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<strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 240 · M ittwoch, 16. Oktober 2019 15 *<br />
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Berlin<br />
Nicht zu verunsichern<br />
MARIA MALLÉ<br />
schart als Star des 1998 geschlossenen<br />
Metropol-Theaters immer noch<br />
regelmäßig ehemalige Kollegen für<br />
Herzens-Produktionen ihres Vereins<br />
Musikalische Komödie um sich.<br />
Ganz aktuell ist die „Kabarette“<br />
(Wortspiel aus Kabarett und Operette)<br />
„Linckes Luna ist nicht totzukriegen!“<br />
im Freizeitforum Marzahn.<br />
Die österreichisch-deutsche Schauspielerin,<br />
Sängerin und Diseuse<br />
freut sich: „Wir hatten gerade eine<br />
rauschende Premiere.“<br />
Drei weitere Vorstellungen, die<br />
nächste am 19. Oktober,sollen folgen.<br />
Maria Mallé mag die Irritation<br />
des Publikums im ersten Akt:<br />
„Da wundern sich die Leute, weil<br />
vom Mietendeckel gesprochen<br />
wird und es auch sonst um sehr<br />
heutige Themen geht. Wenn dann<br />
aber im zweiten Akt die herrlichen<br />
Lincke-Melodien erklingen, ist alles<br />
wieder gut.“ Sogar Damen aus<br />
dem alten Metropol-Ballett sind<br />
unter dem augenzwinkernden Ensemble-Namen<br />
„Die scharfen Socken“<br />
dabei. Maria Mallé erklärt,<br />
dass auch die nicht jünger geworden<br />
sind: „Das sind ganz wilde<br />
Hühner! Die Beine können jetzt<br />
zwar nicht mehr 90 Grad in die<br />
Höhe geworfen werden, aber 45<br />
reichen ja auch, wenn man mit Begeisterung<br />
bei der Sache ist.“<br />
Damit sich das heimatlos gewordene<br />
Publikum des ehemaligen<br />
Operettenhauses an der Friedrichstraße<br />
in Marzahn heimisch fühlt,<br />
wurde umdekoriert: Ein Banner mit<br />
dem alten Motto „Wieder mal ins<br />
Metropol“ hängt am Eingang.<br />
Maria Mallé tritt aktuell im Freizeitforum Marzahn auf. CHRISTIAN SCHULZ Leslie Mandoki ist mit seinen Soulmates im Konzerthaus zu hören. CHRISTIAN SCHULZ<br />
LESLIE MANDOKI<br />
ist auf sein gerade erschienenes Doppelalbum<br />
„Mandoki Soulmates –Living<br />
in the Gap/Hungarian Pictures“<br />
wahnsinnig stolz. Bewusst schlug er<br />
in den Wind, was sich an starren Regeln<br />
in den vergangenen Jahren in der<br />
Musikbranche etablierte: „Konzeptalbum,<br />
Doppelalbum –das darfesalles<br />
eigentlich nicht mehr geben. Aber<br />
ich bin nicht zu verunsichern, ich<br />
weiß, was ich tue!“<br />
Mangelndes Selbstbewusstsein<br />
ist definitv nicht Mandokis Problem:<br />
„Ich durfte in meinem Leben sehr<br />
viele Alben produzieren. Weltstars<br />
haben sich mir anvertraut. Dieses Album<br />
ist das Beste.“ In einer Zeit, in<br />
der Menschen miteinander Musik<br />
produzieren, die sich bei der Arbeit<br />
auf unterschiedlichen Kontinenten<br />
von Andreas Kurtz<br />
ak@andreaskurtz.net<br />
Leslie Mandoki weiß, was er tut.<br />
Maria Mallé reanimiert die<br />
Operettentradition<br />
aufhalten, legte Mandoki Wert auf<br />
die altmodische Herangehensweise:<br />
„Wir haben das analog miteinander<br />
in einem Studio eingespielt. In genau<br />
dieser Reihenfolge.“<br />
Er fürchtet sich nicht vorder Konkurrenz<br />
zu Playlists bei den Streamingdiensten:<br />
„Es heißt immer wieder:<br />
Die Leute hören heute keine<br />
zwei Stunden mehr am Stück. Dann<br />
sage ich: Hört die ersten drei Songs,<br />
dann habt ihr Hunger auf den Rest!“<br />
Am 9. November tritt Mandoki mit<br />
seinen Soulmates im Konzerthaus<br />
auf. Dieser geschichtsträchtige Termin<br />
