Berliner Zeitung 29.05.2019
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
4** <strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 123 · 2 9./30. Mai 2019<br />
·························································································································································································································································································<br />
Politik<br />
NACHRICHTEN<br />
Bloggerin bleibt als<br />
Stadträtin in Bautzen<br />
Annalena Schmidt, die auch überregional<br />
als Stimme gegen Fremdenfeindlichkeit,<br />
Rechtsextremismus<br />
und Rassismus bekannte Bloggerin,<br />
wollte aus beruflichen Gründen bald<br />
wegziehen aus Bautzen. Miteinem<br />
Ticket der Grünen geht sie nun als<br />
Parteilose in den Stadtrat und will<br />
noch „mindestens fünf Jahre“ bleiben.<br />
„Es ist natürlich ein positives<br />
und schönes Zeichen, eine Belohnung<br />
meiner Arbeit für Demokratie<br />
und Weltoffenheit“, sagte sie.Das<br />
zeige,dass es viele „leise Bautzener“<br />
gebe,die das goutierten. (dpa)<br />
Urteil im NSU-Prozess gegen<br />
Carsten S. rechtskräftig<br />
Daserste Urteil aus dem Münchner<br />
NSU-Prozess ist rechtskräftig: Carsten<br />
S., der im Juli 2018 als einer der<br />
Waffenbeschaffer des „Nationalsozialistischen<br />
Untergrunds“ zu drei<br />
Jahren Jugendstrafe verurteilt wurde,<br />
hat seine Revision zurückgezogen.<br />
DasUrteil habe schon im Januar<br />
Rechtskraft erlangt, sagte ein Sprecher<br />
des Oberlandesgerichts am<br />
Dienstag. DieUrteile gegen Beate<br />
Zschäpe und weitereMitangeklagte<br />
sind noch nicht rechtskräftig. (dpa)<br />
Väter holen bei Betreuung<br />
der Kinder auf –ein wenig<br />
Väter nutzen die Elternzeit, sich mehr um<br />
ihre Kinder zu kümmern.<br />
DPA<br />
Väter in Deutschland kümmernsich<br />
mehr um ihreKinder:Rund 26 Stunden<br />
in der Woche beschäftigten sich<br />
Väter 2017 mit ihren Kindern, 1997<br />
waren es im Schnitt nur 17 Stunden,<br />
wie aus einer Studie des Instituts der<br />
Deutschen Wirtschaft (IW)inKöln<br />
hervorgeht. Sind die Kinder noch<br />
keine drei Jahrealt, werden sie etwa<br />
29 Stunden in der Woche vonihren<br />
Väternbetreut. Dennoch liegen Väter<br />
noch deutlich hinter den Müttern,<br />
die sich 64 Stunden um ihren<br />
Nachwuchs kümmern. Daszunehmende<br />
Engagement der Väter liege<br />
an den Partnermonaten, bei denen<br />
die Elternzeit vonzwölf auf 14 Monaten<br />
verlängertwerden könne,wenn<br />
beide Elternteile eine berufliche<br />
Auszeit nehmen, erklärte das IW.<br />
Mütter nähmen sich im Schnitt mindestens<br />
zehn Monate Zeit für ihre<br />
Kinder,Väter nur zwei Monate. (AFP)<br />
Japan vermittelt im Streit<br />
zwischen USA und Iran<br />
DerIranhat positiv auf das Vermittlungsangebot<br />
Japans im Konflikt mit<br />
den USA reagiert. Einiranischer Außenamtssprecher<br />
bezeichnete den<br />
geplanten Besuch des japanischen<br />
Ministerpräsidenten Abeals „Wendepunkt“.<br />
Seinen Angaben zufolge<br />
will AbeimJuni in Teheran mit Präsident<br />
Hassan Ruhani sprechen. (dpa)<br />
Opposition im Sudan ruft<br />
zum Generalstreik<br />
Im Sudan hat ein zweitägiger Generalstreik<br />
begonnen. DieOpposition<br />
will damit Druck auf die regierenden<br />
Generäle machen, die Macht rasch<br />
an eine zivil geführte Übergangsregierung<br />
abzugeben. DasGewerkschaftsbündnis<br />
SPAerklärte,man<br />
werde„alle friedlichen Mittel ausschöpfen“.<br />
