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18 * <strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 14 · D onnerstag, 17. Januar 2019<br />
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Sport<br />
Vorbild an Einsatzfreude: Vedad Ibisevic muss sich nicht groß machen, damit die jungen Hertha-Spieler zu ihm aufschauen.<br />
OTTMAR WINTER<br />
Phänomen in Schwarz<br />
Vedad Ibisevic ist bei Hertha die unumstrittene Führungskraft. Doch seine Leistungen wecken Begehrlichkeiten. Ob er in Berlin bleibt, wird sich bald entscheiden<br />
VonPatrick Berger<br />
Ein schwarzes Outfit zu tragen,<br />
ist nicht jedermanns<br />
Sache. Die Gefahr, zusehr<br />
wie ein Türsteher oder Kellner<br />
auszusehen, ist groß. Vedad Ibisevic<br />
aber kann es. Der Bundesligaprofi<br />
in Diensten von Hertha BSC<br />
könnte mit seinem Outfit, in dem er<br />
am Mittwochmittag aus seinem weißen<br />
Porsche 911 aussteigt, auf der<br />
Fashion Week erscheinen: schwarzer<br />
Pullover mit Reißverschlüssen an<br />
den Schulterblättern, schwarze<br />
Stoffhose, schwarze Ledersneaker<br />
mit weißer,dicker Sohle.Schwarzist<br />
„edgy, raffiniert, zeitlos, mutig und<br />
einfach unersetzlich“, wie das renommierte<br />
Männer-Modemagazin<br />
GQ mit Hinblick auf die diesjährige<br />
<strong>Berliner</strong> Modewoche schreibt. So<br />
wird der Fashion-Trend „All Black<br />
Everything“, der aus den USA übergeschwappt<br />
ist, sicherlich auch in<br />
diesen Tagen auf den Laufstegen der<br />
Hauptstadt zur Schau gestellt.<br />
BeiIbisevic ist der Trend auch angekommen.<br />
Gut gelaunt nimmt der<br />
bosnische Torjäger also in „All Black<br />
Everything“ auf der schwarzen Ledercouch<br />
in der Loge der Geschäftsstelle<br />
vonHertha BSC Platz.„Gemütlich<br />
hier“, sagt der Stürmer und<br />
huscht mit den Augen durch den stilvoll<br />
eingerichteten Raum, „und vor<br />
allem ist es warm.“ Draußen pfeift<br />
der Wind. Mit Hertha bereitet sich<br />
der Stürmer in diesen Tagen auf den<br />
Rückrundenstart amSonntag beim<br />
1. FC Nürnberg vor (15.30 Uhr). Ibisevic<br />
kennt das Prozedere, die zähe<br />
Vorbereitung im Winter, schließlich<br />
ist er seit nunmehr 14 Jahren Profifußballer.<br />
Bei den Blau-Weißen ist der 83-<br />
fache, frühere bosnische Nationalspieler<br />
in den vergangenen dreieinhalb<br />
Jahren zur unumstrittenen<br />
Führungskraft gereift, schoss in dieser<br />
Saison schon acht Pflichtspieltore.<br />
„Ich hätte das eine oder andere<br />
Tormehr machen können“, sagt Ibisevic<br />
selbstkritisch. Er sei persönlich<br />
aber zufrieden. „Ich habe zweimal<br />
im Pokal getroffen und in der Liga<br />
mit sechs Toreneine gute Ausbeute –<br />
das passt.“<br />
Sein Trainer Pal Dardai unterstreicht<br />
die Wichtigkeit seines 34<br />
Jahre alten Stürmers: „Vedad ist ein<br />
Vorbild, einer, zudem vor allem die<br />
jüngeren Spieler aufschauen.“ Doch:<br />
Wie lange bleibt dieser Ibisevic, das<br />
Sturmphänomen, noch bei Hertha?<br />
Zum 30. Juni läuft das Arbeitspapier<br />
des mit 116 Treffern hinter Claudio<br />
Pizarro (194), Robert Lewandowski<br />
(190) und Giovane Elber (133) viertbesten<br />
ausländischen Bundesligaspielers<br />
aus.Geht es nach ihm, kann<br />
er sich eine weitere Zeit in Deutschland<br />
