Society 361 / 2012
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Tunesien<br />
Tourismus<br />
Tunesien: Gestern –<br />
heute – morgen<br />
Interview mit dem Direktor des tunesischen<br />
Fremdenverkehrsbüros Mohamad Boujdaria über<br />
wachsende Touristenzahlen und die Wende zum<br />
Luxustourismus.<br />
Interview: <strong>Society</strong><br />
»Wir gehen davon<br />
aus, dass<br />
wir Ende des<br />
Jahres <strong>2012</strong><br />
wieder am<br />
Niveau von<br />
2010 sein<br />
werden.<br />
«<br />
Mohamad<br />
Boujdaria<br />
Welchen wirtschaftlichen<br />
Stellenwert hat<br />
der Tourismus für Tunesien?<br />
Der Tourismus stellt<br />
ca. sieben Prozent des<br />
BIP dar. Ungefähr 400.000 Menschen sind direkt<br />
oder indirekt im Tourismus beschäftigt. Der Tourismus<br />
ist insofern der zweitwichtigste Exportwirtschaftszweig<br />
nach der Landwirtschaft, er<br />
bringt nämlich drei Milliarden Dinar, was 1,5 Milliarden<br />
Euro entspricht.<br />
Wie hat sich der Arabische Frühling auf<br />
den Tourismus ausgewirkt?<br />
Der Einfluss war natürlich katastrophal. In Ziffern<br />
ausgedrückt bedeutet das rund fünfzig Prozent<br />
Rückgang in den Tourismuszahlen, konkret<br />
für Österreich: 2011 sind 25.000 Touristen nach<br />
Tunesien gereist, 2010 waren es noch doppelt so<br />
viele. Die Entwicklung zeigt aber eine steigende<br />
Tendenz und wir gehen davon aus, dass wir Ende<br />
des Jahres <strong>2012</strong> wieder am Niveau von 2010 sind.<br />
Für uns ist das unter anderem messbar an den<br />
größten Reiseveranstaltern Österreichs, die komplett<br />
ausgebucht sind und Zusatzflüge einschieben<br />
müssen. Die Meinung der Menschen und der<br />
Medien wird wieder eine bessere. Entscheidend<br />
ist, dass sich die Situation im Land nach so kurzer<br />
Zeit wieder stabilisiert hat.<br />
Wie sicher ist die Situation für Touristen in<br />
Tunesien gerade?<br />
Tatsache ist, dass seit 14. Jänner des vorherigen<br />
Jahres nie ein Tourist zu Schaden gekommen ist.<br />
Die Sicherheit von Touristen war zu keinem Zeitpunkt<br />
beeinträchtigt. Wir selbst haben dafür gesorgt,<br />
dass Medien von Jänner bis jetzt zweimal<br />
pro Monat kreuz und quer durch Tunesien reisen<br />
und sich selbst davon überzeugen konnten, dass<br />
die Sicherheit für Touristen und die Bevölkerung<br />
absolut gewährleistet ist.<br />
Wie gut ist Tunis touristisch erschlossen?<br />
In Tunis ist hauptsächlich von Kongresstourismus<br />
die Rede, aber es entwickelt sich auf jeden<br />
Fall zu einer sehr interessanten Destination für<br />
Kulturtourismus, z. B. als „Wochenende in Tunis“.<br />
So wie jede Hauptstadt hat auch Tunis von allem<br />
etwas: die Altstadt mit einer Medina aus dem 9.<br />
Jahrhundert und der moderne Teil, mit Architektur<br />
aus der französischen Kolonialzeit. Sehr<br />
schöne Bauwerke auf der Prunkstraße „avenue<br />
Bourghiba“. All das macht Tunis zu einer sehr attraktiven<br />
Städtedestination.<br />
Neben dem „All-Inclusive“-Tourismus gibt<br />
es nun auch Luxusprojekte wie den Yachthafen<br />
„Marina Bizerte“ und kulturelle Veranstaltungen<br />
wie „Jazz á Carthage“. Wieso liegt das<br />
Augenmerk verstärkt auf dieser Nische?<br />
Es soll eine Wende in Richtung „nachhaltigem<br />
Tourismus für anspruchsvolle Gäste“ eingeleitet<br />
werden. Leider hat Tunesien bisher zu sehr auf<br />
den günstigen „All-Inclusive-Tourismus“ gebaut.<br />
Diese Form des Tourismus bringt zwar viele Besucher,<br />
die jedoch sehr wenig Geld in Tunesien<br />
lassen. Der Trend geht zu mehr Qualität, wobei<br />
das Preis-Leistungsverhältnis sowohl für den Kunden<br />
als auch für den tunesischen Hotelier passen<br />
muss. Besonderen Schwerpunkt legt man dabei<br />
auf hochwertige Gastronomie, exzellenten Service<br />
und ein attraktives Freizeitangebot. Mit Produkten<br />
wie Golf und Thalasso versucht Tunesien<br />
schon seit einigen Jahren zu punkten. Der neue<br />
Tourismusminister Elyas Fakhfakh plant weitere<br />
zehn Golfplätze in den kommenden Jahren und<br />
setzt auf intensive Verbesserung der touristischen<br />
Infrastrukturen im ganzen Land. So entstehen<br />
jetzt z. B. Ökoresorts, wie das „Ksar Ezzit“ wo man<br />
landestypisch wohnen kann und mit tunesischen<br />
Bio-Produkten verwöhnt wird. Auch gibt es immer<br />
mehr Privatunterkünfte, die eine individuelle Klientel<br />
ansprechen und somit eine Alternative zum<br />
Pauschaltourismus bieten. Auf diesem Weg soll<br />
auch das Landesinnere Tunesiens entdeckt werden<br />
und den auch den weniger bekannten Regionen<br />
Devisen einbringen.<br />
<br />
Curriculum<br />
Vitae<br />
Mohamad Boujdaria<br />
Geb. am 20. Februar 1966<br />
in Kairouan<br />
Verheiratet, 2 Töchter<br />
1994: Universität Tunis -<br />
Studium „Wirtschaft und<br />
internationale Beziehungen“<br />
1994-1999: ONTT Tunis<br />
Département Marketing et<br />
Communication (Tunis)<br />
1999-2002 : Stellvertretender<br />
Direktor ONTT Zurich<br />
(Schweiz)<br />
2002-2004 : Direktor ONTT<br />
Zurich (Schweiz)<br />
2004-2009: Tourismusdirektor<br />
für die Region Mahdia<br />
(Tunesien)<br />
2009-2011: Direktor ONTT<br />
Frankfurt (Deutschland)<br />
Seit Oktober 2011: Direktor<br />
ONTT Wien (Österreich) für<br />
Österreich, Ungarn, Serbien,<br />
Kroatien und Slowenien<br />
<strong>Society</strong> 1_<strong>2012</strong> | 53