Berliner Kurier 08.06.2019
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HINTERGRUND<br />
Erst Hartz IV,<br />
jetzt Chefin<br />
Gestern berichtete der<br />
KURIERüber das tragische<br />
Schicksal vonMax<br />
(19),der vonGeburtanin<br />
einem Hartz-IV-Kreislauf<br />
gefangen ist und verzweifelt<br />
versucht,sich daraus<br />
zu befreien. Jetzt trafen<br />
die Reporter Jeanette<br />
Borchert(47). Die alleinerziehende<br />
Mutter aus<br />
Wedding hatfast 40 Jahre<br />
vomStaat gelebt und ist<br />
danach noch einmal<br />
durchgestartet.<br />
Arche-Leiterin Jeanette<br />
Borchertkümmertsich<br />
um Max (19), über den<br />
der KURIER gestern<br />
berichtete. Sie hilft ihm<br />
liebevoll, den Wegzurück<br />
ins Leben zu finden.<br />
Raus aus dem<br />
Hartz-Kreislauf<br />
Jeanette Borcherthat es geschafft.Nach<br />
37 Jahren verdient sie endlich ihr eigenes Geld<br />
Von<br />
KERSTIN HENSE<br />
Manchmal erscheint es<br />
Jeanette Borchert<br />
selbst wie ein Traum.<br />
Sie leitet die Arche in Wedding<br />
und ist Boss von drei Mitarbeitern.<br />
Dabei hat sie nur einen<br />
Hauptschulabschluss und keine<br />
Berufsausbildung. Im <strong>Berliner</strong><br />
KURIER erzählt sie von ihrem<br />
späten Jobwunder.<br />
Jeanette Borchert ist eine energische<br />
Frau und sprüht vor<br />
Energie. „Man muss was tun, zu<br />
Hause auf der Couch liegen,<br />
bringt einen nicht weiter“, sagt<br />
sie. Die Mutter einer Tochter<br />
(18) bekam von Geburt an Sozialleistungen<br />
und weiß, wovon<br />
sie spricht. Vor zehn Jahren<br />
fasste sie einen mutigen Entschluss.<br />
Sie engagierte sich zu<br />
dem Zeitpunkt einmal pro Woche<br />
ehrenamtlich in einem<br />
Kindercafé, das sich in den<br />
Räumen der heutigen Arche<br />
Wedding befand. Als ihre<br />
Tochter Jarmila an einer Ferienfreizeit<br />
der Arche teilnahm,<br />
kam sie mit Arche-Gründer<br />
Bernd Siggelkow ins Gespräch.<br />
Sie sagte ihm: „Ich möchte auch<br />
so eine Arche haben.“<br />
Siggelkow habe auf ihre Direktheit<br />
ein wenig verwundert<br />
reagiert und gesagt, „das will jeder.“<br />
Doch Jeanette Borchert<br />
ist äußerst hartnäckig und keine<br />
Frau, die sich so einfach abwimmeln<br />
lässt und ließ nicht<br />
locker. „Ich bin nicht jeder“,<br />
sagte sie selbstbewusst. Sie berichtete<br />
Siggelkow von ihrer<br />
ehrenamtlichen Tätigkeit und<br />
präsentierte ihm ein Konzept.<br />
Das schien ihren heutigen Chef<br />
imponiert zu haben, er gab ihr<br />
eine Chance. Das ehemalige<br />
Kindercafé wurde zur neuen<br />
Arche umgebaut und die alleinerziehende<br />
Mutter wurde Chefin<br />
der Einrichtung. „Für mich<br />
ist das noch immer ein Wunder<br />
und ich bin meinem Chef sehr<br />
dankbar, dass er damals das Potenzial<br />
in mir gesehen hat“, sagt<br />
sie. Von ihrem ersten eigenen<br />
Gehalt damals kaufte sie sich eine<br />
Uhr und einen Fernseher, so<br />
erinnert sie sich. Die Uhr trägt<br />
sie noch heute am Handgelenk.<br />
Für Jeanette Borchert hat sie<br />
einen besonderen Wert.<br />
Doch der Weg zum Ziel war<br />
steinig. Jeanette Borchert hatte<br />
noch nie ein festes Einkommen,<br />
seit 37 Jahren nicht. Bereits ih-