vorstellen. „Wenn man meine<br />
Karriere betrachtet“, sagt Ibisevic,<br />
„ist die Bundesliga schon meine<br />
Lieblingsliga. Es ist das Beste,was es<br />
im Fußball gibt. So lange es körperlich<br />
geht, ist es eine Sache, die mich<br />
reizt und mir jede Woche Adrenalin<br />
gibt. Darauf stehe ich.“<br />
304 Spiele hat Ibisevic für Hoffenheim,<br />
Stuttgartund Hertha im deutschen<br />
Oberhaus gemacht. Für Berlin<br />
lief er seit 2015 in 102 Bundesligaspielen<br />
auf, traf 34 Mal. Gründe genug,<br />
weshalb in diesen Tagen schon<br />
viele Klubs ihr Interesse an Ibisevic<br />
hinterlegt haben, darunter Vereine<br />
aus der amerikanisch-kanadischen<br />
Major League Soccer (MLS).<br />
Ibisevic hat eine besondere Beziehung<br />
zur USA. Als Flüchtlingskind<br />
„Die nächsten Jahre kann ich mir vorstellen,<br />
in Berlin zu bleiben. Aber es kann durchaus<br />
alles passieren. Es muss passen und auch<br />
für meine Familie akzeptabel sein.“<br />
Vedad Ibisevic und sein Berater stehen vor Vertragsgesprächen mit Hertha-Manager<br />
Michael Preetz, in denen sich der Verbleib des 34-Jährigen in Berlin klären soll.<br />
floh der in Vlasenica geborene Fußballer<br />
im Jahr 2000 aus dem bosnischen<br />
Bürgerkrieg nach St. Louis.<br />
Seine Schwester ist bis heute in Mississippi<br />
geblieben, die Eltern leben<br />
teils dort, teils in Bosnien. In den<br />
Staaten spielte Ibisevic, der auch die<br />
amerikanische Staatsbürgerschaft<br />
besitzt, im College, unter anderem<br />
für das Nachwuchsteam von Chi-<br />
cago Fire. Ein Grund, weshalb der<br />
Klub von Bastian Schweinsteiger,<br />
Weltmeister von 2014, nun ein Auge<br />
auf Herthas Oldie geworfen hat.<br />
Natürlich sei Ibisevic auch mit<br />
Blick auf seine Lebensgeschichte ein<br />
interessanter Spieler für Fire, sagt ein<br />
Sprecher auf Nachfrage, man gebe<br />
aber keine Kommentare zuSpielern<br />
ab,die man nicht unterVertraghabe.<br />
Ibisevic selbst sagt über einen Wechsel<br />
nach Übersee: „Ganz so weit ist<br />
der Gedanke nicht. Aber das ist jetzt<br />
auch nicht unbedingt der Wunsch.<br />
Es muss nicht passieren.Wenn ich irgendwann<br />
meine Karriere beende<br />
und nicht in der MLS gespielt habe,<br />
werde ich nicht traurig sein. Die<br />
nächsten Jahrekann ich mir vorstellen,<br />
in Berlin zu bleiben. Aber es<br />
kann durchaus alles passieren. Es<br />
muss passen und auch für meine Familie<br />
akzeptabel sein.“ Unddie fühlt<br />
sich in der Hauptstadt wohl. Ibisevic<br />
hat für sich, Frau Zerina, Sohn Ismail<br />
und Töchterchen Zejna im Westen<br />
der Stadt ein Haus gekauft. „Von daher<br />
kann es sein, dass ich hier auch<br />
weiter Fußball spiele.“<br />
Ende Januar sollen die Gespräche<br />
zwischen Ibisevics-Berater Andreas<br />
Sadlo und Hertha konkreter werden.<br />
Manager Michael Preetz sagt: „Wir<br />
werden demnächst mit unseren<br />
Jungs, vor allem mit den erfahrenen<br />
Spielern, reden und uns ihre Ideen<br />
anhören. Dann gleichen wir die Vorstellungen<br />
ab und sehen weiter.“<br />
Ibisevic müsste in Berlin allerdings<br />
Abstriche seines üppigen Jahressalärs<br />
machen; vondreiMio Euro<br />
ist die Rede. Klar ist für ihn, dass die<br />
Zeit nach diesem Sommer noch<br />
lange nicht vorbei ist.„Ich finde,dass<br />
