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GRO_Taschenbuch_MUSTER_2019

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und verlangt so wenig Geld, dass ich mir ihre Hilfe leisten kann. Sonst<br />

müsste ich die Gruppen schließen. Eine normal teure Kraft könnte ich<br />

mir nicht leisten.“<br />

„Aber wieso?“<br />

„Ich habe Krebs“, sagte Charlotte ohne Umschweife, während sie die<br />

Gläser in den Geschirrspüler räumte. „Schon zweimal habe ich geglaubt,<br />

ihn besiegt zu haben, aber jetzt ist er wieder da.“<br />

Sie schaute nicht auf und sprach in einem Tonfall, als würde sie die<br />

schlechte Qualität des Geschirrspülers beklagen. Es dauerte, bis ihre<br />

Worte in vollem Umfang mein Bewusstsein erreicht hatten.<br />

Danach schossen so viele Fragen gleichzeitig durch meinen Kopf, dass<br />

ich keine davon aussprechen konnte. Sie standen sich gegenseitig im<br />

Weg.<br />

Charlotte schloss den Geschirrspüler und drehte sich langsam zu mir<br />

um. Ihre dunklen Augen erschienen mir so eindringlich wie noch nie.<br />

„Vor zehn Jahren wurde Brustkrebs diagnostiziert“, sagte sie. „Seit<br />

acht Jahren fehlt mir die linke Brust. Danach schien alles gut. Bis sie<br />

vor drei Jahren etwas in der Lunge entdeckten.“<br />

Sie setzte sich auf die Küchenbank. Ich holte mir einen Stuhl.<br />

„Mit einer Chemotherapie und mit Strahlen haben sie dann auch das<br />

in den Griff gekriegt.“<br />

Ich holte ihr ein Glas Wasser, an dem sie etwas nippte.<br />

„Diesmal ist es ein Hirntumor“, fuhr sie schließlich aufgesetzt munter<br />

fort. „Für Abwechslung ist also gesorgt.“<br />

Instinktiv legte ich meine Hand auf ihre und streichelte sie etwas.<br />

„Damals hab ich mir geschworen“, sagte sie, ohne mich anzusehen,<br />

„nie wieder Chemo. Es war eine Hölle, durch die ich nicht wieder gehen<br />

wollte. Und wissen Sie was?“<br />

Ich antwortete nicht, hielt nur weiter ihre Hand, die auf dem Tisch lag.<br />

„Nun mache ich es doch wieder.“ Sie entzog mir die Hand, stand auf<br />

und sah aus dem Fenster in den Garten. „Es ist meine einzige Chance,<br />

noch ein bisschen was abzukriegen von diesem Leben.“<br />

Sie drehte sich zu mir und sah mich an, als erwarte sie meine Zustim-<br />

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