(dpa)<br />
Nahles überrumpelt ihre Gegner<br />
Nach dem Debakel der SPD bei der Europawahl tobt ein Machtkampf unter den Genossen<br />
VonAndreas Niesmann<br />
Eswar ein Paukenschlag, mit<br />
dem kaum jemand in der<br />
SPD gerechnet hat. Mit ihrer<br />
Ankündigung, die Wahl<br />
der Fraktionsspitze vom September<br />
auf die kommende Woche vorzuziehen,<br />
hat Andrea Nahles ihrer Partei<br />
eine heftige Personaldiskussion beschert<br />
und ihre innerparteilichen<br />
Gegner überrumpelt.<br />
Siewolle jetzt Klarheit, hatte Nahles<br />
am Montag in mehreren Fernsehinterviews<br />
gesagt. Wer einen anderen<br />
Weg anzubieten habe, solle am<br />
kommenden Dienstag aufstehen<br />
und kandidieren. „Wir klären das<br />
dann.“ Der Machtkampf in der SPD<br />
ist damit offen ausgebrochen.<br />
Bislang allerdings hat kein Abgeordneter<br />
seine Kandidatur erklärt.<br />
Im Gegenteil. Martin Schulz, der als<br />
einer der Anführer des Aufstandes<br />
galt, ruderte zurück. „Diese Wahl ist<br />
für September angesetzt“, sagte<br />
Schulz der Wochenzeitung Die Zeit.<br />
Der Fraktion sollte die Zeit gegeben<br />
werden, die letzten Entwicklungen<br />
zu analysieren. „Wir sollten Ruhe bewahren<br />
und die richtigen Entscheidungen<br />
zur richtigen Zeit treffen.“<br />
Zweifel an der Rechtmäßigkeit<br />
Schulz verrät damit indirekt, was der<br />
eigentliche Plan der Nahles-Kritiker<br />
war: Über den Sommer weiterzusticheln,<br />
die SPD-Niederlagen bei den<br />
Landtagswahlen in Brandenburg<br />
und Sachsen am 1. September abzuwarten<br />
und dann eine Mehrheit gegen<br />
Nahles zu organisieren –falls das<br />
überhaupt noch nötig sein sollte.<br />
Mit ihrem Coup hat Nahles diesen<br />
Plan vereitelt. Mehr noch: Sollte<br />
sie die Wahl jetzt gewinnen, würde<br />
ihr in den nächsten zwei Jahren<br />
keine weitere Abstimmung in der<br />
Fraktion drohen. Allerdings geht sie<br />
dafür ein hohes Risiko ein. Mitglieder<br />
des SPD-Vorstandes,die sich bei<br />
der Sitzung am Montagvormittag gegen<br />
Personaldebatten ausgesprochen<br />
haben, fühlen sich düpiert.<br />
Auch im geschäftsführenden Vorstandder<br />
Fraktion gab es Unmut. Bei<br />
dessen vertraulicher Sitzung am<br />
Montagabend wurde die vorgezogene<br />
Wahl zwar mehrheitlich beschlossen.<br />
Allerdings bekam Nahles<br />
mehrere Gegenstimmen. Sieben zu<br />
vier soll das Ergebnis gewesen sein.<br />
DieSozialdemokraten, die Nahles<br />
lieber heute als morgen loswerden<br />
wollen, mussten sich am Montagabend<br />
erst Mal sortieren. Einige lasen<br />
in der Geschäftsordnung nach,<br />
ob es eine Frist gibt, mit der zur Wahl<br />
VonDamir Fras, Brüssel<br />
Die erste Runde im Poker um die<br />
Spitzenjobs in der EU dauerte<br />
gut drei Stunden. Am Dienstagabend<br />
einigten sich die Staats- und Regierungschefs<br />
der EU darauf, bis zu ihrem<br />
nächsten Gipfel Ende Juni einen<br />
Kandidaten für das Amt des EU-Kommissionspräsidenten<br />
zu finden. Ratspräsident<br />
Donald Tusk soll nun mit<br />
den Parteien im Europaparlament<br />
verhandeln. Er wird dort auf sehr<br />
selbstbewusste Gesprächspartner<br />
treffen, die am Dienstag schon eine<br />
klare Ansage machten: Zum EU-<br />
Kommissionspräsidenten wird nur<br />
gewählt, wer Spitzenkandidat einer<br />
der Parteienfamilien war.<br />
DerStreit zwischen den Staats- und<br />
Regierungschef auf der einen Seite<br />
und dem Parlament auf der anderen<br />
Seite ist also nur verschoben. Undals<br />