ein Karriereende zu früh wäre. Ich<br />
fühle mich gut, bin fit. Ichkann alles<br />
noch machen, was ich bis jetzt gemacht<br />
habe –ich muss nur danach<br />
etwas länger schlafen. Aber das<br />
passt, die Zeit habe ich.“<br />
Und soist dieser Ibisevic im gereiften<br />
Alter auch einer der wenigen<br />
Spieler, die auch mal was gegen den<br />
Trainer sagen dürfen. Angesprochen<br />
auf die Diskussion, ob Hertha nun<br />
mit Doppelspitze oder nur einem<br />
Stürmer spielen soll, sagt er:„Es hilft<br />
nicht, wenn wir ständig wechseln.<br />
Wir müssen schon ein paar Spiele<br />
mit einem System machen, damit<br />
sich alle darauf einstellen können.<br />
Wenn man mit zwei Spitzen spielen<br />
will, braucht man viel Eingewöhnungszeit.<br />
Das würde helfen.“ Er<br />
darfdas sagen, das 34 Jahrealte Phänomen<br />
vonHertha BSC.<br />
Fan gewinnt<br />
Die Bundesliga hat nach zwei Schritten rückwärts in der Vorsaison nun in der ersten Halbserie einen nach vorne gemacht, aber reicht die Qualität schon für das ganz hohe Niveau?<br />
VonFrank Hellmann, Frankfurta.M.<br />
Joachim Löw überlegte eine ganze<br />
Weile. Voreilig wollte der Bundestrainer<br />
auf keinen Fall antworten.<br />
Hat die Bundesliga ihreTalsohle bereits<br />
durchschritten, nur weil einige<br />
Teams sich wieder offensiveren Fußball<br />
auf die Fahnen geschrieben haben?<br />
Solch eine Schwarz-Weiß-<br />
Denke passt nicht zu dem Südbadener,der<br />
sich deshalb beim Neujahrsempfang<br />
der Deutschen Fußball<br />
Liga (DFL) am Dienstag zu keinen<br />
voreiligen Schlüssen zum Rückrundenstart<br />
verleiten ließ. „Teils, teils“,<br />
lautete Löws Diagnose zur These,ob<br />
die Vereine wieder mutiger geworden<br />
seien. „Bei einigen steht die Arbeit<br />
gegen den Ball weiter im Vordergrund.“<br />
Dieallerdings sind wie im Fall FC<br />
Schalke 04 böse abgeschmiert, während<br />
Eintracht Frankfurt national<br />
wie international mit einem offensivenAnsatz<br />
überrascht hat, den auch<br />
der Bundestrainer erfreut zur Kenntnis<br />
nahm. „Fußballerisch überzeugt“,<br />
sagte Löw, habe ansonsten<br />
zuvorderst Borussia Dortmund,<br />
„aber sie müssen über die gesamte<br />
Saison konstant sein.“ Hieraus leitet<br />
sich für den obersten Fußballlehrer<br />
ab, dass an der Tabellenspitze trotz<br />
des Dortmunder Sechs-Punkte-Vorsprungs<br />
noch alles offen lässt. Denn:<br />
„Die Bayern sind es gewohnt, mal einen<br />
Gegner vorne unter Druck zu<br />
setzen. Siewerden sich auf die Fahne<br />
geschrieben haben, voll anzugreifen.“<br />
Lackmustest für die Vereine<br />
Wasden meisten vor dem Start der<br />
Rückrunde, die mit dem Duell TSG<br />
Hoffenheim 1899 gegen den FC Bayern<br />
(Freitag 20.30 Uhr) eingeläutet<br />
wird, vorallem gefällt: Es gibt wieder<br />
einen Meisterschaftskampf, der diesen<br />
Namen verdient. Für die Auslandsvermarktung<br />
ist nichts schädlicher,<br />
als wenn das Titelrennen auf<br />
der Zielgeraden so verläuft wie die<br />
vergangenen fünf Jahre: nämlich<br />
gähnend langweilig. Und auf Dauer<br />
kann der Abstiegskampf nicht als Ersatz<br />
taugen.<br />
Die Spannung, ergänzte Löw<br />
noch, sei aber in erster Linie „etwas<br />
für den Fan“. Gleichwohl geht auch<br />
der 58-Jährige mit einer gewissen<br />
