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world of mtb Magazin AllMountain & Tour 2019

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STRAVA<br />

» Für meine Beerdigung wünsche ich mir einen Rückblick auf mein Leben mit Strava.<br />

Eine große Heatmap, auf der meine Hometrails in dunklem rot leuchten und überall in<br />

Europa bunte Linien auftauchen, mit ein paar Ausreißern in Übersee.«<br />

In meinem Umfeld herrschen gewisse Vorurteile gegenüber<br />

Strava. Geht es nach meinen Bike-Buddies, sind<br />

Strava-Nutzer die, die Kurven schneiden und Wanderer<br />

aus dem Weg brüllen, die auf dem Trail nicht grüßen, die<br />

geheime Spots ihrem Leistungswahn opfern und die nachts<br />

einsam im Höhenzelt schlafen, während unsereins am<br />

Lagerfeuer sitzt und Bier trinkt. Mein Verein verkauft ein<br />

T-Shirt mit „Tratschen statt Strava“-Aufdruck und selbst die<br />

schnellsten Bergab-Fahrer*innen in meinem Freundeskreis<br />

betonen laut und häufig, dass sie die Zugangsdaten für ihr<br />

Strava-Pr<strong>of</strong>il schon lange vergessen haben. Klare Sache:<br />

Wer beim Mountainbike Spaß hat, benutzt Strava nicht.<br />

Wenn während einer Biketour das Gespräch auf Strava<br />

kommt, lasse ich mich deshalb immer unauffällig zurückfallen<br />

und werde ganz leise. Der Grund: Die rote App<br />

auf meinem Handy zeichnet jeden Meter auf, und am Ende<br />

der Fahrt wird die <strong>Tour</strong> in meinem Pr<strong>of</strong>i l archiviert – so wie<br />

ich es seit Dezember 2013 tue und es immer tun werde.<br />

Denn ich nutze Strava. Mir ging es dabei allerdings noch<br />

nie um Leistungssteigerung oder das Sammeln von QOMs.<br />

Mir geht es um das Sammeln an sich. Mein Strava-Pr<strong>of</strong>i l<br />

ist das Logbuch meines Mountainbikerinnen-Lebens – jeder<br />

Tiefenmeter, jedes Rennen, jede noch so verkaterte<br />

Hometrail-Runde hat darin Platz. Ich muss gestehen: Ich<br />

liebe Strava und ich kann mich davon trotz aller Datenmissbrauch-Skandale<br />

einfach nicht trennen.<br />

Natürlich gibt es mittlerweile Apps, die für das Archivieren<br />

von <strong>Tour</strong>en besser geeignet wären – vor allem, weil<br />

sie einem die Platzierung in einer Rangliste ersparen. Wer<br />

mit Strava durch ein Segment fährt, bekommt seine Zeit<br />

gnadenlos aufs Brot geschmiert. Ich habe den Verdacht,<br />

dass viele Strava nur deshalb verteufeln, weil sie den Vergleich<br />

scheuen und Angst vor bösen Erkenntnissen haben.<br />

Dabei würde das manchen vielleicht ganz guttun. Denn es<br />

lehrt, Demut zu haben: Ich muss akzeptieren, dass – egal,<br />

was ich tue! – Hielke mit ihrem Hardtail und ihrer hohen<br />

Sattelstütze selbst auf den rumpeligsten Downhill-Passagen<br />

schneller ist als ich. Ich muss damit leben, dass mir<br />

Stück für Stück alle QOMs auf meiner Lieblingsstrecke abgejagt<br />

werden und ich selbst schon lange nicht mehr an<br />

meine Bestzeiten rankomme. Strava schult den Charakter.<br />

Aber auf die Zeiten achte ich ohnehin nicht wirklich. Es<br />

<strong>world</strong> <strong>of</strong> <strong>mtb</strong> Nº2.19<br />

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