abi. 8/02 - Amtsblatt des hessischen Kultusministeriums
abi. 8/02 - Amtsblatt des hessischen Kultusministeriums
abi. 8/02 - Amtsblatt des hessischen Kultusministeriums
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
ABl. 8/<strong>02</strong> Bekanntmachungen und Mitteilungen <strong>des</strong> Hess. <strong>Kultusministeriums</strong> 575<br />
Bestandteil <strong>des</strong> Unterrichts im Stundenplan verankert<br />
werden. Dabei muss eine Evaluation der Arbeitsergebnisse<br />
durch die Lehrkraft gewährleistet werden.<br />
Der persönlichen Begabungssituation - auch der intellektuell<br />
hochbegabten Kinder – kann die Schule durch<br />
Erstellung eines individuellen Förderplans nachhaltig<br />
Rechnung tragen. Er gibt Anhaltspunkte für den Aufbau<br />
der Binnendifferenzierung und bündelt das gemeinsame<br />
Handeln aller Bezugspersonen. Das Anspruchsniveau ist<br />
individuell so zu wählen, dass das Kind auf der Grundlage<br />
seines Arbeitsverhaltens und seiner Kenntnisse die<br />
Aufgaben als Herausforderung seiner Anstrengung, nicht<br />
aber als Überforderung erlebt (Grundsatz der Leistungsmotivation).<br />
Zu vermeiden sind umgekehrt Aufgaben,<br />
die keine herausfordernde Wirkung haben, sondern unterfordern<br />
und Langeweile erzeugen oder verstärken.<br />
Werden Kinder stärker entsprechend ihren jeweiligen<br />
Lernvoraussetzungen gefördert, wird sich die Leistungsschere<br />
im Klassenverband weiter öffnen. Dies darf in<br />
der Grundschule so sein. Gleichaltrige befinden sich<br />
zwangsläufig nicht auf dem gleichen Entwicklungsstand.<br />
Die Verschiedenheit der kognitiven und sozialen Entwicklung<br />
kennen und akzeptieren zu lernen ist eine Voraussetzung<br />
für die soziale Einbindung auch der intellektuell<br />
hochbegabten Kinder und kann ihre Bereitschaft zu<br />
aktiver und anleitender Hilfestellung gegenüber lernschwächeren<br />
Mitschülerinnen und Mitschülern anregen<br />
und fördern.<br />
Die wünschenswert größere Effizienz der Lernprozesse<br />
setzt eine veränderte pädagogische Vorgehensweise voraus.<br />
Lehrkräfte sollten dabei nicht auf eine erhöhte<br />
Quantität von Arbeitsblättern zurückgreifen, nicht in einer<br />
puren Vermehrung der Anzahl zusätzlicher Aufgaben<br />
die Lösung suchen, sondern vielmehr die Qualität<br />
bzw. das Anspruchsniveau der Aufgaben im Sinne einer<br />
zunehmend abstrakteren Zugangsweise, einer Stufung<br />
der Arbeitsweisen und <strong>des</strong> angezielten Begreifens von<br />
Strukturen steigern. Sachgerechte Hochbegabtenförderung<br />
erfordert Herausforderungen in Gestalt ansteigender<br />
intellektueller Komplexität auf den hierfür geeigneten<br />
Lern- bzw. Fachgebieten.<br />
Über eine differenzierte Förderpädagogik innerhalb <strong>des</strong><br />
Klassenverban<strong>des</strong> hinaus können in Einzelfällen über einen<br />
individuellen Stundenplan Teilnahmen am Unterricht<br />
höherer Klassen ermöglicht werden. Dies bietet<br />
sich für Kinder an, die in bestimmten Bereichen besondere<br />
Leistungen erbringen. Sie könnten ggf. in ausgewählten<br />
Fächern am Unterricht höherer Klassenstufen<br />
teilnehmen. Der zeitliche Rahmen hierfür kann individuell<br />
festgelegt werden – etwa nur für ein bestimmtes Projekt<br />
oder für ein ganzes Schuljahr. Daraus könnte sich eine<br />
