REPORT Der Teufelskerl der Interflug Vor30Jahren landete Hans-Dieter Kallbach mit einer ausrangierten Iljuschin auf einer viel zu kurzen Graspiste Wer die 30 Jahre alten Filmaufnahmen betrachtet, hält den Atem an: Da landet eine mächtige IL-62 der DDR-Fluggesellschaft Interflug auf einer viel zu kurz wirkenden, holprigen Graslandebahn auf einem Segelflugplatz im brandenburgischen Stölln, rund 70 Kilometer nordwestlich von Berlin. Kann sie rechtzeitig zum Stehen gebracht werden? Erst nachdem die riesige Staubwolke verflogen ist, wird sichtbar: Die Maschine ist heil, den Insassen nichts passiert. „Hätten wir gebremst, hätten sich Räder und Flugzeug in den Boden gegraben, wir uns vielleicht überschlagen. Wir mussten mit minimaler Geschwindigkeit aufsetzen und deshalb schon in der Luft den Umkehrschub aktivieren“, erzählt Heinz-Dieter Kallbach, der damals am Steuer saß und mit drei weiteren Besatzungsmitgliedern das vierstrahlige Flugzeug sowjetischer Bauart punktgenau landete. „Wir brauchten freie Sicht und etwas Gegenwind. Das passte am 23. Oktober“, sagt der tollkühne Pilot von damals, der heute immer noch fliegt, mit mittlerweile 79 Jahren. „Meine Fluglizenz gilt noch bis nächstes Jahr. Dann höre ich auf“, sagt der wohl dienstälteste Flugkapitän Deutschlands, der heute in einer Seniorenresidenz in Bad Saarow südöstlich von Berlin lebt. Ausbilder an Flugsimulatoren in Strausberg und Berlin-Schönefeld will er aber bleiben. Zu DDR-Zeiten konnten sich Kommunen um ausrangierte Interflug-Maschinen bewerben, erinnert sich Kallbach. So tat es auch Stölln, jenes Örtchen im Havelland, von dem aus Flugpionier Otto Lilienthal Ende des 19. Jahrhunderts etliche Flugversuche gestartet hatte. Bei seinem letzten war er dort 1896 mit seinem Gleiter abgestürzt und an den Folgen gestorben. Um ihn zu ehren, sollte ein Flugzeug als Museum her. „Vorsitzenderdes damaligen Otto-Lilienthal-Komitees war der Generaldirektor der Interflug“, erinnert sich Kallbach, der selbst damals Chefpilot der IL-62-Staffel bei der DDR- Fluggesellschaft war. Die Maschine für einen Transport von Berlin-Schönefeld erst auseinander- und in Stölln wieder zusammenzubauen, wurde als zu teuer abgelehnt. Also blieb nur der Luftweg. Knackpunkt: Die IL-62 braucht normalerweise eine 2500 Meter lange Betonpiste zum Landen, in Stölln gab es aber nur die 850 Meter Wald- Die Il-62 war eigentlich zu schwer und-Wiesen-Landebahn. Kallbach, früher auch Testpilot für diesen Flugzeugtyp, stellte deshalb physikalische Berechnungen an. „Das passte zunächst hinten und vorne nicht. Die Maschine war mit 83 Tonnen einfach zu schwer“, sagt er. „Acht Tonnen mussten ausgebaut werden – unter anderem die Ballastbehälter unter dem Cockpit.“ Er habe mit der Aktion gegen sämtliche Luftfahrtvorschriften verstoßen. Es gab viele einmalige Sondergenehmigungen, über die der erfahrene Pilot noch heute staunt. Während andere ihn für verrückt erklärten, nahm der in der Lausitz aufgewachsene Sohn einer Arbeiterfamilie die Herausforderung an. Nicht ohne Vorsichtsmaßnahmen: Die Landung am 23. Oktober 1989 war der immerhin dritte Versuch. Zuvor hatte zweimal das Wetter nicht mitgespielt. „Das hat Kallbach damals schon genial gemacht. Er ist ein mutiger, kluger Typ, aber kein Draufgänger. Er weiß genau, was er tut“, lobt Elmar Giemulla, Experte für Luftverkehrsrecht an der Technischen Universität. Die Aktion war so spektakulär, dass Kall- der Rekorde landete. „Nach bach damit im Guinness-Buch mir hat das ja keiner mehrver- Kallbachs Erlebnisse alsPilot sucht“, sagt der 79-Jährige. füllen mittlerweile ein ganzes Buch. Denn die spektakuläre Flugzeug-Landung bei Stölln war längst nicht seine einzige tollkühne Aktion. „Mayday über Saragossa“ sind die Erinnerungen anseine Zeit als Pilot für die Fluggesell- er im schaft Germania. Als Jahr 2000 einen voll besetzten Ferienflieger von Teneriffa nach Berlin zurückfliegen wollte, war ein potenzieller Selbstmörder im Cockpit auf- getaucht. Der würgte denPilo- ten, um die Boing 737 zumAb- sturz zu bringen. Trotz minuund mit tenlangen Kampfes schweren Verletzungenlande- si- te Kallbach die Maschine cher. Von sich reden machte der gebürtige Essener auch ein Jahr später, alserei- vom englischen Coventrynach Berlin überführte. nen DC-3-Rosinenbomber Das 30-Jahr-Jubiläumseiner Punktlandung wird am26.Ok- tober groß gefeiert, an und in der „Lady Agnes“, wie die Stöllner das Flugzeug nachLigetauft lienthals Frau später haben. „Wir freuen uns, die vier damaligen Besatzungs- begrüßen zu können“, sagt Horst Schwenzer, Vorsitzender des Otto- Lilienthal-Vereins. Es mitglieder als Ehrengäste werde Cockpit-Führun- gen geben, eine Kunst- auktion und einen Fest- akt. Jeanette Bederkee
SEITE21 BERLINER KURIER, Montag, 21. Oktober 2019 DasFlugzeug im Fliegerpark Stölln dient heute auch dem Nachbarort Rhinowals Standesamt. Der waghalsige Pilot mit einem Modell der Iljuschin, die er 1989 nach Stölln steuerte. StöllnsBürgermeisterin SybilleHelinggratulierte Kallbachnachder geglücktenLandung. Fotos: dpa
- Seite 1 und 2: Fotos: Richard, AFP Postvertriebsst
- Seite 3 und 4: * SEITE3 BERLINER KURIER, Montag, 2
- Seite 5 und 6: * SEITE5 BERLINER KURIER, Montag, 2
- Seite 7 und 8: Riskante Landung Der Teufelskerl de
- Seite 9 und 10: BERLIN 9 Abgestellte E-Roller block
- Seite 11 und 12: ab Mo. 14.10. ab Mo. 21.10. Kundenm
- Seite 13 und 14: „Erlesene Gewürz- Selection“Ad
- Seite 15 und 16: BERLIN 15 Fotos: Friedel Er hat auc
- Seite 17 und 18: BERLIN 17 Eine Frau wurde in die ei
- Seite 19: * KULTUR SEITE19 BERLINER KURIER, M
- Seite 23 und 24: * Berlin -Esist ein Thema, bei dem
- Seite 25 und 26: * SPORT 25 PC Labrie, Leo Pföderl
- Seite 27 und 28: * SPORT 27 Lukebakio lässt den Bre
- Seite 29 und 30: BERLINER KURIER, Montag, 21. Oktobe
- Seite 31 und 32: FERNSEHEN 31 KABEL 1 RBB MDR RTL 2
- Seite 33 und 34: * PANORAMA SEITE33 BERLINER KURIER,
- Seite 35 und 36: * Die Särge sind in einem ungewöh