ahne sie, dass der Konflikt heftig werden<br />
könnte, hatte Bundeskanzlerin<br />
Angela Merkel schon vor Beginn des<br />
Abendessen im Kreise ihrer Kollegen<br />
gemahnt: „Wir sollten pfleglich miteinander<br />
umgehen und wissen, dass<br />
Andrea Nahles will mit offenem Visier kämpfen –inder eigenen Partei.<br />
29. Mai: die SPD-Bundestagsfraktion<br />
kommt zu einer<br />
Sondersitzung zusammen.<br />
2. und 3. Juni: Der CDU-Vorstand<br />
geht in Klausur.Es<br />
dürfte um Konsequenzen<br />
aus den Verlusten bei der Europawahl<br />
gehen –und um<br />
Kommunikationspannen<br />
nach dem Video des You-<br />
Tubers Rezo.<br />
TERMINE DER GROSSEN KOALITION<br />
3. Juni: Der SPD-Vorstand<br />
tritt ebenfalls zur Europawahlnachlese<br />
zu einer Klausur<br />
zusammen.<br />
5. Juni: Die SPD-Fraktion<br />
kommt zusammen. Andrea<br />
Nahles stellt sich in der Fraktion<br />
zu der vonihr vorgezogenen<br />
Vorstandswahl. Einen<br />
Gegenkandidaten gibt es<br />
bislang nicht.<br />
13. und 14. Juni: Die Fraktionsvorstände<br />
vonUnion und<br />
SPD tagen zusammen, möglicherweise<br />
geht es um die<br />
„Revisionsklausel“. Vermutlich<br />
gegenEndedes Jahres<br />
will man sich zusammensetzen,<br />
um die Umsetzung der<br />
vereinbarten Ziele zu prüfen.<br />
Im äußersten Fallekönnte<br />
die Koalition dabei auch<br />
platzen.<br />
Top-Gerangel um den Top-Posten<br />
In Brüssel wird verhandelt, wer neuer Kommissionspräsident der EU werden soll<br />
wir eine konstruktiveAufgabe haben.“<br />
DieEUmüsse Handlungsfähigkeit beweisen.<br />
Die Besetzung der Top-Posten in<br />
der EU ist ein mehrdimensionales Unterfangen.<br />
Die Mehrheit im Europaparlament<br />
will zwar,dass einer vonihrenSpitzenkandidaten<br />
Chef oder Chefin<br />
der mächtigen Brüsseler Behörde<br />
wird. Doch wer genau das sein soll,<br />
darüber herrscht keine Einigkeit.<br />
Einige Staats- und Regierungschefs<br />
–allen voranEmmanuel Macron –lehnen<br />
dagegen das sogenannte Spitzenkandidaten-Konzept<br />
ab. Sie wollen,<br />
dass der Europäische Rat das letzte<br />
Wort hat. Auch Merkel ist keine Freundin<br />
des Konzepts.Doch stellte sich die<br />
Bundeskanzlerin am Dienstag klar<br />
hinter das Konzept und damit hinter<br />
den Spitzenkandidaten der Europäischen<br />
Volkspartei, den CSU-Mann<br />
ManfredWeber.„IchunterstützeManfredWeber“,<br />
sagte Merkel.<br />
DieKonfrontationslinien verlaufen<br />
zwischen den Parteien im Europaparlament,<br />
zwischen dem Parlament und<br />
dem Europäischem Ratund zwischen<br />
den Staats- und Regierungschefs. Der<br />
DPA<br />
Vertrag von Lissabon, der die Grundlage<br />
für die Besetzung der Topjobs bildet,<br />
hilft in dieser Gemengelage nicht<br />
wirklich weiter. Erist interpretationsfähig,<br />
weil er lediglich festlegt, dass die<br />
Staats-und Regierungschefs einen<br />
Kandidaten für den Posten vorschlagen<br />
und dabei die Wahlergebnisse berücksichtigen<br />
müssen. Gewählt wird<br />
der neue Kommissionspräsident dann<br />
vom Parlament. VonSpitzenkandidaten<br />
ist imVertragkeine Rede.<br />
Das Parlament fühlt sich jedoch<br />
durch die gestiegene Wahlbeteiligung<br />
vom Sonntag gestärkt und legte den<br />
Staats- und Regierungschefs eine<br />
selbstbewusst formulierte Erklärung<br />
auf den Esstisch: DasParlament werde<br />
nur einen Spitzenkandidaten zum<br />
Kommissionspräsidenten wählen.<br />
Namen werden in der Erklärung<br />
nicht genannt. CSU-Mann Manfred<br />
Weber,der Sozialdemokrat FransTimmermans<br />
