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Illustration: Shutterstock<br />
nach wie vor nicht hörig, Luxusprodukte<br />
wie Hummer, Steinbutt, Gänseleber und<br />
Trüffel einfordern. Anders gesagt: Das Steirereck<br />
von Birgit und Heinz Reitbauer war<br />
schon vor zehn Jahren dem Noma in Kopenhagen<br />
um Lichtjahre voraus. Aber eben<br />
frei von Ideologie, die manche Gourmets<br />
seit der Herrschaft gastronomischer Moden<br />
zur Einkehr brauchen.<br />
EXIL DER BOBOS UND HIPSTERS<br />
DAS »ECKEL«<br />
ERKLÄRT RASCH,<br />
WARUM MAN<br />
AUS WIEN NIE<br />
NACH FRANKREICH<br />
SCHIELEN<br />
MUSSTE.<br />
Konstantin Fillipou kam nicht aus dem<br />
Nichts, dennoch war er plötzlich da, und<br />
sein nüchternes Restaurant, das seinen Namen<br />
trägt, ist seit fünf Jahren das Exil der<br />
Bobo- und Hipsterfeinschmecker, die es gerade<br />
im wohllebigen <strong>Wien</strong> zuhauf gibt. Viel<br />
interessanter jedoch als Fillipous Sternelokal<br />
ist seine benachbarte Weinbar »O boufés«,<br />
die im weinverliebten <strong>Wien</strong> einen radikalen<br />
Schnitt in Sachen Weinlokale darstellt.<br />
Das »O boufés« ist eine ausgewiesene<br />
Orange Wine-Weinbar, offeriert also sehr<br />
spezielle Weine, die nicht jedermanns Sache<br />
sind, aber jedermanns Interesse wecken<br />
sollten. Was aber das »O boufés« zum <strong>Wien</strong>er<br />
Ding macht – und so wieder zum Vorreiter<br />
–, ist die extreme Gelassenheit, wie<br />
Vin Naturel und Orange-Weine an den<br />
Gast gebracht werden. Hier wird nicht belehrt<br />
und auf ein besseres Menschenbild gesetzt,<br />
auch bleiben die untrinkbaren Vertreter<br />
dieser Herstellungsmethode ausgespart,<br />
nein: Man lernt mit Schmäh und Witz die<br />
Welt dieser inzwischen auch nicht mehr<br />
neuen Weine kennen, die einem im Kopenhagen<br />
oder sogar in Paris derart als ethisches<br />
Muss reingedrückt werden, dass man<br />
davonlaufen könnte.<br />
Ganz nebenbei isst man hier auch unkompliziert<br />
hervorragend und <strong>für</strong> wenig<br />
Geld meist auf Sterneküchen-Niveau. Etwa<br />
die Kombination Sardine, Gurke, Schalotte<br />
und Remoulade. Oder Mangalizaschwein,<br />
Spinat, Ofenmelanzani und knuspriger<br />
Reis. Als Tagesspezialität gibt es ab und an<br />
ein griechisches Gericht, denn nebenbei modernisiert<br />
Fillipou auch die Küche Hellas'.<br />
Selten isst man in Europa besser griechisch<br />
als in dieser Weinbar in <strong>Wien</strong>.<br />
Mario Bernatovic ist ein junger, kroatischstämmiger<br />
Koch, der in den letzten<br />
Jahren in <strong>Wien</strong> in vielen innovativen Restaurants<br />
aufkochte, um danach unstet weiterzuziehen.<br />
Jetzt hat man dem umtriebigen<br />
Talent ein Lokal gebaut, das »Kussmaul« in<br />
der <strong>Wien</strong>er Bäckerstraße. Auch Bernatovic<br />
setzt einfach nur auf seinen Geschmack und<br />
sein Vermögen, die Komponenten zur harmonischen,<br />
aber dennoch herausfordernden<br />
und individuellen Einheit zusammenzurühren.<br />
Aber in diesem Lokal hat er zur kroatischen<br />
Küche zurückgefunden. Und zu den<br />
Fischen der Adria. Zum Beispiel zu frisch<br />
gefangenen und zeitnah nach Norden gebrachten<br />
Brassen, die Bernatovic im Salzmantel<br />
verpackt und im Ofen gart, damit<br />
der Fisch noch das Meer in sich trägt, aus<br />
dem er Stunden zuvor gezogen wurde. Die<br />
Arme eines ebenso frischen Oktopus grillt<br />
er butterweich und fügt ein grandioses Erbsenpüree<br />
hinzu, dem erst delikat geschmorte<br />
Kirschtomaten das Geschmackliche Rind<br />
geben – aus zwei eher groben Komponenten<br />
entsteht so etwas im Gaumen nachhaltig<br />
Feines mit Suchtfaktor. Auf der Weinkarte<br />
findet der Gast dann auch ein paar<br />
eher unbekannte kroatische Weine, die beweisen,<br />
wie sich die Önologie dieses ehemaligen<br />
Kronlandes radikal zum Besseren<br />
wandelte.<br />
Man könnte jetzt noch lange viele weitere<br />
neue und in ihrer Art einzigartige <strong>Wien</strong>er<br />
Lokale aufzählen, wenngleich hier wie dort<br />
die Einheimischen zunehmend von Touristen<br />
ersetzt werden. Man könnte etwa das Restaurant<br />
»The Bank« im prächtig gelegenen<br />
Park Hyatt erwähnen. Oder das böhmischadriatische<br />
Lokal von Danijel Duspara. Aber<br />
zum Schluss sei hier zum Besuch eines ganz<br />
besonderen, alten, traditionellen Restaurants<br />
geraten, des »Eckel« in Sievering. Wer hier<br />
Samstagmittag einkehrt, trifft auf die <strong>Wien</strong>er<br />
Bourgeoisie, die ein bisschen vom alten Österreich<br />
transportiert, das faszinierend und<br />
abstoßend zugleich sein kann. Die raffinierte<br />
bürgerliche Küche kann zum Glück des weiteren<br />
Tages beitragen. Und die Weinkarte ist<br />
Legende. Das »Eckel« erklärt in wenigen<br />
Momenten, warum man in <strong>Wien</strong> nie nach<br />
Frankreich schielen musste, wenn es um kulturell<br />
hochwertige Gastronomie ging. Und<br />
irgendwas Paniertes wird man hier auch finden.<br />
Aber nur unter ferner liefen.<br />
<<br />
falstaff<br />
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