GRO_Taschenbuch_MUSTER_2019
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die Worte blieben mir im Hals stecken.<br />
„Wohin“, fragte ich schließlich, „muss ich da gehen?“<br />
Die Untersuchung beim Urologen ergab, dass ich zwar nicht grundsätzlich<br />
zeugungsunfähig war, meine Spermiendichte aber so gering<br />
war, dass es beim normalen Geschlechtsakt für eine Befruchtung<br />
nicht reichte. Praktisch sicher war das auch schon in meiner ersten<br />
Ehe der Grund unserer Kinderlosigkeit gewesen.<br />
Für meine Blödheit und Ignoranz hätte ich mich erstmal stundenlang<br />
ohrfeigen können. Aber dann dachte ich wieder an die Zukunft: Im<br />
Labor ließ sich die Spermiendichte vergrößern. Nina und ich konnten<br />
Kinder haben! Meine Freude war riesig. Mir wurde klar, dass ich nicht<br />
mehr daran geglaubt hatte.<br />
Aber es gab Komplikationen und bis zum großen Tag sollte noch ein<br />
volles Jahr ins Land gehen. Es war ein Neujahrsmorgen. Wir waren<br />
erst früh von einer kleinen Party bei Freunden nach Hause gekommen.<br />
Nina hatte nichts getrunken. Seit sie praktisch ständig damit<br />
rechnete, schwanger zu werden, rührte sie keinen Tropfen mehr an.<br />
Ich dagegen hatte getrunken und als allmählich ein Katergefühl einsetzte,<br />
verschwand ich ins Schlafzimmer.<br />
Um sechs Uhr kam ich noch einmal in die Küche, um Wasser zu trinken.<br />
Nina saß im Halbdunkel auf der Küchenbank. Sie trug den seidenen<br />
Morgenmantel, den ich ihr zu Weihnachten geschenkt hatte und<br />
schien tief in ihre Gedanken versunken.<br />
„Was machst du denn hier?“, fragte ich erschrocken.<br />
Ich hatte nicht mal gemerkt, dass sie nicht im Bett gewesen war. Ich<br />
schaltete das Licht ein, Nina blinzelte mich an. Ihr Gesichtsausdruck<br />
war ganz anders als sonst. Sie war blass und sah so erschrocken aus<br />
wie ich es war. Gleichzeitig leuchteten ihre Augen und irgendetwas in<br />
ihrem Gesicht wirkte seltsam entspannt. Sie sah müde aus, aber doch<br />
auch schön. Ich lächelte vorsichtig und setzte mich zu ihr.<br />
Irgendetwas war passiert, aber ich wusste nicht was. Ich hatte nicht<br />
die leiseste Ahnung, was mich erwartete. Gebannt hielt ich den Atem<br />
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