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GesteinsPerspektiven 05/19

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104<br />

TREFFPUNKT<br />

Ebenen in Abhängigkeit von aktuellen<br />

Wahlen und natürlich die Medien. Birkner<br />

schlug politische Antworten auf die Megatrends<br />

Individualisierung, Globalisierung<br />

und Urbanisierung vor. Unter den<br />

Parteien sollte ein Konsens herrschen,<br />

nicht mit Angst zu arbeiten und dadurch<br />

die Gesellschaft zu spalten. Außerdem<br />

sollte nicht jedes Thema auf Bundesebene<br />

gezogen, sondern eher vor Ort gelöst<br />

werden. Und natürlich müsse sich auch<br />

die Wirtschaft stärker einbringen, Transparenz<br />

ihrer Handlungen und immer wieder<br />

die Mehrwerte kommunizieren, die sie<br />

für die Gesellschaft leiste.<br />

Änderungen der Rechtslage<br />

Dr. Herbert Posser, Anwalt mit besonderer<br />

Expertise in der Strukturierung komplexer<br />

Genehmigungsverfahren, trug<br />

zunächst präzise und spannend die starken<br />

Änderungen der Rechtslage vor. Im<br />

Umweltklagerecht gibt es für Gegner von<br />

Vorhaben über Materielles, Verfahrensrecht<br />

und Umweltrechtsgesetz, Sperrgrundstücke<br />

und Grundgesetzartikel<br />

mittlerweile eine Reihe von Möglichkeiten,<br />

über die zumindest Verfahrensverlängerungen<br />

unvermeidlich sind. Diese<br />

Rechtslage beseitige auch Abwägungsoffenheit<br />

durch gesellschaftliche Verabsolutierung<br />

von Umweltbelangen, ohne<br />

die Notwendigkeit, den gesellschaftlichen<br />

Preis dafür offenlegen zu müssen.<br />

Posser stellte fest, „Emotionen sind Fakten“,<br />

doch was tun? Zunächst brauche es<br />

immer Aufklärung und eine offene Diskussion.<br />

Die deutsche Legislative müsse<br />

Spielräume nutzen, ohne Copy/paste-<br />

Umsetzung von EU-Richtlinien und mit<br />

verbindlichen Grenzwerten, wobei Letztere<br />

aber nicht nur aus einseitiger Expertensicht<br />

festgesetzt werden dürften. Im<br />

Umweltrecht müsse es Abwägungselemente<br />

geben und im Klagerecht Fehlerheilung,<br />

nicht komplettes Neuaufsetzen<br />

bei einzelnen Mängeln. Mehr Beurteilungsspielräume<br />

für Fachbehörden sieht<br />

Posser skeptisch, weil dann Festlegungen<br />

auch keine Korrektur mehr durch den<br />

Instanzenweg offenhielten. Eine angeregte<br />

Diskussion beschloss diesen Themenkreis<br />

und zeigte, wie sehr sich auch die<br />

Teilnehmer mit der zerrissenen Lage in<br />

Gesellschaft und Recht beschäftigen.<br />

Lichtblick Natur auf Zeit?<br />

Deutlich positiver und hoffnungsvoller<br />

konnte da der zweite Themenblock<br />

„Natur auf Zeit“ aufgefasst werden. Alexander<br />

Just aus der EU-GD Umwelt berichtete<br />

von der Entwicklung in den Naturschutzrichtlinien.<br />

Auf einen<br />

Fitness-Check wurde ja schon vor längerer<br />

Zeit sehr einvernehmlich verzichtet,<br />

aber der Artenschutz soll nach zehn<br />

Jahren überprüft werden, wegen der<br />

Aktualität des Wolfes und von „Natur auf<br />

Zeit“. Der entsprechende Aspekt in der<br />

FFH-Richtlinie ist beim EuGH wegen des<br />

Wolfes in Prüfung, mit einem Urteil wird<br />

ab September gerechnet. Allerdings<br />

passt „Natur auf Zeit“ nicht recht in die<br />

FFH-Richtlinie, die grundsätzlich auf Gebietsschutz<br />

abzielt, und würde besser in<br />

einer Artenschutz-Richtlinie angesiedelt<br />

sein. Geplant ist daher ein Leitfaden mit<br />

Ausnahmegenehmigungen „ex ante“,<br />

aber nicht sehr konkreten Regelungen.<br />

Erfreulich konkrete, abgestimmte Projekte,<br />

wie so etwas funktionieren kann,<br />

gibt es dagegen mittlerweile in Belgien<br />

mit einer Quarzsand-Gewinnung in der<br />

flämischen Mechelener Heide und 26<br />

wallonischen Steinbrüchen.<br />

Dr. Peter Kersandt, Fachanwalt für<br />

Verwaltungsrecht, ist froh um diesen Rückenwind<br />

aus Brüssel und wies auch auf<br />

das bayerische Modell mit dem öffentlich-rechtlichen<br />

