Society 361 / 2012
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Tunesien<br />
Länderporträt<br />
Wenn sich das Volk erhebt,<br />
muss sich das<br />
Schicksal seinem Willen<br />
fügen.“ Das steht<br />
in der 1930 von dem<br />
Dichter Abu al-Qasim<br />
asch-Schabbi geschaffenen tunesischen Nationalhymne.<br />
Die Jasminrevolution des Frühjahrs 2011<br />
machte den entscheidenden Schritt zur Realisierung<br />
der tunesischen Freiheit: das Volk – und besonders<br />
die junge, gebildete Generation – hat sich<br />
gegen den langjährigen Diktator Zine El Abidine<br />
Ben Ali erhoben, gegen die hohe Arbeitslosigkeit,<br />
Korruption und Ungleichgewichte in der Verteilung<br />
des Wohlstands protestiert und sein Recht<br />
auf demokratische Grundrechte wie Presse- und<br />
Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit und allgemeine<br />
Menschenrechte eingefordert. Der Umbruch<br />
in Tunesien wurde hauptsächlich über die<br />
neuen Medien organisiert und kommentiert und<br />
wurde weltweit als „Revolution über Facebook,<br />
Twitter und Co.“ diskutiert. Trotz des Übergreifens<br />
der Umbruchstimmung auf weitere arabische<br />
Staaten hat sich die Lage in Tunesien seit der<br />
Flucht des Diktators und der Bildung einer Übergangsregierung<br />
wieder stabilisiert. Im Oktober<br />
2011 konnten daraufhin erstmals demokratische<br />
Wahlen zur Verfassunggebenden Versammlung<br />
abgehalten werden.<br />
•<br />
Was man erlebt haben muss<br />
Mit dem Lezard Rouge durch die Seldja-<br />
Schlucht: eine Fahrt in die Vergangenheit mit<br />
dem „Orientexpress Nordafrikas“<br />
Die kleine Bergbaustadt Metlaoui, am Fuße des<br />
Atlas-Gebirges in Gafsa gelegen, hat durch ihre<br />
enormen Phosphatvorkommen Bedeutung erlangt.<br />
Sie ist der Ausgangspunkt für einen Ausflug<br />
mit dem „Lezard Rouge“ in die Seldja-Schlucht,<br />
einen Canyon mitten in der kargen Steinwüste.<br />
Am Eingang der Schlucht liegt die Quelle Raas al-<br />
Ajoun, in der der Franzose Philippe Thomas 1886<br />
das reiche Phospatvorkommen entdeckte. Die bis<br />
zu 200 Meter hohen Felswände, die die Steppe von<br />
der Wüste trennen, sind an ihrer engsten Stelle<br />
nur wenige Meter breit. Diese „Säbelhieb“ genannte<br />
Engstelle wird mit einer Legende des Berberprinzen<br />
Al-Mansour in Verbindung gebracht. Auf<br />
der Flucht vor seinen Feinden soll er die Schlucht<br />
eigenhändig in den Fels geschlagen haben.<br />
Der Lezard Rouge („rote Eidechse“) ist ein nostalgischer<br />
Salonzug, den der französische Staat<br />
1910 dem tunesischen Bey Mohammed Naceur<br />
Wussten Sie, dass...?<br />
…die Araber behaupten, das Kamel sei das einzige Tier,<br />
das sämtliche Namen Allahs kenne und alleine deswegen<br />
die Welt mit einem entsprechend hochmütigen<br />
Blick beäugt?<br />
…für den Bau der zentralen Gebetshalle der Zitouna<br />
Moschee – einer der ältesten Moscheen in der Altstadt<br />
von Tunis – 200 Säulen aus den Ruinen des römischen<br />
Karthago verwendet wurden?<br />
…fünfzig Prozent der tunesischen Frauen berufstätig<br />
sind – so viel wie in keinem anderen arabischen Staat?<br />
…es in Tunesien doppelt so viele Sonnenstunden wie in<br />
Österreich gibt?<br />
Buchtipps<br />
Tahar Ben Jelloun<br />
Arabischer Frühling<br />
Berlin Verlag<br />
Das Zentrum der Welt hat<br />
sich nach Nordafrika verlagert.<br />
Ägypten, Tunesien,<br />
Libyen. Welche anderen<br />
Länder werden noch folgen?<br />
Das Volk geht auf die Straße<br />
und besetzt die Plätze:<br />
Kifaya - es reicht! Manchmal<br />
solidarisieren sich Polizei<br />
und Militär und alles geht<br />
ganz schnell, in anderen<br />
Fällen wird die Revolte<br />
blutig unterdrückt. Diese<br />
Länder sind dabei, den Wert<br />
von bürgerlichen Freiheiten<br />
und der Autonomie des<br />
Individuums zu entdecken,<br />
erklärt Tahar Ben Jelloun. Es<br />
ist wie der Fall einer riesigen<br />
Berliner Mauer. Nichts wird<br />
mehr sein wie zuvor, weder<br />
in der arabischen noch in<br />
der westlichen Welt.<br />
Noureddine Mejdoub<br />
L‘épopée illustreée de la<br />
Tunisie – The illustrated<br />
history of Tunisia<br />
Verlag Dar Ismailia<br />
Foto: Fremdenverkehrsamt Tunesien<br />
Farbenfrohe Souvenirs in einem Souk auf<br />
Djerba<br />
Die Geschichte Tunesiens<br />
hat ein Volk geformt, das<br />
heute in der arabisch-muslimischen<br />
Welt heraussticht.<br />
Dieses Buch möchte einen<br />
Überblick dieser Geschichte<br />
geben: mit einem prägnanten<br />
und sachlichen Text,<br />
aber vor allem mit Illustrationen,<br />
die alle Perioden<br />
der Geschichte beinhalten<br />
und oft mehr über die Geschichte<br />
aussagen als bloße<br />
Worte. In französischer<br />
und englischer Sprache<br />
geschrieben, ist dieses Buch<br />
zugleich informativ und<br />
unterhaltend.<br />
<strong>Society</strong> 1_<strong>2012</strong> | 39