war seinWunsch:„Ich habe mich<br />
sehr früh um genau diesen Termin im<br />
Konzerthaus bemüht. An diesem<br />
Abend treffen sich die europäische<br />
Geschichte und meine persönliche<br />
Biografie.Ich bin ein Budapester Bub<br />
und jetzt ein Bürger der bunten Republik<br />
Deutschland.“ Die Soulmates,<br />
eine Band aus Legenden wie Chris<br />
Thompson, Bobby Kimball, Ian Anderson<br />
und Peter Maffay, bezeichnet<br />
Mandoki als Wertegemeinschaft:<br />
„Wir stehen für eine humane, achtsame<br />
Gesellschaft, in der das Miteinander<br />
imVordergrundsteht.“<br />
Seit in den Musikfirmen die Betriebswirtschaftler<br />
die Macht übernommen<br />
haben, ist Mandoki seine<br />
Unabhängigkeit besonders wichtig.<br />
Er lässt sich die Opulenz seiner Produktionen<br />
nicht ausreden. Undkann<br />
die sogar begründen: „Alles, was ich<br />
an Möglichkeiten habe,verdanke ich<br />
dem Publikum. Ichbin es ihm schuldig<br />
und darf deshalb nicht an der<br />
Ausstattung eines Konzerts oder eines<br />
Albums sparen.“<br />
Die jungen Leute, die regelmäßig<br />
demonstrieren, betrachtet der Musiker<br />
mit Sympathie: „Fridays for Future<br />
erinnert mich an meine Verzweiflung<br />
mit 16 als es mir in Ungarn<br />
um freie Rede und Reisefreiheit<br />
ging.“ Das Lied „Young Rebels“, das<br />
wie eine Reaktion darauf wirkt, hat er<br />
vor anderthalb Jahren geschrieben.<br />
„Inspiriertvon meinen Kindern.“<br />
Früher sprach man Mandoki besser<br />
nicht auf seine Zeit in der Gruppe<br />
Dschinghis Khan an, in der er den<br />
Klischeemongolen gab: „Mittlerweile<br />
lache ich darüber. Aber ich<br />
wollte nicht darauf reduziert werden.“Ralph<br />
Siegels Projekt hatte neben<br />
künstlerischen Aspekten für ihn<br />
und seine Bandkollegen einen Nachteil:<br />
„Mich störtnicht, dass wir daran<br />
kein Geld verdient haben. Mich<br />
stört, dass alle dachten, wir hätten.“<br />
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GASAG-Mobilitätsexperte David Graebe (rechts oben) setzt auf vielseitige Ansätze für nachhaltigen Verkehr.<br />
ANDREAS KRONE, THOMAS ECKE, UBITRICITY<br />
KLIMASCHUTZ UND MOBILITÄT<br />
Die Verkehrswelt wird bunter<br />
Auf Berlins Straßen geht häufig<br />
nichts mehr. Feinstaub und Stickstoffdioxid<br />
quälen die Anwohner.<br />
Und der hohe CO 2 -Ausstoß belastet<br />
das Klima. Um 40 Prozent müssen die<br />
CO 2 -Emissionen im Verkehrsbereich in<br />
den nächsten zehn Jahren sinken. Das<br />
hat die Bundesregierung in ihren Eckpunkten<br />
für das Klimapaket Ende September<br />
festgeschrieben. Mehr Mobilität<br />
bei weniger Umweltbelastung. Das<br />
ist auch die Vision der Verkehrswende,<br />
die der <strong>Berliner</strong> Senat anstrebt. Aber<br />
wie ist das erreichbar?<br />
„Wer an die Mobilität von morgen<br />
denkt, denkt derzeit hauptsächlich an<br />
Elektro-Fahrzeuge. Aber das allein greift<br />
viel zu kurz“, sagt David Graebe. Graebe<br />
ist Mobilitätsexperte beim <strong>Berliner</strong><br />
Energiedienstleister GASAG. Er schiebt<br />
Projekte an, die den Verkehr umweltfreundlicher<br />
machen. Schon seit 12 Jahren<br />
arbeitet die GASAG beispielsweise<br />
mit dem <strong>Berliner</strong> Wohnungsunternehmen<br />
HOWOGE zusammen. Die HOWOGE hat<br />
ihren Fuhrpark mit Unterstützung der<br />
GASAG auf klimafreundliche CNG-Fahrzeuge<br />
umgestellt. Diese Autos können<br />
mit Erdgas oder Bio-Erdgas betrieben<br />
werden und erreichen mühelos die Euro<br />
6Abgasnorm. Beispiele, wie dieses, zeigten<br />
