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18 <strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 21 · 2 5./26. Januar 2020<br />
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Schönes Wochenende<br />
WEINKUNDE<br />
FUNDSTÜCKE<br />
VonOlgaBobileva<br />
Haben Sie auchetwas Neues in derStadtentdeckt?<br />
Bitte schreiben Sie uns an: berlin.fundstuecke@dumont.de<br />
VonRomana Echensperger<br />
IMAGO IMAGES/JAKOB HOFF<br />
IMAGO/PANTHERMEDIA<br />
Hinter Horitschon<br />
geht’sweiter<br />
Wer vonWien aus zum Neusiedler Seefährt, landet im<br />
WinzerortGols.Berühmte Weingüter reihen sich hier<br />
aneinander,man speist in schicken Restaurants und nächtigt<br />
in durchdesignten Hotels.Nach Horitschon im Mittelburgenland<br />
ist der Wegviel weiter.Kaum ein Tourist verirrtsich hierher.Der<br />
Lebensrhythmus ist weniger aufgeregt. Auch weil<br />
man hier an der GrenzezuUngarnlebt, wo noch vorgar nicht<br />
langer Zeit dieWelt am EisernenVorhang endete.Eswar buchstäblich<br />
das hinterste EckÖsterreichs.<br />
Dorthat FranzWeninger im Jahre2000 dasWeingut vonseinem<br />
Vater übernommen und seitdem viel verändert. Sein<br />
Weinbau- und Kellertechnikstudium hat er an der Fachhochschule<br />
Klosterneuburgabsolviertund ist dann auf Wanderschaft<br />
gegangen. DerWeg führte ihn auch nach Kalifornien.<br />
Dortist ihm aufgefallen, dass die Winzer oftmals einen Weinstil<br />
nur kopieren. DieRotweine waren nach Bordeaux-Vorbild<br />
bereitet, und Chardonnay sollte nach Burgunder schmecken.<br />
„Ich dachte erst, Gott sei Dank, ich habe mein Weingut in Europa,<br />
da ist das ja alles anders“, sagt Franz Weninger.Als er allerdings<br />
nach Hause kam, sah er,dass sein Vater im Keller die<br />
gleichen Hefen, Enzyme und Tannine der gleichen Firmen zusetzte<br />
wie die Kollegen in Kalifornien. Einstaatlich finanzierter<br />
Önologe hatte die Winzer im Burgenland dahingehend beraten<br />
und ihnen sein Rezept für „modernen Wein“ übergestülpt.<br />
Franz Weninger wollte das nicht.<br />
Dererste Schritt war es,die Weine wieder mit Naturhefen<br />
und ohne Zusätzezuvergären. Aufder Suchenach individuelleren<br />
Weinen stellte er auf biologische und dann auf biologisch-dynamische<br />
Wirtschaftsweise um. Auch an der Weinstilistik<br />
hat er gearbeitet. „Mein Großvater hat die Rotweine nur<br />
kurzmazerieren lassen und dann im großen Fass ausgebaut“,<br />
erklärter. „Soentstanden leichte,süffige Rotweine.“ Nach dem<br />
Weinskandal in den 80er-Jahren wollte man davon weg. Qualität<br />
wurde mit alkoholischer Schwereund Konzentration<br />
gleichgesetzt. Er ging wieder einen Schritt zurück und erzeugt<br />
heute nach seinen Ideen einen Blaufränkisch. Besonders gelungen<br />
ist der Rotwein aus der Lage Hochäcker. „Hier ist es etwas<br />
wärmer und der Boden fetter,die Weine haben so etwas<br />
herrlich Saftiges,“ erzählt er.Inder Tatverströmt der Wein einen<br />
intensiven Duft vonKirschfrucht, Hagebutte,Walderdbeeren,<br />
Minzeund pfeffriger Würze.Der Wein ist trocken und<br />
verfügtüber die für Blaufränkisch so typische erfrischende<br />
Säure. Feiner Gerbstoffbiss,mit 12,5 Prozent Alkohol mittelkräftig<br />
und ein langer Nachhall runden den Hochäckerab. So<br />
schmeckt also Blaufränkisch aus Horitschon.<br />
2017Hochäcker Blaufränkisch WeingutFranz Weninger,Burgenland, 12 Euro,<br />
www.weinfurore.de<br />
Shop<br />
Gänzlich<br />
natürlich eingeseift<br />
Mit circa 1,8 Quadratmeternist die Haut unser größtes Organ.<br />
Wir hegen und pflegen, sie und doch ist sie mal zu<br />
trocken oder gereizt. Washelfen könnte, sie zu regenerieren<br />
und mit Feuchtigkeit zu versorgen –und gleichzeitig gut für die<br />
