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Develop³ Systems Engineering 01.2015

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AUS DER PRAXIS DES SYSTEMS ENGINEERINGS<br />

ANWENDUNGEN<br />

„Grundsätzlich sollte<br />

ein <strong>Systems</strong> Engineer<br />

Interesse am Ganzen<br />

haben – verbunden mit<br />

dem Bewusstsein,<br />

dass auch das Ganze<br />

an einem Detailproblem<br />

scheitern kann!“<br />

wie Anforderungs-Management, Funktions-Modellierung, logische<br />

Architektur, physische Architektur oder Integration ein.<br />

Bild: Weber<br />

Prof. Hanno Weber, Prorektor, Hochschule Pforzheim<br />

develop 3 : Deswegen ist die Dokumentation so wichtig...<br />

Weber: ...und im <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> Voraussetzung für eine erfolgreiche<br />

Entwicklung. Werden eingefahrene Prozesse hier nicht<br />

angepasst, wird es ‚schwergängig‘. Hinzu kommt: Fährt man wirklich<br />

einen systemorientierten Ansatz, verlängert sich die Anfangsphase<br />

– was für die Konstrukteure schwierig ist, da sie bereits ‚vibrieren‘<br />

und endlich loslegen wollen. Doch genau an dieser Stelle ist<br />

es enorm wichtig, zunächst zu klären, ob man das richtige Konzept<br />

verfolgt. Dazu sind die Interessen aller Beteiligten zu klären – die Stakeholder-Analyse<br />

– und anschließend die Anforderungen sauber zu<br />

dokumentieren und zu verfolgen. Etwas Ähnliches mache ich selbst<br />

auch mit meinem Prüfungssystem an der Hochschule. Auch das ist<br />

modular aufgebaut und ich kann die Konfiguration kontrollieren.<br />

develop 3 : Wie bildet denn die Hochschule Pforzheim <strong>Systems</strong><br />

Engineers aus und was ändert sich für Ingenieure?<br />

Weber: Nun – etwas flapsig formuliert, könnte man sagen, dass<br />

Konstrukteure früher Nerds waren, die sich mit Luftspalt und Toleranzen<br />

vergnügten. Darin waren sie auch sehr gut, bis zu dem<br />

Punkt, an dem ihre Lösung nicht zielführend war. Heute erwarten<br />

wir deshalb zusätzlich zu der Begeisterung für die jeweilige Disziplin,<br />

dass Ingenieure hochkommunikativ sind und zumindest der Projektleitung<br />

ihre Leistung auch ‚verkaufen‘ können. Das ist natürlich ein<br />

sehr umfangreiches Kompetenzbündel – detailverliebte Konstrukteure<br />

tun sich damit schwer, weil sie das schlicht nervtötend finden.<br />

An der Hochschule Pforzheim beginnen wir deswegen bereits in der<br />

Bachelor-Ausbildung damit, auf die Sichtweise des <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong>s<br />

hinzuarbeiten. Ein entscheidender Baustein unserer Ausbildung<br />

sind praktische Projektarbeiten in jedem Semester, gefolgt<br />

von einer interdisziplinären Projektarbeit im sechsten Semester. Aufgabe<br />

ist hier, mit Kommilitonen aus anderen Studiengängen und sogar<br />

anderen Fakultäten gemeinsam eine Lösung zu entwickeln. Im<br />

Master-Studium zum Thema Produktentwicklung verbreitern wir<br />

diesen Ansatz noch und gehen zudem auf die klassischen Themen<br />

develop 3 : Was ist denn die Voraussetzung, um erfolgreich ein<br />

<strong>Systems</strong> Engineer zu werden?<br />

Weber: Man sollte auf alle Fälle eine technische Grundausbildung<br />

mitbringen – sei es Maschinenbau, Elektrotechnik oder Informatik.<br />

Hat man hier den fachlichen Tiefgang einmal gezeigt, fördert dies<br />

die Akzeptanz im Team, selbst wenn man als Maschinenbauer dann<br />

beispielsweise nicht die letzte Programmiersprache flüssig beherrscht.<br />

Grundsätzlich sollte ein <strong>Systems</strong> Engineer zudem Interesse<br />

am Ganzen haben – verbunden mit dem Bewusstsein, dass auch<br />

das Ganze an einem Detailproblem scheitern kann! Im Gegensatz<br />

zum reinen Projektmanagement haben <strong>Systems</strong> Engineers den Anspruch,<br />

sich mit Problemen auseinanderzusetzen und eine technische<br />

Lösung zu finden – eben Technical Leadership!<br />

develop 3 : Abschließend noch die Frage mit Blick auf die Zukunft:<br />

Welche Bedeutung kommt dem <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> in<br />

den kommenden Jahren zu?<br />

Weber: Das <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> ist im Aufblühen! Das Bewusstsein<br />

hierfür entsteht inzwischen auch außerhalb der Luft- und<br />

Raumfahrt, gerade auch in den klassischen zivilen Industriefeldern<br />

wie Automobilbau, Medizintechnik, Anlagenbau, Werkzeugmaschinenbau<br />

und rund um die Agrartechnik. Nicht zuletzt zeigt das die<br />

Mitgliederkurve der GfSE mit ihrem klassischen, exponentiellen<br />

Wachstum. Ich denke, die <strong>Systems</strong>-<strong>Engineering</strong>-Kompetenz wird in<br />

Zukunft noch deutlich an Relevanz gewinnen. Produkte und Dienstleistungen<br />

werden fachlich vielschichtiger, mehr Einzeldisziplinen<br />

gefordert sein – hier ist ein interdisziplinärer Ansatz unabdingbar.<br />

Zumal die Produktentwicklung ökonomisch riskanter wird und<br />

Technologien viel schneller durch neue ersetzt werden. Zudem rücken<br />

auch Folgen für die Gesellschaft in den Fokus – eine Aufgabe,<br />

die wir unseren Studenten mitgeben. Man kann heute nicht mehr<br />

beliebige Verbrennungsmaschinen konzipieren, ohne sich über den<br />

CO 2<br />

-Ausstoß Gedanken zu machen. Gleiches gilt für den Einsatz von<br />

Materialien wie Seltenen Erden. Unternehmen, die das ausblenden,<br />

werden ein Problem bekommen.<br />

develop 3 : Prof. Weber, vielen Dank für die interessanten Ein -<br />

blicke zum Thema <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong>.<br />

Hinweis: Prof. Hanno Weber leitete anlässlich des GfSE-Workshops in<br />

Hannover (siehe Bericht S. 34ff) den Workshop zum Thema Deutsches<br />

Handbuch für das <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong>. Gesucht werden hier noch interessierte<br />

Co-Autoren sowie anschauliche Beispiele aus der Praxis. Die<br />

Kontaktdaten finden sich im Kasten.<br />

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