GRO_Taschenbuch_MUSTER_2019
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zu besinnen. Und sich etwas von der Kraft zurückzuholen, die man am<br />
Anfang hatte.“<br />
Plötzlich schien es, als spräche sie nicht mehr von mir, sondern von<br />
sich selbst. Nicht vom Schreiben, sondern vom Leben.<br />
„Schreiben Sie wieder aus Lust an der Sache“, forderte sie mit fester<br />
Stimme. „Aus Leidenschaft fürs Schreiben. Wie damals, als Sie begonnen<br />
haben. Lassen Sie sich das nicht nehmen von Erwartungen. Das<br />
ist schon deshalb verkehrt, weil die anderen vielleicht gar nicht die Erwartungen<br />
haben, die Sie ihnen unterstellen. Ich bin überzeugt, wenn<br />
Ihnen das gelingt, löst sich auch der Knoten in Ihrer Seele.“<br />
Ich wollte etwas entgegnen, war aber völlig sprachlos.<br />
„Nun machen Sie mal den Mund wieder zu, Paul Thailer“, sagte sie<br />
lächelnd und stand auf. „So schwer sind Sie nun wirklich nicht zu<br />
durchschauen. Außerdem weiß ich mehr von Ihnen als Sie ahnen. Inzwischen<br />
habe ich alle Ihre Bücher gelesen. Und auch wenn sie nicht<br />
autobiographisch sind, sagen sie jede Menge über den Autor aus.“<br />
Sie zwinkerte mir zu und stellte Gläser und Krug auf ein Tablett. Das<br />
unmissverständliche Zeichen, dass sie unsere kleine Konversation für<br />
beendet hielt. Ich akzeptierte ihre Entscheidung. Sie war die Meisterin<br />
des Gesprächs.<br />
„Übrigens“, sagte sie schließlich, „werde ich in Zukunft mit der Arbeit<br />
etwas kürzer treten müssen.“<br />
Sie ging mit dem Tablett in die Küche, ich folgte ihr. Maurice hatte ich<br />
bereits auf dem Arm. Fragend sah ich sie an.<br />
„Keine Sorge“, fuhr Charlotte mit einem plötzlich etwas müden Lächeln<br />
fort, „für den kleinen Mann hier wird weiter in vollem Umfang<br />
hervorragend gesorgt sein. Vielleicht sogar besser.“<br />
„Wie wär’s mit einer Erklärung?“, schlug ich vor und setzte Maurice<br />
auf die Anrichte neben dem Herd. Gespannt wartete ich. Mein Gefühl<br />
sagte mir, dass ich nichts Gutes zu erwarten hatte.<br />
„Ich habe eine junge Frau angestellt“, sagte sie, „Sie wird mich in dieser<br />
und auch in der größeren Nachmittagsgruppe unterstützen. Sie ist<br />
ein absoluter Glücksfall für mich. Sie ist ausgebildete Kinderpflegerin<br />
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