Umwelt ist –, sind zum Beispiel Naturseifen. Ganz besondere<br />
dieser Artgibt es bei 1001 &1Seife in Karlshorst. Seit 20 Jahren<br />
stellen Xenia Trost und ihr Team in ihrer <strong>Berliner</strong> Manufaktur<br />
in liebevoller Handarbeit Naturseifen auf Basis nachwachsender<br />
Pflanzenöle her, die rückfettend sind und damit die Haut<br />
pflegen. Die Naturseifen sind gänzlich plastikfrei, vegan, biologisch<br />
abbaubar und werden in Papier verpackt, das von<strong>Berliner</strong><br />
Künstlernentworfen wurde.Die Produkte tragen besondere<br />
Namen wie Stutenmilch-Seife (mit Nachtkerzenöl) oder<br />
Sonnenenergie-Seife (mit Sanddorn). Zudem sind Seifen zum<br />
Haarewaschen, Rasierseifen wie Tabula Rasa, Badeschokolade<br />
und Parfums im umfangreichen Sortiment.<br />
1000 &1Seife Ehrenfelsstraße9,Karlshorst. Di–Fr 12–18Uhr,Sa11–15 Uhr<br />
Festival<br />
Ein Stückchen Japan in<br />
der Urania<br />
Träumen Siedavon, mal nach Japan zu reisen und sind fasziniert<br />
von der Kultur und Kulinarik des sogenannten<br />
Landes der aufgehenden Sonne? Am Wochenende können Sie<br />
in der Urania auf dem JapanFestival Berlin einen besonderen<br />
Einblick in die bunte Vielfalt Japans gewinnen. 450 Künstler,<br />
Musiker, Tänzer und Akteure präsentieren dabei ein buntes<br />
Programm. Mit verblüffenden Performances begeistern zum<br />
Beispiel die Taiko-Trommler vonTengu Daiko,Künstlerin Chihoko<br />
zeigt traditionelle japanische Tänze. Daneben gibt es<br />
eine Kimono-Präsentation sowie Kampfkunst-Darbietungen<br />
vonAikido und Ju TaiJitsu. Auch die über 120 Aussteller haben<br />
so Eeiniges in petto: japanisches Interieur, Mangas, Informationen<br />
zur Heilkunst, Tourismus und japanische Köstlichkeiten<br />
ergänzen das Angebot des Festivals.<br />
JapanFestival Berlin Urania,Ander Urania17, Schöneberg.Sa–So ab 10–20/18<br />
Uhr,Ticket ab 16 Euro<br />
IMAGO IMAGES /AFLO<br />
Markt<br />
Antike Textilien für<br />
Nostalgiker<br />
Wessen Herz für antike Textilschätzeschlägt, der wirdsich<br />
auf dem Antik-Wäschemarkt im Kulturhaus Centre Bagatelle<br />
in Berlin-Mitte vermutlich wie im Paradies fühlen. Am<br />
Sonnabend liegen dort auf diversen Verkaufstischen zahlreiche<br />
textile Kostbarkeiten aus vergangener Zeit zum Verkauf.<br />
Bereit, um aus der Vergessenheit und dem Dunkel der<br />
Schränke und Schubladen wieder zum Einsatz zu kommen<br />
und um Tische oder Kommoden zu schmücken. Im Angebot<br />
finden sich alte, aber nicht minder hochwertige Bett-, Leiboder<br />
Tischwäsche, Rolltücher, zarte oder imposante Sticktücher<br />
sowie Küchentextilien aller Art wie beispielsweise Regalborten<br />
und Überhandtücher.Eine weitereBesonderheit: Auch<br />
Sachen aus besonderen Materialien wie Spitze–inklusiveKleidungsstücke<br />
bis 1930 –sind auf dem Antik-Wäschemarkt erhältlich.<br />
Also: Stöbernlohnt sich!<br />
Antik-Wäschemarkt KulturhausCentre Bagatelle, Zeltinger Straße 6, Frohnau.<br />
Sonnabend 11–16Uhr,Eintritt frei<br />
Veggienale &FairGoods<br />
Nachhaltige und<br />
pflanzliche Alternativen<br />
Wer auf tierische Produkte verzichtet oder sich gern über<br />
den veganen Ernährungs- und Lebensstil informieren<br />
möchte, findet auf der Veggienale &FairGoods Anregungen<br />
und Antworten. Auf der Besuchermesse im Loewe-Saal dreht<br />
sich nämlich alles um eine pflanzliche Ernährung und um<br />
fairen Handel. Auf einem Marktplatz präsentieren zahlreiche<br />
Aussteller ihre Produkte und informieren die Besucher über<br />
die verschiedenen Facetten ökologischer Nachhaltigkeit wie<br />
Upcycling, Fairtrade, ZeroWaste oder Eco Fashion. Daneben<br />
gibt es zahlreiche Vorträge,Talks, Kochshows und Workshops<br />
