world of mtb Magazin AllMountain & Tour 2019
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KURVENREICH<br />
» Ich glaube, es ist als Ersthelfer wichtig zu verstehen:<br />
Du kannst es nur besser machen! Jeder kann gute Erste Hilfe<br />
leisten, weil das „Helfen wollen“ in uns steckt. «<br />
Was ist dir wichtig bei deinen Kursen? Was möchtest du den Teilnehmern<br />
vor allem mitgeben?<br />
Das Wichtigste in den Kursen ist für mich, den Teilnehmern zu zeigen,<br />
dass es vor allem um Menschlichkeit, Herzenswärme und Empathie<br />
geht. Im <strong>of</strong>t stressigen Alltag mit zum Teil harten Jobs tritt diese Seite<br />
in uns in den Hintergrund, weil wir das Gefühl haben oder suggeriert<br />
bekommen, dass sie eine Schwäche ist. Ich möchte zeigen und in den<br />
praxisnahen simulierten Fallbeispielen erlebbar machen, dass diese<br />
Eigenschaften eine große Stärke und Kraft besitzen.<br />
Hier ist jemand verletzt, hat Schmerzen, Angst, Sorgen, fühlt sich<br />
einsam. Allein dadurch, dass ein Ersthelfer sich zu dieser Person hinkniet,<br />
ihr in die Augen schaut und mit aufrichtigem Interesse sagt: „Ich<br />
bin jetzt da. Was ist denn passiert?“, geht für die verletzte Person die<br />
Sonne auf. Sie weiß jetzt: „Ich bin nicht mehr allein, mir wird geholfen.“<br />
Wie fantastisch ist das: Du hast noch nichts getan, außer aktiv da zu<br />
sein, und der verunfallten Person geht es schon viel besser! Ich helfe<br />
schon so lange Menschen, die sich verletzt haben oder akut erkrankt<br />
sind, aber das in ihren Gesichtern zu sehen, erfüllt mich jedes Mal<br />
wieder mit großer Demut und Freude. Ich bin überzeugt davon, wenn<br />
wir nur einen Teil von dem, was wir zwischenmenschlich in diesen Outdoor<br />
Erste Hilfe-Kursen lernen mit ins echte Leben nehmen, dann wird<br />
unsere Welt heller leuchten.<br />
Erste Hilfe steht <strong>of</strong>t in direktem Zusammenhang mit „Angst“. Wie<br />
kannst du deinen Teilnehmern hier weiterhelfen?<br />
Ich glaube, es ist als Ersthelfer wichtig zu verstehen: Du kannst es nur<br />
besser machen! Jeder kann gute Erste Hilfe leisten, weil das „Helfen<br />
wollen“ in uns steckt. Wenn jemandem kalt ist, wirst du ihm eine Jacke<br />
geben. Wenn jemand Schmerzen hat, wirst du ihm gut zureden.<br />
Wenn jemand stark blutet, wirst du irgendwie versuchen, die Blutung zu<br />
stoppen. Es ist ganz einfach. Folgst du deinem Bauchgefühl, wirst du<br />
nichts tun, was die Situation des Verletzten verschlimmert. Handelst du<br />
nach bestem Wissen und Gewissen, dann tust du das Beste, was du tun<br />
kannst; mehr kann keiner und darfst auch du nicht von dir verlangen.<br />
Angst haben ist völlig ok und auch ganz natürlich. Es ist die Frage, wie<br />
gehst du mit der Angst um: Lähmt sie dich oder fokussiert sie dich? Das<br />
üben wir in den Kursen.<br />
Sind deine Yoga-Kurse und das <strong>Tour</strong>en- und Guiding-Angebot „einfach“<br />
weitere Standbeine – oder gehört alles irgendwie zusammen?<br />
Ich denke, es gehört irgendwie zusammen. In allen drei Bereichen geht<br />
es um die Menschen. Jeder Mensch ist für mich spannend, egal, was<br />
für ein Leben er oder sie führt.<br />
Ich hatte immer das Gefühl, ich bin hier, weil ich eine bestimmte<br />
Aufgabe habe und habe lange danach gesucht. Vielleicht habe ich<br />
auch darum unbewusst viel ausprobiert. Jetzt kenne ich sie und es mag<br />
sich für jede, die das liest, kitschig anhören, aber ich habe beschlossen,<br />
dazu zu stehen: Ich glaube meine Aufgabe ist, mehr Licht in die<br />
Welt zu bringen. Den Menschen zu zeigen, wie wunderbar jeder Einzelne<br />
und wie kostbar jedes Leben ist. Ich habe in den letzten Jahren in<br />
vielen Begegnungen erfahren, dass das Verschenken von Herzenswärme<br />
und der aufrichtige empathische Umgang mit anderen das Leben<br />
bunt und leuchtend machen.<br />
Hast du ein Lebensmotto?<br />
Ja, habe ich: „Meinem Herzen folgen“. In meinem Alltag versuche ich,<br />
nicht so stark meinen Verstand die Entscheidungen treffen zu lassen,<br />
dieser hat ja immer wieder mal Zweifel oder Ängste, sondern auf mein<br />
Herz zu hören. Und ich versuche, mir treu zu bleiben, nicht so abhängig<br />
von Meinungen anderer zu sein und meine Bedürfnisse nicht hinter die<br />
von anderen zu stellen.<br />
Du sagst: „Ich bin auf dem richtigen Weg, aber noch nicht ganz angekommen.“<br />
Hast du bereits einen konkreten Traum, eine Vision für<br />
das „Weiter“?<br />
Nein, habe ich nicht. Ich glaube, es geht nicht um ein "Ankommen" –<br />
gibt es das überhaupt? –, sondern darum, wie ich den Weg beschreite.<br />
Und für mich bedeutet das, meinen Weg im Licht zu gehen, wie auch<br />
immer die einzelnen Abschnitte aussehen mögen.<br />
Interview Judith Lell-Wagener Bild privat<br />
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<strong>world</strong> <strong>of</strong> <strong>mtb</strong> Nº2.19