Vertrag zwischen Umweltministerium,<br />

Behörden, Landesbund<br />

für Vogelschutz und Rohstoffunternehmen<br />

hin. Als stabilen gesetzlichen Rahmen<br />

gebe es derzeit zu wenig, um sich<br />

auf mehr verlassen zu können. Das Bundesnaturschutzgesetz<br />

gibt lediglich fünf<br />

Jahre Schutz für Brachflächen in Rohstoffgewinnung,<br />

nur in Nordrhein-Westfalen<br />

wird im Landesnaturschutzgesetz<br />

„Natur auf Zeit“ überhaupt erwähnt und<br />

die Signifikanzrechtsprechung relativiert<br />

wenigstens die Konsequenzen vereinzelter<br />

unvermeidlicher Tötungen. Nun gibt<br />

es Vorstellungen der praktischen Umsetzung<br />

eines „Drei-Schritt-Modells“:<br />

Von Erfassen und Genehmigen, dann<br />

Überlassen der Sukzession schließlich<br />

zur Beendigung in Schritten und zum<br />

passenden Zeitpunkt. Kontrolle, Prognosen<br />

und Abstimmung mit Behörden<br />

sollen dies begleiten. Kersandt bringt<br />

abschließend ein weiteres Beispiel mit<br />

dem niederländischen Modell, das ein<br />

Amsterdamer Gericht auch als EUkonform<br />

erklärt hat. Das Potenzial in<br />

Deutschland wäre riesig, man spricht<br />

von 120.000 ha Brachflächen der Industrie,<br />

Versorger etc.<br />

Als letzter Referent brachte Dr. Holger<br />

Buschmann, Landesvorsitzender NABU<br />

Niedersachsen, eine ganze Reihe von<br />

Beispielen aus der Rohstoffgewinnung<br />

des Bundeslandes, wo man schon längere<br />

Zeit in enger Kooperation mit den<br />

Betrieben ist und auch eine gemeinsame<br />

Erklärung auf den Weg gebracht hat.<br />

Jede dieser Gewinnungsstätten hat<br />

wohl ihr eigenes Muster aus Chancen<br />

und Schwierigkeiten, aber man hat das<br />

Gefühl, alles wird offen, hoffnungsvoll<br />

und konstruktiv gehandhabt. Das<br />

wuchs von unten aus dem Konkreten<br />

vor Ort, wie Buschmann ausführte, weil<br />

man diese Biotope aus zweiter Hand mit<br />

ihrer anthropogen initiierten Dynamik<br />

beim NABU schätzen lernte. Er hatte bei<br />

der Suche nach seltenen Arten gezielt<br />

die Rohstoffgewinnungsstätten aufgesucht<br />

und wurde immer mit einer überraschenden<br />

Artenvielfalt fündig. Allerdings<br />

erkannte man auch, dass die Art<br />

der Bewirtschaftung entscheidend<br />

wäre, und das machte dann ja Kooperation<br />

unerlässlich. Für die Betriebe ergebe<br />

sich daraus eine generelle Steigerung<br />

der Akzeptanz ihrer Tätigkeit. Noch<br />

sei aus Sicht des NABU nicht alles in<br />

Ordnung. Die Rekultivierungsgenehmigungen<br />

liefen mit ihrer Vorgabe der Wiederherstellung<br />

des Vorzustandes dem<br />

Artenschutz zuwider. Das werde sich<br />

auch so leicht nicht ändern lassen, wie<br />

die Diskussion ergab, weil die Eigner<br />

ihre verpachteten Flächen oft wieder<br />

nutzbar haben möchten, sonst ließen<br />

sie die Rohstoffgewinnung nicht zu.<br />

Bleibt da als Schluss, dass der – wegen<br />

Sukzession nach der Gewinnung – sowieso<br />

schwierig zu erhaltende offene<br />

Zustand mit Rekultivierung beendet<br />

werden muss, wie der ABBM-Vorsitzende<br />

Manfred Hoffmann in seinem<br />

Schlusswort anmerkte, und man eben<br />

immer wieder kostenlose neue Situationen<br />

in der Gewinnung brauche?<br />

Die Teilnehmer lobten anschließend<br />

die Tagung, die den Bogen zwischen<br />

gesellschaftlicher Ablehnung und Unterstützung<br />

seitens Naturschutz spannen<br />

wollte und diesen Anspruch wohl<br />

erfüllt hat. Die Arbeitsgemeinschaft<br />

wies zuletzt auf die nächste Tagung<br />

ähnlicher Natur hin, das Rohstoffkolloquium<br />

am 16. Juli 2020, das wiederum<br />

in Iphofen stattfindet.<br />

Ein Beitrag von Manfred Hoffmann,<br />

geschäftsführender Vorsitzender des<br />

ABBM-Vorstands und Gesellschafter<br />

der Hoffmann Mineral GmbH<br />

www.abbm-bayern.de<br />

GESTEINS PERSPEKTIVEN 5/20<strong>19</strong>

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