GRO_Taschenbuch_MUSTER_2019
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tenstreifen war seit vielen Jahren eher gering. Die meisten Menschen<br />
schienen nicht mal zu wissen, dass es diese Ecke des Landes überhaupt<br />
gab.<br />
„Ich hab hier mal Urlaub gemacht“, sagte sie und war mit dem Verband<br />
jetzt schon viel weiter als ich zuvor in der doppelten Zeit. Ihre<br />
Hände bewegten sich schnell und geschickt. „Ist lange her. Aber ich<br />
hab das alles nie vergessen.“<br />
„Haben Sie niemand in Hamburg?“ Ich befürchtete sofort, dass diese<br />
Frage vielleicht zu weit ging, aber sie schien das nicht so zu sehen.<br />
„Ich trenne mich gerade von meinem Mann“, sagte sie. „Und ich hab<br />
eine kleine Erbschaft gemacht, sodass ich mir meinen Traum erfüllen<br />
und wenigstens eine Weile hier leben kann.“<br />
Sie war fertig mit dem Verband. Ich riss zwei Streifen Pflaster ab und<br />
reichte sie ihr zum Verkleben. Dass jemand davon träumen konnte,<br />
hier zu leben, überstieg meine Vorstellungskraft. Ich hab schon immer<br />
in dieser Gegend gelebt. Ich bin hier geboren und aufgewachsen.<br />
Mein halbes Leben lang hab ich mich mit dem Gedanken geplagt, fort<br />
zu gehen von hier, und die andere Hälfte versucht, mich damit abzufinden,<br />
dass ich den Absprung doch niemals schaffen würde. Meine<br />
Wurzeln an dieser Küste saßen tiefer als ich es mir wünschte.<br />
„Außerdem ist es keine gottverlassene Gegend“, meinte sie plötzlich<br />
und schaute mich aufmerksam an. „Sagen Sie so was nicht.“ Ihre Blicke<br />
waren von großer Intensität, gleichzeitig aber fast scheu. Die Augen<br />
waren groß, ihre Farbe eine Mischung aus grau und grün.<br />
„So“, sagte ich und stand auf, denn Hübner und das ausstehende Telefonat<br />
waren mir wieder in den Sinn gekommen. Maurice war mittlerweile<br />
in seinem Kindersitz eingeschlafen. „Und warum nicht, wenn<br />
ich fragen darf?“<br />
„Weil Sie dann nicht hier leben würden“, sagte sie sicher und kam<br />
ebenfalls hoch. „Nicht mit Ihrem tollen, kleinen Sohn. Sie wären dann<br />
schon längst woanders. Meinen Sie nicht?“<br />
„Da haben Sie vielleicht sogar Recht“, sagte ich und lächelte sie an.<br />
In diesem Augenblick wollte ich sie fragen, wie sie heißt. Und ich woll-<br />
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