrissenen Problem- bzw. Entscheidungssituationen<br />

angezeigt ist, sind die in einer Klasse vorhandenen<br />

Schülerinnen und Schüler grundsätzlich gemeinsam<br />

nach der Maßgabe ihrer Leistungsfähigkeit und Motivation<br />

zu beschulen.<br />

Für diejenigen Einzelfälle, in denen eine fachwissenschaftlich<br />

zu erstellende Hochbegabungsdiagnostik geboten<br />

ist oder von Elternseite der Schule vorgelegt wird,<br />

gilt: Die exakte Identifikation bzw. Diagnostik intellektuell<br />

hochbegabter Kinder muss speziell ausgebildeten<br />

und erfahrenen Diplom-Psychologinnen und -Psychologen<br />

vorbehalten bleiben. Nur sie können zielgenau entscheiden<br />

und die Diagnose „intellektuell hochbegabt“<br />

fachgerecht absichern. So streben auch die vielfältigen<br />

Fortbildungsangebote <strong>des</strong> <strong>Kultusministeriums</strong> und <strong>des</strong><br />

Hessischen Lan<strong>des</strong>instituts für Pädagogik keine Zusatzausbildung<br />

von Lehrkräften zu Diagnostikern an, sondern<br />

wollen u. a. Lehrkräfte sensibilisieren, in Frage

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!