aus den Niederlanden und<br />
EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe<br />
Vestager aus Dänemarkwollen<br />
den Job. Weber hat das Problem, dass<br />
die Konservativen und Sozialdemokraten<br />
nicht mehr auf eine Mehrheit<br />
des Fraktionsvorstandes eingeladen<br />
werden soll. Sie beträgt drei Tage, ist<br />
also eingehalten.<br />
Allerdings steht in der Geschäftsordnung<br />
auch, dass der Vorstand für<br />
zwei Jahregewählt ist. Nahles könne<br />
diese Frist nicht beliebig verkürzen,<br />
heißt es nun, für eine frühere Wahl<br />
müsse sie zuvor ihren Rücktritt erklären.<br />
Da niemand davon ausgeht,<br />
dass sie das tun wird, überlegen einige<br />
Abgeordnete, die Gültigkeit der<br />
Wahl anzuzweifeln.<br />
Anderemachen ihrem Unmut öffentlich<br />
Luft. „Warum erfahren wir<br />
erst wieder aus dem Fernsehen das<br />
Andrea Nahles dieVertrauensfrage in<br />
der Fraktion stellt“, twitterte Stefan<br />
Schwartze, Abgeordneter aus Herford.<br />
„So mit den Führungsgremien<br />
der SPD in dieser Situation umzugehen,<br />
ist ein No-Go“, empörte sich<br />
Wolfgang Hellmich aus Soest. „Es<br />
geht nicht um persönliche Macht,<br />
sondern umdie bessere Aufstellung<br />
der SPD für die Zukunft“, so der Chef<br />
des Verteidigungsausschusses.<br />
Niels Annen nahm Nahles in<br />
Schutz. „Lieber Wolfgang, es gab einen<br />
Misstrauensantrag eines Genossen<br />
aus NRW. Das hat Andrea in ihrem<br />
Statement auch erklärt“, twitterte<br />
der Nahles-Vertraute Annen.<br />
„Lieber Niels, erklär mir nicht die<br />
Welt“, antwortete Hellmich barsch.<br />
Post? Schulz? Miersch? Gabriel?<br />
Schwartze und Hellmich kommen<br />
aus der gleichen Region wie Achim<br />
Post, Chef der NRW-Landesgruppe<br />
in der Fraktion. Der 60-Jährige wird<br />
als potenzieller Nachfolger vonNahles<br />
gehandelt, ist seit der Europawahl<br />
aber abgetaucht. Ob er gegen<br />
Nahles antritt? Einige glauben ja, anderetippen<br />
auf Martin Schulz.<br />
Doch auch Fraktionsvize Matthias<br />
Miersch wirdhäufiger genannt.<br />
Der Parteilinke könnte ein Kompromisskandidat<br />
sein. Auch Generalsekretär<br />
Lars Klingbeil und Arbeitsminister<br />
Hubertus Heil wären geeignet.<br />
Der Niedersachse Johann Saathoff<br />
soll ebenfalls Ambitionen haben.<br />
Und dann ist da noch ein fünfter<br />
Niedersachse, den ganz Verwegene<br />
nennen: Sigmar Gabriel. Derehemalige<br />
Parteichef hat zwar vor wenigen<br />
Tagen seinen Rückzug aus dem Bundestag<br />
angekündigt, würde sich aber<br />
womöglich als Übergangsvorsitzender<br />
verpflichten lassen.<br />
Eine Drohung allerdings steht unausgesprochen<br />
im Raum: Sollte<br />
Nahles als Fraktionsvorsitzende abgewählt<br />
werden, werde sie wohl<br />
auch den Parteivorsitz hinwerfen. Es<br />
gibt in der SPD viel zu besprechen.<br />
im Parlament kommen und er sich<br />
deswegen nach Verbündeten bei den<br />
Liberalen und Grünen umsehen<br />
muss.Die Liberalen, die sich mit Macrons<br />
En-Marche-Partei zusammengetan<br />
haben, könnten zu Königsmachernwerden<br />
–allerdings nicht so,wie<br />
es sich Weber vorstellt. Mittatkräftiger<br />
Unterstützung von Frankreichs Präsident<br />
Macron im Rat der Staats- und<br />
Regierungschefs könnte es am Ende<br />
auf eine Kommissionspräsidentin<br />
Vestager hinauslaufen. Darauf könnten<br />
sich auch die Grünen einlassen.<br />
Deren Spitzenkandidatin Ska Keller<br />
sagte,essei höchste Zeit, dass einmal<br />
eine Frau berücksichtigt werde.<br />
