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Die Grundschule der Zukunft ist …<br />

Ganztagsschule (gebundener – offener<br />

Ganztag) nicht unterschieden. Heute<br />

wissen wir, dass das angesprochene Problem<br />

besonders auf die offenen Ganztagsschulen<br />

zutrifft.<br />

Der Anspruch auf allseitige Bildung<br />

Wartburgschule Gievenbeck 1981: Praktische Erprobung selbst gebauter Schiffe auf<br />

einem schulnahen Gewässer<br />

Auf der Suche nach Beispielen von<br />

Schulen, die den Anspruch auf allseitige<br />

Bildung für jedes Kind erfolgreich zu<br />

realisieren bemüht sind, kommt einem<br />

rasch der Ganztagszug der Wartburgschule<br />

in Münster in den Sinn, die 1981<br />

mit dem Grundschulpreis und 2008 mit<br />

dem Deutschen Schulpreis ausgezeichnet<br />

wurde. Dabei unterschied sich die<br />

Wartburgschule in ihrer Argumentation<br />

von Anfang an von jener Form staatlicher<br />

Kinderbetreuung, die der Hoffnung<br />

nachhängt, dass durch die bloße<br />

Verlängerung der Schulzeit irgendwelche<br />

kompensatorischen Effekte im<br />

Sinne einer höheren Bildungsgerechtigkeit<br />

zu erzielen seien. Wir wissen aus<br />

den empirischen Studien der letzten<br />

Jahre, zum Beispiel der StEG-Studie,<br />

dass die Ganztagsschulen diese H o ff -<br />

nung nicht erfüllen – zumindest nicht<br />

automatisch. Die bloße Verlängerung<br />

der Anwesenheitszeit der Kinder in<br />

einer ansonsten unveränderten Schule<br />

konnte damals genauso wenig wie heute<br />

als pädagogischer Fortschritt verbucht<br />

werden.<br />

Aber damals wie heute verstand und<br />

versteht sich die Wartburgschule nicht<br />

primär als Aufbewahrungs- und Bewachungsort<br />

für Kinder berufstätiger Eltern,<br />

sondern ist primär Ganztagsschule,<br />

um eine allseitige Bildung aller Kinder<br />

im Sinne von Comenius zu ermöglichen.<br />

Die Wartburgschule verstand und versteht<br />

sich auch gerade nicht als ein Ort<br />

der Entlastung der Eltern von deren Erziehungspflichten,<br />

sondern als ein Ort<br />

intensivierter Zusammenarbeit von Eltern<br />

und Schule bei der gemeinsamen<br />

Aufgabe der Erziehung der jungen Generation.<br />

Die Wartburgschule verstand<br />

und versteht sich auch nicht, wie viele<br />

andere Ganztagsschulen, primär als ein<br />

Ort der kompensatorischen Förderung<br />

armer oder besonders hilfebedürftiger<br />

Kinder, sondern entwickelte von Anfang<br />

an ein Konzept einer allseitigen Bildung<br />

für alle Kinder, das differenzierte Lernangebote<br />

für jedes Kind auf seinem individuellen<br />

Entwicklungsstand in der Gemeinschaft<br />

der Verschiedenen bereitzustellen<br />

bemüht war. Sie war von Anfang<br />

an das, was man heute eine »Inklusionsschule«<br />

nennen würde. und arbeitete<br />

bereits, wie andere Schulen auch, nach<br />

Johann Amos Comenius (1592–1670)<br />

(tschechisch Jan Amos Komenský) Comenius ist der große Pädagoge<br />

des 17. Jahrhunderts. Er war der Erste, der die Pädagogik<br />

vom Kind her entwarf. Seine Forderung nach einer grundlegenden,<br />

das Wesentliche umfassenden Allgemeinbildung für<br />

alle, nach bildungspolitischer Chancengleichheit für Mädchen,<br />

sozial Schwache und geistig Zurückgebliebene, die Prinzipien<br />

der Anschauung und der Selbstständigkeit, der Erziehung zum<br />

Gebrauch der eigenen Vernunft, seine Vorstellung einer lebensnahen,<br />

freundlichen Schule und einer gewaltfreien Erziehung<br />

sind bis heute gültig geblieben, ebenso sein Ziel, Menschen zur<br />

Menschlichkeit zu erziehen und dadurch die Welt zu verbessern.<br />

Comenius’ Hoffnung auf eine humane Welt, auf Fortschritt und<br />

Verbesserung des menschlichen Lebens verbinden ihn mit der<br />

Neuzeit. Als Prinzipien des Lernens forderte er Lernen durch Tun,<br />

der Anschauung gab er den Vorrang vor sprachlicher Vermittlung,<br />

das Vorbild galt ihm mehr als bloße Worte.<br />

In seinen didaktischen Werken<br />

forderte Comenius eine allgemeine<br />

Reform des Schulwesens<br />

mit einer Schulpflicht für Jungen<br />

und Mädchen aller Stände<br />

mit einer einheitlichen Schulbildung<br />

bis zum 12. Lebens jahr.<br />

Geradezu revolutionär waren<br />

seine Forderungen nach Bildung<br />

auch für Mädchen, nach Anschaulichkeit und Strukturiertheit<br />

des Unterrichts und dessen Bezug zum Alltag.<br />

»Die Menschen müssen so viel wie möglich ihre Weisheit nicht<br />

aus Büchern schöpfen, sondern aus Himmel und Erde, aus<br />

Eichen und Buchen, d. h. sie müssen die Dinge selbst kennen<br />

und erforschen und nicht nur fremde Beobachtungen und<br />

Zeugnisse darüber.«<br />

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GS aktuell 147 • September 2019

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