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Eine Publikation des Deutschen Symphonie-Orchesters Berlin |dso-berlin.de<br />
Unisono für Vielfalt –<br />
Konzert für eine offene<br />
Gesellschaft am 24.03.<br />
InnovationsmotorAvantgarde<br />
Karina Canellakis und Pekka Kuusisto am 30.03.<br />
Erstmals in ihrer Geschichte schließen sich sieben<br />
große <strong>Berliner</strong> Orchester zusammen, um ein Konzert<br />
für eine offene und diverse Gesellschaft zu geben.<br />
Am 24. März um 16 Uhr spielen Musikerinnen und<br />
Musiker der <strong>Berliner</strong> Philharmoniker, der Staatskapelle<br />
Berlin, des Deutschen Symphonie-Orchesters<br />
Berlin, des Rundfunk-Sinfonieorchesters Berlin,<br />
des Konzerthausorchesters Berlin, des Orchesters<br />
der Deutschen Oper Berlin und des Orchesters der<br />
Komischen Oper Berlin unter dem Motto ›Unisono<br />
für Vielfalt –Konzert für eine offene Gesellschaft‹<br />
gemeinsam im Konzerthaus Berlin. Am Pult wird die<br />
Dirigentin Marie Jacquot zuerleben sein –die im<br />
vergangenen Oktober ihr ›Debüt im Deutschlandfunk<br />
Kultur‹ beim DSO gegeben hat. Durch das Konzert<br />
führt der Schauspieler Matthias Brandt.<br />
Das Programm reflektiertdie Vielfalt der Orchestermitglieder<br />
und damit auch die der Gesellschaft:mit Kompositionen<br />
unter anderem aus der Türkei, Tschechien,<br />
Argentinien, Japan, Deutschland, Frankreich, Italien<br />
oder Spanien, von Johannes Brahms’ ›Ungarischen<br />
Tänze‹ über Paul Dukas’ ›La Péri‹ und Astor Piazzollas<br />
›Libertango‹ bis hin zu Tōru Takemitsus ›Signals from<br />
Heaven‹ und Ulvi Cemâl Erkins ›Köçekce‹-Suite. Die<br />
Orchester plädieren auf diesem Weg für Respekt und<br />
Toleranz, für Vielfalt nicht nur in den eigenen Reihen,<br />
sondern in der bundesdeutschen Gesellschaft.<br />
Unisono|Canellakis<br />
Die sieben großen <strong>Berliner</strong> Orchester verstehen sich<br />
als Sinnbild für die Vielfalt in dieser Gesellschaft.Auf<br />
die Verankerung im Kulturleben der Bundesrepublik<br />
Deutschland verweisen schon einigeNamen dieser aus<br />
öffentlichen Mitteln finanzierten Ensembles: Deutsches<br />
Symphonie-Orchester Berlin oder Orchester der<br />
Deutschen Oper Berlin. Zugleich gibt es wohl kaum<br />
Gruppen, die diverser und internationaler sind als die<br />
großen <strong>Berliner</strong> Klangkörper. Die Wurzeln ihrer Mitglieder<br />
reichen indie ganze Welt, etwa nach China<br />
und Südkorea, auf die arabische Halbinsel, in die USA,<br />
nach Südamerika, Russland, Australien und in viele<br />
europäische Länder. Das Projekt, das Musikerinnen<br />
und Musiker des Orchesters der Komischen Oper Berlin<br />
ins Leben gerufenhaben, wird vonden beteiligtenOrchestermitgliedern<br />
als Gemeinschaftsprojekt getragen<br />
und organisiert. Alle Einnahmen des Konzerts fließen<br />
einem gemeinnützigen Zweck zu. Mehr unter dsoberlin.de/unisono<br />
Paul Dukas Fanfare zum Ballett ›La Péri‹<br />
Ulvi Cemal Erkin Suite ›Köçekce‹<br />
Toru Takemitsu Fanfare Nr. 1›Day Signal‹ aus<br />
›Signals from Heaven‹<br />
Johannes Brahms Ungarischer Tanz Nr.1g-Moll<br />
Astor Piazzolla ›Libertango‹, bearbeitet für Orchester<br />
Arturo Márquez Danzón Nr. 2<br />
Charles Ives ›The Unanswered Question‹<br />
Maurice Ravel ›Alborada del gracioso‹<br />
MARIE JACQUOT<br />
Mitglieder der sieben großen <strong>Berliner</strong> Orchester<br />
Matthias Brandt Moderation<br />
So 24. März<br />
16 Uhr<br />
Konzerthaus<br />
Karten zu 8€|5€Schüler und Studenten (nur Abendkasse)<br />
Eine der erstaunlichsten Gestalten der Neuen Musik war<br />
György Ligeti: ein kühner Erneuerer des musikalischen Materials,<br />
ein zäher Tüftler rhythmisch-mikrotonaler Strukturen,<br />
ein Traditionalist, der sich an der Innovationskraft<br />
später Beethoven-Quartette berauschen konnte. Schon die<br />
Herkunft des Komponisten legt nahe, dass hier Widersprüche<br />
auszuhalten waren: Sein Geburtsort Cluj (Klausenburg)<br />
gehörte mal zuUngarn, mal zu Rumänien, ohnehin war das<br />
siebenbürgische Gebiet deutsch besiedelt, und aufgrund<br />
seiner jüdischen Abstammung wurde dem jungen Ligeti das<br />
