world of mtb Magazin AllMountain & Tour 2019
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
NATURSCHUTZ KARWENDEL<br />
Im Gespräch mit einem Ranger des Naturpark Karwendel<br />
DAS KARWENDEL LIEGT ZUM GRÖSSTEN TEIL IN TIROL, ZU EINEM KLEINEN IN BAYERN. BEIDE TEILE STEHEN UNTER<br />
NATURSCHUTZ UND GEHEN AUF EINES DER ÄLTESTEN SCHUTZGEBIETE DER OSTALPEN ZURÜCK. NATURSCHUTZ UND<br />
MOUNTAINBIKEN – UND DAZU NOCH IN TIROL, WO MOUNTAINBIKEN ZUNÄCHST EINMAL ÜBERALL DORT VERBOTEN IST,<br />
WO ES NICHT AUSDRÜCKLICH ERLAUBT IST: WIE GEHT DAS ZUSAMMEN? WIR HABEN MIT DEM BIOLOGEN UND<br />
NATURPARK-RANGER SEBASTIAN PILLONI GESPROCHEN.<br />
Wer schon mal im Karwendel unterwegs war,<br />
wird es bestätigen: Die Wildheit und Schönheit<br />
der Berge überwältigen jedes Mal aufs Neue.<br />
Mächtige Wände aus Kalkgestein ragen in den<br />
Himmel, in tieferen Lagen dehnen sich naturnahe-<br />
Bergwälder aus. In der Talsohle bahnt<br />
sich der Rißbach seinen Weg und hinterlässt<br />
breite, mit Schwemmholz bedeckte Kiesbänke.<br />
Kein Wunder, dass viele Mountainbiker<br />
ihren Alpencross mit einer Etappe durch den<br />
Naturpark starten.<br />
Sebastian, was bedeutet die Schutzkategorie<br />
„Naturpark“?<br />
Der Naturpark besteht aus verschiedenen<br />
Schutzgebieten, genauer gesagt Naturschutzgebieten,<br />
Landschaftsschutzgebieten und Ruhegebieten.<br />
Diese Schutzgebiete wurden unter<br />
dem Namen Naturpark zusammengefasst.<br />
Das hat eine Vereinsgründung (Trägerverein<br />
Naturpark Karwendel, Anm. d. Red.) mit<br />
einem Geschäftsführer ermöglicht, der für die<br />
Belange des Naturparks zuständig ist. Wir sind<br />
ein kleines Team, das sich um das Management<br />
der vielen Naturschutzgebiete kümmert.<br />
Der gesamte Naturpark ist außerdem als Natura<br />
2000-Gebiet Teil des europäischen Netzes<br />
von Schutzgebieten und das ist sozusagen<br />
eine On Top-Klassifizierung.<br />
Und was macht ihn so besonders?<br />
Das komplette Gebiet umfasst knapp 900<br />
Quadratkilometer. Innerhalb dieser Fläche gibt<br />
es nur ein einziges Dorf, Hinterriß. Das sind<br />
rund 40 Leute, die dort das gesamte Jahr über<br />
wohnen. Und das ist in Europa sehr selten. Es<br />
gibt nicht viele Gebiete, in denen keine Besiedelung<br />
zustande gekommen ist. Wenn du mal<br />
im Karwendel warst und dich um 360 Grad im<br />
Kreis gedreht hast, kannst du dir schnell vorstellen,<br />
wo man wohnen kann und wo nicht.<br />
Da sind die steilen, kalkhaltigen Gebirgsstöcke,<br />
die sehr unwegsam sind, vor allem im<br />
Winter. Da sind einfach diese engen Taleingänge<br />
und viel unerreichbares Gelände.<br />
Diese West-Ost-Gebirgszüge, die wir im<br />
Karwendel haben, die haben eine natürliche<br />
Barriere geschaffen und dieses Gebiet auch<br />
sehr einsam gemacht. Wobei wir natürlich<br />
auch Almbetrieb haben, Schutzhütten, Wander-<br />
und Forstwege. Im Sommer sind da schon<br />
sehr viele Leute unterwegs. Aber wenn wir von<br />
