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zu besinnen. Und sich etwas von der Kraft zurückzuholen, die man am<br />

Anfang hatte.“<br />

Plötzlich schien es, als spräche sie nicht mehr von mir, sondern von<br />

sich selbst. Nicht vom Schreiben, sondern vom Leben.<br />

„Schreiben Sie wieder aus Lust an der Sache“, forderte sie mit fester<br />

Stimme. „Aus Leidenschaft fürs Schreiben. Wie damals, als Sie begonnen<br />

haben. Lassen Sie sich das nicht nehmen von Erwartungen. Das<br />

ist schon deshalb verkehrt, weil die anderen vielleicht gar nicht die Erwartungen<br />

haben, die Sie ihnen unterstellen. Ich bin überzeugt, wenn<br />

Ihnen das gelingt, löst sich auch der Knoten in Ihrer Seele.“<br />

Ich wollte etwas entgegnen, war aber völlig sprachlos.<br />

„Nun machen Sie mal den Mund wieder zu, Paul Thailer“, sagte sie<br />

lächelnd und stand auf. „So schwer sind Sie nun wirklich nicht zu<br />

durchschauen. Außerdem weiß ich mehr von Ihnen als Sie ahnen. Inzwischen<br />

habe ich alle Ihre Bücher gelesen. Und auch wenn sie nicht<br />

autobiographisch sind, sagen sie jede Menge über den Autor aus.“<br />

Sie zwinkerte mir zu und stellte Gläser und Krug auf ein Tablett. Das<br />

unmissverständliche Zeichen, dass sie unsere kleine Konversation für<br />

beendet hielt. Ich akzeptierte ihre Entscheidung. Sie war die Meisterin<br />

des Gesprächs.<br />

„Übrigens“, sagte sie schließlich, „werde ich in Zukunft mit der Arbeit<br />

etwas kürzer treten müssen.“<br />

Sie ging mit dem Tablett in die Küche, ich folgte ihr. Maurice hatte ich<br />

bereits auf dem Arm. Fragend sah ich sie an.<br />

„Keine Sorge“, fuhr Charlotte mit einem plötzlich etwas müden Lächeln<br />

fort, „für den kleinen Mann hier wird weiter in vollem Umfang<br />

hervorragend gesorgt sein. Vielleicht sogar besser.“<br />

„Wie wär’s mit einer Erklärung?“, schlug ich vor und setzte Maurice<br />

auf die Anrichte neben dem Herd. Gespannt wartete ich. Mein Gefühl<br />

sagte mir, dass ich nichts Gutes zu erwarten hatte.<br />

„Ich habe eine junge Frau angestellt“, sagte sie, „Sie wird mich in dieser<br />

und auch in der größeren Nachmittagsgruppe unterstützen. Sie ist<br />

ein absoluter Glücksfall für mich. Sie ist ausgebildete Kinderpflegerin<br />

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