abi. 8/02 - Amtsblatt des hessischen Kultusministeriums
abi. 8/02 - Amtsblatt des hessischen Kultusministeriums
abi. 8/02 - Amtsblatt des hessischen Kultusministeriums
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
574 Bekanntmachungen und Mitteilungen <strong>des</strong> Hess. <strong>Kultusministeriums</strong> ABl. 8/<strong>02</strong><br />
Probleme und Interessen der Schülerinnen und Schüler<br />
im Vordergrund und damit auch die oben dargestellten<br />
Möglichkeiten einer individuellen Gestaltung der Schullaufbahn<br />
und <strong>des</strong> Stundenplans.<br />
Dem Beratungsanspruch der Betroffenen steht die normierte<br />
Beratungspflicht für die Schule und die Lehrkräfte<br />
in § 86 Abs. 2 Satz 1 Hessisches Schulgesetz („Die<br />
Lehrerinnen und Lehrer erziehen, unterrichten, beraten<br />
und betreuen in eigener Verantwortung ...“) sowie in<br />
§ 6 Abs. 5 der Dienstordnung für Lehrkräfte, Schulleiterinnen<br />
und Schulleiter und sozialpädagogische Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeiter gegenüber. Bei darüber hinausgehendem<br />
Beratungsbedarf, der besondere psychologische<br />
Fachkunde erfordert, besteht die Möglichkeit, sich<br />
gemäß § 95 Abs. 2 Hessisches Schulgesetz vom Schulpsychologischen<br />
Dienst <strong>des</strong> zuständigen Staatlichen<br />
Schulamtes individuell beraten zu lassen.<br />
4. Bausteine für die Hochbegabtenförderung<br />
in der Grundschule<br />
Vor dem Hintergrund der skizzierten schulrechtlichen<br />
Rahmenbedingungen in Hessen wird im Folgenden eine<br />
Reihe denkbarer Förderansätze bzw. -modelle im Sinne<br />
von einzelnen Modulen vorgestellt, die sich gegenseitig<br />
nicht ausschließen und entsprechend den Bedürfnissen<br />
und Gegebenheiten der einzelnen Schule miteinander<br />
kombinierbar sind. Welche Schritte bzw. Maßnahmen<br />
für welche Schule angezeigt sein können, ist jeweils vor<br />
Ort nach Maßgabe der konkret vorhandenen Schülerklientel,<br />
der an der Schule gegebenen personellen und sächlichen<br />
Ressourcen sowie der umgebenden Unterstützungssysteme<br />
zu entscheiden.<br />
4.1 Maßnahmen zur individuellen Anreicherung und<br />
Beschleunigung<br />
Die Grundschule nimmt alle Kinder eines Jahrganges auf<br />
und bietet die besten Voraussetzungen für eine durch Individualisierung<br />
und offene Arbeitsweise gekennzeichnete<br />
Unterrichtsorganisation, die alle Kinder – auch die<br />
intellektuell Hochbegabten – auf eine auf ihre jeweiligen<br />
Stärken und Schwächen abgestimmte Weise optimal fördern<br />
kann. Grundschulen fördern die in einer Klasse vorhandenen<br />
Begabungen vornehmlich durch innere Differenzierung.<br />
Im Rahmen der gebotenen Förderung aller<br />
Kinder sollten Grundschulen auch den Hochbegabten besondere<br />
Aufmerksamkeit schenken und hierfür geeignete<br />
pädagogische Angebote und speziell zugeschnittene Unterrichtskonzepte<br />
bereitstellen.<br />
Binnendifferenzierung ist die originäre und grundsätzliche<br />
Aufgabe der Grundschule gegenüber allen Begabungsausprägungen.<br />
Hochbegabte Kinder werden in der<br />
Grundschule daher zunächst durch geeignete Binnendifferenzierungsmaßnahmen<br />
innerhalb ihres Klassenverban<strong>des</strong><br />
gefördert. Individualisierung hat sich aus pädago-<br />