die Vielfalt alltagstauglicher und kostengünstiger<br />
Lösungen, erklärt Graebe.<br />
Er wünscht sich deshalb mehr Offenheit<br />
in der Diskussion: „Gerade im<br />
gewerblichen Bereich, für Handwerker,<br />
für den Lieferverkehr oder auch für Taxis<br />
und den ÖPNV sind CNG-Fahrzeuge<br />
eine tolle Option.“ CNG-Autos haben<br />
einen deutlich geringeren CO 2 -Fußabdruck<br />
als Benziner oder Diesel. Laut einer<br />
Studie des ADAC haben nicht E-Autos,<br />
sondern CNG-Fahrzeuge die beste<br />
Klimabilanz, wenn man den gesamten<br />
Lebenszyklus eines Fahrzeugs betrachtet.<br />
<strong>Berliner</strong> Fahrer von Erdgas-Autos<br />
können zudem auf eine hervorragend<br />
ausgebaute Tankstellen-Infrastruktur<br />
zurückgreifen. David Graebe: „Allein in<br />
Berlin und Brandenburg gibt es um die<br />
70 Erdgastankstellen.“<br />
Die Ladeinfrastruktur für E-Autos<br />
hat dagegen noch Ausbaupotenzial. Bei<br />
vielen Projekten plant die GASAG mit<br />
Projektentwicklern deshalb E-Ladepunkte<br />
ein, wie beim neuen „Maximilians<br />
Quartier“ in Wilmersdorf. Für Graebe ist<br />
die Ladeinfrastruktur ein wesentlicher<br />
Schlüssel: „Damit sich Elektromobilität<br />
durchsetzen kann, müssen Stellplätze<br />
mit Lademöglichkeiten in direkter Nähe<br />
zur Wohnung ausgestattet werden.“<br />
Die großen Stärken der Elektromobilität<br />
sieht Graebe vor allem bei kurzen<br />
Strecken im Stadtverkehr. Die GASAG<br />
engagiert sich hier mit attraktiven Leasingangeboten<br />
und einem speziellen<br />
Mobilstromtarif, aber auch mit intelligenten<br />
E-Ladelösungen gemeinsam mit<br />
ihrem Partner ubitricity.<br />
Mit alternativen Antrieben alleine<br />
aber sei die Verkehrswende nicht zu<br />
schaffen. „Wie müssen sehr viel mehr<br />
Verkehr als bisher verlagern“, ist Graebe<br />
überzeugt. Der öffentliche Verkehr<br />
müsse ausgebaut, die Busflotte umweltfreundlicher<br />
werden. Während Berlin<br />
konsequent auf E-Busse setzt, fahren<br />
die Busse in Augsburg und Oldenburg<br />
oder auch Madrid und Barcelona mit<br />
CNG-Antrieb. Der Busverkehr ist dadurch<br />
sehr klimaschonend. Außerdem<br />
kommen aus den Auspuffen fast keine<br />
Stickoxide und fast kein Feinstaub. Die<br />
Kosten sind kaum höher als für herkömmliche<br />
Dieselbusse. Elektrobusse<br />
schlagen hingegen mit ungefähr den<br />
doppelten Anschaffungskosten zu Buche.<br />
Hinzu kommen die Kosten, um die<br />
Busdepots mit einer leistungsfähigen<br />
Ladeinfrastruktur auszustatten.<br />
Graebe plädiert für Augenmaß und<br />
einen breiten Technologiemix. Je nach<br />
Fahrzeugart und Einsatzgebiet habe jede<br />
Technologie ihre Vor- und Nachteile. Eine<br />
universelle Lösung gebe es nicht. Die<br />
GASAG hat deshalb das technologieoffene<br />
Förderprogramm „Saubere 444 für<br />
Berlin“ aufgelegt. Ziel ist, gemeinsam<br />
mit Partnern aus der Automobil- und<br />
Energiewirtschaft 444 umweltfreundliche<br />
Elektro- und CNG-Autos, aber auch<br />
innovative Wasserstoff-Autos auf die<br />
<strong>Berliner</strong> Straßen zu bringen.<br />
„Die Welt wird bunter, auch im Verkehr“,<br />
resümiert Graebe. „In der Stadt<br />
von morgen übernehmen umweltfreundliche<br />
Busse und Bahnen den Hauptteil<br />
des täglichen Personenverkehrs. Wer<br />
gelegentlich ein Auto braucht, dem stehen<br />
Sharing-Angebote zur Verfügung.<br />
Vielfahrer können sich zwischen Elektrooder<br />
CNG-Autos entscheiden oder aber<br />
für eine innovative Brennstoffzelle.“