Am Ende kam doch noch einmal<br />
die Kanzlerin als Mahnerin zu Wort.<br />
Die Personalsuche der nächsten Wochen<br />
dürfe keine „Wunden reißen“,<br />
die später die Handlungsfähigkeit der<br />
EU beeinträchtigen könnten, sagte sie.<br />
Damir Fras glaubt,<br />
dass der Postenpoker noch<br />
Wochen dauernwird.<br />
Südwest-AfD<br />
versinkt<br />
im Streit<br />
Vorstandsmitglieder werfen<br />
sich Gebrüll und Pöbelei vor<br />
VonJan Sternberg<br />
Noch am Abend der Europawahl<br />
ließ ein führender Vertreter der<br />
Südwest-AfD auf der Wahlparty seinen<br />
Gefühlen Lauf: „Baden-Württemberg<br />
ist eine Katastrophe“, sagte<br />
er – und meinte nicht nur das<br />
schlechte Wahlergebnis.<br />
Im Südwesten ist erneut ein heftiger<br />
Streit in der Partei ausgebrochen.<br />
Nur drei Monate nach der Neuwahl<br />
des Landesvorstands ist die Führungsspitze<br />
komplett zerstritten. Sieben<br />
Vorstandsmitglieder werfen dem<br />
Landesvorsitzenden und Bundestagsabgeordneten<br />
Dirk Spaniel sowie<br />
Schatzmeister Frank Kral „rüdes Verhalten“<br />
sowie „Gebrüll, Pöbeleien<br />
und Anschuldigungen“ vor. „Sie hinterlassen<br />
eine Spur der kollegialen<br />
Verwüstung“, heißt es in dem Schreiben,<br />
das an alle Mitglieder ging.<br />
Kräftemessen in Pforzheim<br />
Es geht um eine lange Liste vonVorwürfen:<br />
den Umgang mit der Landesgeschäftsführerin,<br />
überhöhte Telefon-<br />
und Plakatrechnungen, den<br />
Vorwurf der Vetternwirtschaft sowie<br />
diverse Alleingänge Spaniels.<br />
Auf dem Landesparteitag am<br />
Sonnabend in Pforzheim soll versucht<br />
werden, Spaniel und Kral aus<br />
dem Vorstand abzuwählen. Es liegt<br />
aber auch ein nicht näher bestimmter<br />
Abwahlantrag vor, der sich gegen<br />
den zweiten Landesvorsitzenden<br />
BerndGögel richten könnte.<br />
AfD-Parteichef Jörg Meuthen hat Probleme<br />
mit seinem Landesverband.<br />
DPA<br />
Erst im Februar war der jetzige<br />
Landesvorstand unter heftigen Auseinandersetzungen<br />
neu gewählt<br />
worden. AfD-Chef Jörg Meuthen<br />
hatte eine äußerst kämpferische<br />
Rede gegen rechtsextreme Tendenzen<br />
imLandesverband gehalten: Er<br />
beklagte „rücksichtslose Radikale“<br />
und rief:„Werhier seine gruppenbezogene<br />
Menschenfeindlichkeit ausleben<br />
möchte, dem sage ich ganz<br />
klar: Sucht euch ein anderes Spielfeld<br />
für eureNeurosen!“<br />
In Pforzheim wirdMeuthen nicht<br />
wieder eingreifen. Wie der Parteitag<br />
ausgeht, mag kein AfD-Kader vorhersagen.<br />
Sicher ist nur:Die AfD Baden-Württemberg<br />
ist wie die Landesverbände<br />
Bayern und Nordrhein-Westfalen<br />
in einer zerstörerischen<br />
Spirale aus persönlichen<br />
Animositäten, Macht- und Flügelkämpfen<br />
gefangen. Das verschiebt<br />
die Machtverhältnisse in der Partei<br />
in Richtung der viel kleineren, aber<br />
deutlich erfolgreicheren ostdeutschen<br />
Länder.<br />
Gaulands Sorge<br />
Parteichef Gauland sieht die Flaute<br />
im Westen mit Sorge: „Wir müssen<br />
die Spaltung überwinden, indem wir<br />
im Westen dieselben guten Ergebnisse<br />
haben wie im Osten“, sagte er.<br />
Gauland lobte den Anti-Establishment-Kurs<br />
der Ost-AfD, die immer<br />
wieder auf den Sturz des SED-Regimes<br />
vor 30Jahren verweist. „Wir<br />
wollen die Wende vollenden“, ist<br />
etwa der Slogan des brandenburgischen<br />
AfD-Chefs Andreas Kalbitz. So<br />
wollen Brandenburger und Sachsen<br />
bei den Landtagswahlen am 1. September<br />
stärkste Kraft werden.