Vorfreude in das Übergangsjahr<br />
Hat die rosa Brille abgelegt: Joachim Löw sieht den deutschen Fußball realistisch.<br />
2019, in dem der Vereinsfußball<br />
wichtiger als die Nationalmannschaft<br />
werden dürfte. Und dem Bedeutungsverlust<br />
des deutschen Fußballs<br />
–untermauert durch das WM-<br />
Desaster der deutschen Nationalmannschaft<br />
– sind die Klubs in<br />
dieser Spielzeit schneller und entschlossener<br />
entgegengetreten als die<br />
DFB-Auswahl, die erst am 20. März<br />
gegen Serbien ihr erstes Länderspiel<br />
DPA<br />
bestreitet, ehe vier Tage später die<br />
EM-Qualifikation mit dem Klassiker<br />
in den Niederlanden startet.<br />
Bis dahin ist auch der erste echte<br />
Lackmustest für den Leistungsstand<br />
des deutschen Fußballs durch. Die<br />
Vereinsvertreter sind sich einig, dass<br />
vonden für Februar und Märzterminierten<br />
deutsch-englischen Champions<br />
League-Duellen –wenn sich<br />
der FC Bayern, Borussia Dortmund<br />
und FC Schalke im Achtelfinale mit<br />
dem FC Liverpool, Tottenham Hotspur<br />
und Manchester City messen –<br />
ein Prüfsiegel erstellt werden kann:<br />
Halten die renommiertesten Repräsentanten<br />
der Bundesliga den hochgezüchteten<br />
Gebilden aus der Premier<br />
League stand? Erfolge auf dieser<br />
schillernden Bühne wären „ein<br />
gutes Signal für den deutschen Fußball“,<br />
glaubt Löw. Ein kollektives<br />
Scheitern des Trios in der Königsklasse<br />
wäre auch durch die Europa-<br />
League-Vertreter Frankfurt (gegen<br />
Schachtjor Donezk) und Bayer Leverkusen<br />
(gegen FK Krasnodar)<br />
kaum wettzumachen.<br />
Die Ehrfurcht ist gewichen<br />
Generell scheint die Liga wieder mutiger<br />
geworden zu sein, um nach<br />
zwei Schritten rückwärts in der Vorsaison<br />
wieder einen nach vorne zu<br />
machen. Kontrahenten erstarren<br />
nicht mehr in Ehrfurcht, wenn beispielsweise<br />
die Dienstreise nach<br />
München ansteht; Leistungsträger<br />
werden auch nicht mehr geschont<br />
oder holen sich Gelb-Sperren ab,<br />
wenn es gegen die Bayern geht. Nur<br />
so konnten FC Augsburg, SC Frei-<br />
burg und sogar Fortuna Düsseldorf<br />
einen Punkt beim Rekordmeister ergattern.<br />
Und auf zwei Kennziffern kann<br />
sich die Bundesliga sowieso verlassen:<br />
DerToreschnitt (3,03) ist im Vergleich<br />
mal wieder ebenso der<br />
höchste in den europäischen Topligen<br />
wie die Besucherzahl (44 000).<br />
Wichtiger aber sind Zeichen gegen<br />
die fußballerische Armut, wie sie<br />
auch Borussia Mönchengladbach<br />
und RB Leipzig als Dritter und Vierter<br />
gesetzt haben: Wenn Fußballlehrer<br />
davon überzeugt sind, dass es<br />
eine erfolgsversprechende Formel<br />
ist, bei Ballgewinn die schnelle<br />
Flucht nach vorneanzutreten, ist der<br />
Zuschauer der Profiteur.<br />
Selbst derTabellenzehnte SVWerder<br />
steht für solch eine Ausrichtung,<br />
die nicht frei von Risiken und Nebenwirkungen<br />
ist: Als die Bremer in<br />
Leipzig nach 0:2-Rückstand zum 2:2<br />
ausgeglichen hatten, wechselte Trainer<br />
Florian Kohfeldt mit Altmeister<br />
Claudio Pizarro den nächsten Stürmer<br />
ein –und fing sich prompt den<br />
Genickschlag zum 2:3. Kohfeldt<br />
rechtfertigte sich hernach: Er habe<br />
doch gewinnen wollen.