Vorstufe zum Überspringen ergeben.<br />
Der Schritt, ein hochbegabtes Kind eine Klasse überspringen<br />
zu lassen, macht in der Regel eine enge Zusammenarbeit<br />
mit den Lehrkräften, dem Schulpsychologi-<br />
schen Dienst und dem Elternhaus erforderlich. Entsprechend<br />
den individuellen Gegebenheiten und Bedürfnissen<br />
<strong>des</strong> Kin<strong>des</strong> und in Absprache mit den Eltern und<br />
Lehrkräften sollte eine angemessene „Schnupper- bzw.<br />
Beobachtungsphase“, die sechs bis acht Wochen nicht zu<br />
überschreiten braucht, ins Auge gefasst werden. In diesem<br />
Zeitraum sollte das Kind jederzeit die Möglichkeit<br />
haben, wieder in seine frühere Klasse zurück zu kehren.<br />
Um belastende Überforderungsängste zu vermeiden,<br />
sollten vor dem Springen keine allzu großen Erwartungen<br />
aufgebaut werden.<br />
4.2 Hochbegabte Kinder mit Schwierigkeiten<br />
Wissenschaftliche Forschungen über intellektuelle Hochbegabung<br />
sowie Erfahrungsberichte aus der Grundschule<br />
zeigen, dass es – wie auch bei allen anderen Begabungsausprägungen<br />
– einen Anteil hochbegabter Schülerinnen<br />
und Schüler gibt, bei deren Integration in den regulären<br />
Schulalltag Probleme auftreten können (unter ihnen<br />
die sogenannten Minderleister oder Underachiever).<br />
Dabei handelt es sich um Einzelfälle, die aufgrund<br />
besonderer Bedingungen oder Umstände nicht die ihren<br />
individuellen Bedürfnissen entsprechende Förderung<br />
und pädagogische Betreuung erhalten und in der Folge<br />
von Schulversagen bedroht sein können. Doch auch<br />
diesen Kindern steht das Recht auf eine optimale<br />
schulische Förderung ihrer Begabungen und Fähigkeiten<br />
und eine ganzheitliche Persönlichkeitsentfaltung zu.<br />
Eine sachgerechte und erfolgversprechende Hochbegabtenförderung<br />
muss daher die Ausgangsbedingungen<br />
und Bedürfnisse auch dieser Schülerinnen und Schüler<br />
berücksichtigen.<br />
Einzelne Kinder aus der Gruppe der sogenannten hochbegabten<br />
Underachiever können auch bereits in der<br />
Grundschule scheitern. Wenn intellektuelle Hochbegabung<br />
nicht frühzeitig erkannt und auf geeignete Weise<br />
zur Entfaltung gebracht wird, kann dies zu dauerhafter<br />
kognitativer Unterforderung und massiver Lernblockierung<br />
führen. Seelische Konflikte, Lern- und Verhaltensprobleme<br />
sowie Minderleistung bis hin zu gänzlicher<br />
Leistungsverweigerung können die Folgen sein. Eine<br />
Spirale von Misserfolgen kann einen dramatischen Entwicklungsverlauf<br />
– mit Schulversagen bis hin zur Einweisung<br />
in die Schule für Lernhilfe – nach sich ziehen.<br />
Eine unglückliche Schulentwicklung kann aber auch auf<br />
andere Ursachen zurückzuführen sein, z. B. auf Teilleistungsschwächen<br />
im Bereich <strong>des</strong> Lesens, Schreibens<br />
oder Rechnens, Hyperaktivität, Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom,<br />
Krankheit oder familiäre Umstände usw. Auch<br />
in diesen Fällen können emotionale oder soziale Probleme<br />
anhaltende schulische Misserfolge verursachen.<br />
Wenn eine vorhandene intellektuelle Hochbegabung, die<br />
möglicherweise durch Schwierigkeiten wie die genannten<br />
überdeckt wird, dauerhaft verkannt wird, können daraus<br />
gravierende Blockaden und Persönlichkeitsstörungen<br />
resultieren.