GRO_Taschenbuch_MUSTER_2019
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Haare straffer nach hinten gebunden als sonst, wodurch ihr Gesicht<br />
noch stärker zur Geltung kam. Sie sah sehr gut aus und schien voller<br />
Zuversicht.<br />
„Heute geht es mir viel besser“, sagte sie und lächelte ihr sanftes Lächeln.<br />
„Es wird nicht mehr lange dauern und ich bin wieder zu Hause.“<br />
In diesem Moment begriff ich nicht, von welchem Zuhause sie sprach.<br />
Sie fragte nach den Kindern der Seepferdchen-Gruppe. Lara erzählte<br />
länger von Maurice und wollte die anderen am Rande abhandeln.<br />
Aber Charlotte ließ das nicht zu. Sie gab erst Ruhe, als sie vollständig<br />
auf dem Laufenden war.<br />
Danach entstand eine längere Pause. Und plötzlich fühlte ich mich<br />
fehl am Platze.<br />
„Ich muss noch ein paar Einkäufe erledigen“, sagte ich zu Lara. „Ist es<br />
Ihnen Recht, wenn ich Sie in einer Stunde wieder abhole?“<br />
Die beiden Frauen wirkten so vertraut miteinander, ich störte da nur.<br />
„Nichts da.“ Charlottes Tonfall duldete keinen Widerspruch. „Sie bleiben.“<br />
Sie legte eine Hand auf meinen Arm und sah mich ernst an. „Wir<br />
werden uns nicht mehr oft sehen. Und ich möchte noch etwas mit<br />
Ihnen besprechen.“<br />
„Soll ich dann lieber gehen?“, fragte Lara. „Ich kann ja morgen noch<br />
einmal wiederkommen.“ Sie war bereits aufgestanden.<br />
„Nein“, sagte Charlotte entschieden. „Ich möchte auch, dass du<br />
bleibst. Ich will mit euch beiden reden.“<br />
Überrascht sahen wir uns an, Lara setzte sich wieder. Charlotte schien<br />
zufrieden, sagte aber lange Zeit nichts. Manchmal sah sie aus dem<br />
Fenster, der Blick ging in einen langweiligen Garten, und manchmal<br />
schaute sie einen von uns beiden an. Es schien nicht, als suche sie<br />
nach Worten. Plötzlich dachte ich, dass sie uns vielleicht irgendwann<br />
ohne ein weiteres Wort gehen ließ. Und fast hatte ich mich schon damit<br />
abgefunden, als sie doch weiterredete.<br />
„Der Anfang“, sagte sie, „fällt mir nicht leicht.“ Wieder schwieg sie<br />
und fuhr dann fort: „Ich werde sterben. Sehr bald.“ Lara und ich wollten<br />
protestieren, aber sie winkte unmissverständlich ab.<br />
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