zum Thema Vielseitigkeit des grünen Lebens. Zwischendurch<br />
kann man sich in der Foodarea mit Köstlichkeiten der veganen<br />
Küche stärken. Übrigens: Für die Kleinen gibt es ein extra<br />
Programm, damit keine Langeweile aufkommt.<br />
Veggienale&FairGoods Loewe-Saal,Wiebestraße42, Mitte. Sa–So 10–18 Uhr,Tagesticket<br />
8Euro, ermäßigt 6Euro<br />
IMAGO/PANTHERMEDIA<br />
WOHIN AM WOCHENENDE?<br />
Mit<br />
Alt-<strong>Berliner</strong><br />
Charme<br />
Im Hotel Kastanienhof<br />
taucht man in die<br />
Kiezgeschichte des<br />
Prenzlauer Bergs ein<br />
VonIda Luise Krenzlin<br />
Das Hotel Kastanienhof –eine Institution in der Kastanienallee.<br />
BUSCH (2), LUCIUS<br />
Wofindet man noch <strong>Berliner</strong> Originale?<br />
Gerade in Bezirken wie<br />
Prenzlauer Berg,woCafés,die Coffee<br />
Heros oder Morning Glory heißen,<br />
Coworking-Spaces und grelle, aber<br />
austauschbare Pizza-Falafel-Sushi-<br />
Läden um internationale Kundschaft<br />
werben. <strong>Berliner</strong> Originale sind selten<br />
geworden. Aber –und das ist ein Trost<br />
–esgibt sie noch.<br />
Im Kastanienhof sind gleich drei<br />
<strong>Berliner</strong> Originale zu Hause. Otto,<br />
Uwe und Maximilian Hauptmann,<br />
Großvater, Vater und Enkel, betreiben<br />
das Hotel und widmen sich liebevoll<br />
der Geschichte ihres Kiezes an<br />
der Kastanienallee.<br />
Auch ohne Übernachtungswunsch<br />
sollte man dem Hotel einen<br />
Besuch abstatten und in der Restauration<br />
Ausspanne im Souterrain in<br />
die Geschichte des Prenzlauer Bergs<br />
eintauchen. Eine Zeit wird lebendig,<br />
in der es noch in fast jedem Parterre<br />
einen Laden gab. Mehrere Apotheken,<br />
Bäcker,Metzger und Hutmacher<br />
existierten nebeneinander. Esist die<br />
Zeit der Fuhrunternehmer. Pferdekutschen<br />
zogen zur Jahrhundertwende<br />
alles durch die <strong>Berliner</strong> Straßen.<br />
Natürlich auch durch die Kastanienallee.<br />
Särge zu Beerdigungen,<br />
Bierfässer und Flaschen von den<br />
Brauereien in die Schankwirtschaften,<br />
es gab sogar Pferdeomnibuslinien.<br />
Und weil Berlin immer enger<br />
wurde, sich in den Hinterhäusern<br />
mehrereFamilien kleine Wohnungen<br />
teilten, fuhren die <strong>Berliner</strong> am Wochenende<br />
gerne „ins Jrüne“, natürlich<br />
mit dem Kremser und Kind und<br />
Kegel. Die Hauptmanns sind engagierte<br />
Hoteliers und Bewahrer ihrer<br />
Geschichte, die eng verknüpft ist mit<br />
derKastanienallee.Inder Ausspanne<br />
hängen historische Fotografien an<br />
den Wänden. Sie zeigen Menschen,<br />
Geschäfte und Häuser. Alle aus der<br />
Kastanienallee oder den benachbarten<br />
Straßen. Dazu kommen alte Bierkrüge,Kleiderhaken,<br />
Plakate aus dem<br />
schräg gegenüberliegenden Prater.<br />
EinSammelsurium an Eintrittskarten<br />
aus alten Varietés und sogar eine originale<br />
Bacigalupo-Drehorgel, die<br />
1903 in einer Werkstattinder Schönhauser<br />
Allee gebaut wurde. Wer ein<br />
Faible für Alt-Berlin hat, sollte seine<br />
Molle ruhigimKastanienhof trinken.<br />
Mit etwas Glück trifft man auf Uwe<br />
Hauptmann, der bereitwillig und begeistert<br />
all den Sammlerstücken Leben<br />
einhaucht. Mit ihren Geschichten.„Castorf,<br />
der Eisenhändler“, auch<br />
alte Werbeschilder hängen an den<br />
Wänden. Albert Castorf ist gemeint,<br />
der Urgroßvater des langjährigen<br />
Volksbühnen-Chefs Frank Castorf.<br />
Uwe Hauptmann, so scheint es,<br />
kennt alle Kaufleute, Geschäftsleute<br />
und Händler, die in den letzten 100<br />
Jahren einen Laden in der Nähe hatten.<br />
Im Frühstücksraum ist das Inventar<br />
aus der längst geschlossenen<br />
Restauration Tucholsky ausgestellt.