GSa147_190822-Web-Einzelseiten
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… eine Schule der allseitigen Bildung<br />
einem inklusiven Konzept, lange bevor<br />
dieser Begriff bekannt und populär<br />
wurde.<br />
»Wenn die Schule sich öffnet«<br />
Der Ganztagszug an der Wartburgschule<br />
beanspruchte stets, die Schule<br />
für den Stadtteil zu öffnen wie auch innerschulisches<br />
Lernen so oft wie möglich<br />
an Orten der außerschulischen<br />
Wirklichkeit anzusiedeln.<br />
In der Konzeption für den Ganztagszug<br />
von 1979 heißt es wörtlich: »Die<br />
Konzeption für die Ganztags-Grundschule<br />
Gievenbeck und die Konzeption<br />
für die Wissenschaftliche Begleitung<br />
formulieren folgende Aufgabenperspektiven:<br />
1.) die Verminderung der Trennung<br />
von schulischem Lernen und außerschulischer<br />
Erfahrung der Kinder, welche<br />
dazu geführt hat, dass schulischer<br />
Unterricht seiner Aufgabe einer Erweiterung<br />
von Erfahrung und Handlungsfähigkeit<br />
in Problemgebieten nur sehr<br />
begrenzt genügen kann;<br />
2.) die Integration schul- und sozialpädagogischer<br />
Konzepte und Maßnahmen,<br />
welche dazu beitragen soll, die<br />
wechselseitige Erzeugung außerschulischer<br />
Erziehungsprobleme durch innerschulische<br />
Probleme und umgekehrt zu<br />
durchbrechen.« 2<br />
Diese beiden Ziele sollten erreicht<br />
werden auf dem Weg<br />
– »einer ›methodischen Öffnung‹ der<br />
Schule, welche schulisches Lernen<br />
Wartburgschule Gievenbeck 1981: Wochenplanbesprechung<br />
unter stärkerer Berücksichtigung der<br />
außerschulischen Erfahrungs- und<br />
Handlungsfelder der Kinder plant<br />
und durch stärkeren Einbezug spielerischer,<br />
kreativer und produktiver<br />
Lern- und Arbeitsformen auf die Bewältigung<br />
gegenwärtiger und zukünftiger<br />
Lebenssituationen ausrichtet;<br />
– einer thematischen Öffnung des<br />
schulischen Fachunterrichts für fächerübergreifende<br />
und überfachliche<br />
Perspektiven, wie sie unter anderem<br />
in den Richtlinien für eine unterrichtliche<br />
Erweiterung der Alltagserfahrung<br />
der Kinder gefordert sind;<br />
– [und] einer institutionellen Öffnung<br />
der Schule gegenüber den außerschulischen<br />
Lebens-, Erfahrungs- und Handlungsbereichen<br />
in Familie und Stadtteil<br />
durch Beteiligung von Eltern und Repräsentanten<br />
des kulturellen, beruflichen,<br />
politischen und religiösen Lebens<br />
am Unterricht, durch vermehrte<br />
Nutzung außerschulischer Lernorte<br />
sowie durch Inanspruchnahme außerschulischer<br />
Bildungsinstitutionen.« 3<br />
»Daher die goldene Regel für alle Lehrenden: Alles soll wo immer<br />
möglich den Sinnen vorgeführt werden, was sichtbar dem<br />
Gesicht, was hörbar dem Gehör, was riechbar dem Geruch, was<br />
schmeckbar dem Geschmack, was fühlbar dem Tastsinn. Und<br />
wenn etwas durch verschiedene Sinne aufgenommen werden<br />
kann, soll es den verschiedenen zugleich vorgesetzt werden […]«<br />
Zitate aus J. A. Comenius (1657/2018): Große Didaktik. Die vollständige<br />
Kunst, alle Menschen alles zu lehren, hrsg. von Andreas<br />
Flitner, Stuttgart: Klett-Cotta<br />
Wilhelm von Humboldt (1767–1835)<br />
Die moderne Auffassung von Bildung geht vor allem auf Wilhelm<br />
von Humboldt zurück, der im Übergang vom 18. zum<br />
19. Jahrhundert die wohl weitreichendste Bildungsreform im<br />
deutschen Sprachraum plante und durchsetzte. Von Humboldt<br />
definierte Bildung als »die Anregung aller Kräfte des Menschen,<br />
damit diese sich über<br />
die Aneignung der Welt entfalten<br />
und zu einer sich selbst<br />
bestimmenden Individualität<br />
und Persönlichkeit führen«.<br />
Bildung im Sinne des »Humboldt‘schen<br />
Bildungsideals« ist<br />
mehr als die Aneignung von<br />
Wissen – ebenso wichtig ist die<br />
Entwicklung der Persönlichkeit und ihrer Fähigkeiten und Talente.<br />
Obwohl er Bildungsreformen im staatlichen Rahmen anstrebte,<br />
blieb Humboldt recht skeptisch: »Je mehr also der Staat<br />
mitwirkt, desto ähnlicher ist nicht bloß alles Wirkende, sondern<br />
auch alles Gewirkte. (…) Wer aber für andere so räsoniert,<br />
den hat man, und nicht mit Unrecht, in Verdacht, dass er die<br />
Menschen misskennt und aus Menschen Maschinen machen<br />
will.«<br />
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GS aktuell 147 • September 2019<br />
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