einer Dauerbesiedelung sprechen, haben wir<br />
wirklich nur Hinterriß. Auch der Rißbach und<br />
die obere Isar auf Tiroler Seite sind so gut wie<br />
unberührt. Das ist auch eine Einzigartigkeit,<br />
die in den Alpen nur noch sehr selten so zu<br />
finden ist.<br />
Grundsätzlich ist das ja etwas Positives:<br />
Menschen gehen in die Natur und mit dem<br />
Bike lassen sich die Berge auf relativ sanfte<br />
Weise erleben. Oder? Vor welchen Herausforderungen<br />
steht ihr aus Naturschutzsicht?<br />
Generell ist das Karwendel in den Sommermonaten<br />
sehr, sehr gut besucht. Was auch<br />
wieder zeigt, wie beliebt dieses Gebiet ist. Und<br />
eben extrem nahe an den Ballungszentren,<br />
dem Inntal und der Stadt München. Für uns<br />
ist es schon gewissermaßen eine Herausforderung,<br />
aber eigentlich ist die Gesetzeslage in<br />
Tirol recht gut definiert. Was viele Leute, die<br />
von deutscher Seite herkommen, nicht wissen,<br />
ist, dass in Tirol das Fahrradfahren eigentlich<br />
auf Forst- und Wanderwegen verboten ist.<br />
Es gibt aber auf der Internetseite „Bergwelt<br />
miteinander“ von der Gruppe Forst der Tiroler<br />
Landesregierung eine Übersicht, wo man<br />
sieht, welche Fahrradwege auch im Karwendel<br />
zu nutzen sind. Es gibt ein sehr, sehr gut erschlossenes<br />
Fahrrad- und Wegenetz; in Tirol<br />
sind es 5.900 Kilometer, die man auf freigegebenen<br />
Wegen zurücklegen kann. Der Vorteil ist<br />
auch, dass diese Wege gut gewartet werden.<br />
Im Karwendel sind nur wenige Singletrails<br />
unter den freigegebenen Wegen. Aus welchem<br />
Grund?<br />
Nun, in Tirol hat das auch Versicherungsgründe.<br />
Der Grundbesitzer ist zuständig für die<br />
Wegeerhaltung und haftet, wenn sich jemand<br />
auf seinem Grund verletzt. Damit man auch im<br />
Gelände mountainbiken kann, hat das Land<br />
Tirol Versicherungen entwickelt, die das Land<br />
dann für die Grundbesitzer und Erhalter zahlt.<br />
Generell ist es sicherlich so, dass wir gerade<br />
im Karwendel weniger freigegebene Singletrails<br />
haben, aber trotzdem sind es etliche Kilometer,<br />
die man befahren kann.<br />
Ich verbinde selbst gerne Biketouren mit<br />
einem Gipfelerlebnis, trage das Rad gegebenenfalls<br />
bergauf, um anschließend auf dem<br />
Pfad, auf dem ich aufgestiegen bin, wieder<br />
runterzufahren. Wie siehst du das als Naturpark-Ranger<br />
und im Hinblick auf den Naturschutz?<br />
Wenn wir speziell vom Naturschutzgebiet sprechen,<br />
ist das wirklich sehr kritisch zu sehen.<br />
Weil, ob man will oder nicht: Ein Mountainbike<br />
ist einfach trotz allem immer noch ein selteneres<br />
Fortbewegungsmittel als es die Füße sind.<br />
Das bedeutet, dass sich so gut wie alle Tiere<br />
bei Radfahrern, die nicht auf freigegebenen<br />
Wegen unterwegs sind, gestört fühlen. Tiere<br />
gewöhnen sich sehr schnell. Aber es ist für die<br />
Tiere ein sehr großer Unterschied, mit welcher<br />
<strong>world</strong> <strong>of</strong> <strong>mtb</strong> Nº2.19 101