Mathematikstudium in Budapest verweigert. Er erlebte die<br />
Nazizeit und den Stalinismus, was ihn zeitlebens zum Verächter<br />
alles Dogmatischen machte. Dementsprechend warf<br />
der 33-jährige Komponist nach seiner Flucht in den Westen<br />
1956 auch dieseriellenAvantgarde-Dogmen einfach um–mit<br />
›Atmosphères‹ erlebteerseinen Durchbruch bei den Donaueschinger<br />
Musiktagen 1961.<br />
Choral mit Okarinas<br />
Fortan galt er als Mitschöpfer des »Sonorismus«, der bewegten,<br />
sich unmerklich verändernden Klangflächen, in denen<br />
zuweilen dasgesamte chromatischeTotal erklingt.DochLigeti<br />
blieb dabei nicht stehen. Fantasie und Intelligenz, vor allem<br />
auch Witz und Humor sichern seinen Werken unmittelbare<br />
Zugänglichkeit –was bald zum Vorwurf des Verrats an der<br />
Avantgarde führte. Das Violinkonzert inseiner Endfassung<br />
von 1992 bündelt Elemente der gesamten Musikgeschichte,<br />
beginnt mit einem Schwirren und Schweben, als würde das<br />
Orchester erst gestimmt.Der Solopart, den am 30. März der<br />
finnische Geiger Pekka Kuusistogestaltet,ist bei aller Virtuosität<br />
oft in den Gesamtklang eingebettet; oft ist der Violine<br />
eine Soloviola beigesellt –beide in ihrer Stimmung an den<br />
Naturtönen des Kontrabasses orientiert. Der›Aria,Hoquetus,<br />
Choral‹ überschriebene zweiteSatz bezieht sich auf schon im<br />
Mittelalter entwickelte Formen und Satztechniken, zugleich<br />
ist seine Melodik vonungarischer Volksmusik abgeleitet.Der<br />
Choral wird von vier Okarinas gespielt, kleinen, kugelförmigen<br />
Blasinstrumenten aus Tonoder Keramik, die schon<br />
die Inkas und Azteken benutzten –Klänge wie aus einer<br />
anderen Welt. Fremd-vertraute Eindrücke bestimmen auch<br />
die drei sich anschließenden Sätze, teils von dramatischer<br />
Ausdruckskraft.<br />
Erfindungsreichtum und Emotion<br />
Für ihr Debüt beim DSO stellt die US-amerikanische Dirigentin<br />
Karina Canellakis S. 3 dem Ligeti-KonzertBéla Bartóks<br />
»Konzert für Orchester« gegenüber. Der junge Ligeti griff<br />
den folkloristisch gefärbten Stil Bartóks auf; die wirbelnde<br />
Motorik des Finales seines Violinkonzerts erinnert noch<br />
stark daran. Wie Bartók, der die ungarische Bauernmusik<br />
erforschte, gewann Ligeti zunehmend seine Inspiration aus<br />
der Beschäftigung mit außereuropäischen Tonsystemen.<br />
Bartók schrieb das »Konzert«, eine seiner bekanntesten und<br />
beliebtesten Kompositionen, 1943 als Auftragswerk für Serge<br />
Koussevitzky, der ihn damit in seiner verzweifelten finanziellen<br />
Lagenach der Emigration in die USAunterstützen wollte.<br />
Mit welcher Kunstfertigkeit Bartókdieses Werk, eines seiner<br />
letzten, verfasste, belegt spektakulär derzweiteSatz, ›Giuoco<br />
delle coppie‹ (Spiel der Paare). Nacheinander betreten Fagotte,<br />
Oboen, Klarinetten und Flöten die instrumentale Bühne,<br />
in jeweils verkleinertemIntervallabstand, bis die Trompeten<br />
zum Schluss ironisch-dissonante Sekunden beisteuern. Doch<br />
auch die ›Elegie‹ oder das ›Intermezzointerrotto‹ faszinieren<br />
»Meine eigentliche Idee ist die<br />
Verbrüderung der Völker.<br />
Dieser Idee versuche ich in meiner<br />
Musik zu dienen.« Béla Bartók<br />
durch ihren Reichtum an Erfindungskraft und Emotion –die<br />
schmerzvolle, nostalgische Grundstimmung weicht erst im<br />
Finale, das sich wiederum der Folklore der verlorenen ungarischen<br />
Heimat zuwendet.<br />
Gegenüber Ligetis und Bartóks verwandten kompositorischen<br />
Ansätzen steht Antonín Dvořáks Symphonische Dichtung<br />
›Die Mittagshexe‹eher in der klassischen deutschen Tradition<br />
àlaBeethoven und Brahms. Doch auch Dvořáks Spätwerk<br />
bezieht sich auf Motive seiner tschechischen Heimat: Dem<br />
unartigen Kind droht die Mutter mit der Mittagshexe, die<br />
auch prompt erscheint –schwarzePädagogik vomFeinsten,<br />
gruselig und erschütternd.<br />
ISABEL HERZFELD<br />
Antonín Dvořák ›Die Mittagshexe‹<br />
György Ligeti Violinkonzert<br />
Béla Bartók Konzert für Orchester<br />
KARINA CANELLAKIS<br />
Pekka Kuusisto Violine<br />
Sa 30. März<br />
20 Uhr | 18.55 Uhr Einführung<br />
Philharmonie<br />
Karten von 20 €bis 63 €|AboPlus-Preis ab 17 €