gischer wie aus psychologischer Sicht als diejenige Fördermaßnahme<br />
erwiesen, die dem intellektuell hochbegabten<br />
Kind und seinen Bedürfnissen im Regelfall am<br />
besten entspricht. Sie dient der Vertiefung und Bereicherung<br />
<strong>des</strong> Unterrichts und findet innerhalb <strong>des</strong> Klassenverban<strong>des</strong><br />
statt. Unter Differenzierung ist das Bestreben<br />
zu verstehen, den Unterricht durch ein Variieren der<br />
Lehrmethoden, Lehrmaterialien und Lehrinhalte dem<br />
Begabungs- und Leistungsniveau der Kinder anzupassen.<br />
Die gebotene individuelle Förderung ist gut durch Methoden<br />
<strong>des</strong> Offenen Unterrichts zu verwirklichen. Beispielsweise<br />
fördert die Lehrkraft das Kind durch vertiefende<br />
Aufgaben, die seinem Leistungsvermögen entsprechen.<br />
Aufgabenstellungen können dabei allmählich erweitert<br />
werden, indem der Themenbereich ausgeweitet<br />
und der Schwierigkeitsgrad erhöht werden. Schließlich<br />
sollen die Kinder ihren Lernprozess zunehmend eigenverantwortlich<br />
gestalten und planen.<br />
Besonders geeignete Methoden für diese Art der Förderung<br />
sind Unterrichtsangebote wie Wochenplanarbeit,<br />
Projektarbeit, Freie Arbeit, Werkstattunterricht u. a. m.<br />
Diese Unterrichtsmethoden unterstützen individuelles<br />
Lernen und eigenverantwortliches Handeln. Alle Kinder<br />
– lernschwache wie auch hochbegabte – können gemäß<br />
ihrem individuellen Lernstil und Lerntempo arbeiten. Intellektuell<br />
hochbegabte Kinder haben bei der freien<br />
Wahl <strong>des</strong> Unterrichtsangebotes die Möglichkeit, auch<br />
komplexere Aufgaben zu wählen und trotzdem innerhalb<br />
<strong>des</strong> Klassenverban<strong>des</strong> mitzuarbeiten.<br />
Der Unterrichtsverlauf kann in verschiedene Phasen wie<br />
Unterricht im Plenum und Unterricht in Einzel-, Partneroder<br />
Gruppenarbeit organisiert werden. Flexibler Umgang<br />
mit der Unterteilung in diese beiden Phasen ist<br />
wünschenswert. Denkbar wäre beispielsweise die zeitweise<br />
Ausgliederung einiger Schülerinnen und Schüler<br />
zu Einzel-, Partner- oder Kleingruppenarbeit, während<br />
die Lehrkraft den übrigen Teil der Klasse weiter lehrerzentriert<br />
unterrichtet. Auf diese Weise sind Individualisierung<br />
und Differenzierung im Klassenverband angemessen<br />
zu gewährleisten.<br />
Der Stundenplan sollte Entscheidungsmöglichkeiten für<br />
individuelle Lernschwerpunkte eröffnen. Ergänzend<br />
können – in Abhängigkeit von den sächlichen und personellen<br />
Ressourcen der Schule – freiwillige Unterrichtsveranstaltungen<br />
zur Erweiterung und Vertiefung <strong>des</strong> Bildungsangebotes<br />
eingerichtet werden. Die Schülerinnen<br />
und Schüler erhalten so die Chance, sich in besondere<br />
Arbeitsgemeinschaften einzuwählen.<br />
Intellektuelle Hochbegabung braucht eine gezielte Ansprache<br />
und Forderung durch anspruchsvolle Aufgabenstellungen<br />
und Herausforderungen, um sich bestmöglich<br />
entfalten zu können. Hochbegabte sollten daher vermehrt<br />
zu eigenständigem Experimentieren angehalten werden,<br />
um Kreativität und Phantasie einsetzen zu können. Diese<br />
Formen <strong>des</strong> offenen Arbeitens können als wesentlicher