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4 25./26. JANUAR 2020<br />
Känguru-Insel-Schmalfußbeutelmaus:<br />
Sminthopsis aitkeni heißt diese Beuteltierart<br />
in der Fachsprache, auf Englisch Kangaroo Island<br />
Dunnart. Das Leichtgewicht –die Tierchen<br />
wiegen nur 20 bis 25 Gramm –bewohnt Waldund<br />
Heidegebiete auf der Känguru-Insel vor<br />
der Südküste Australiens. Anderswo kommt die<br />
Artnicht vor. Vermutlich ernährtsie sich vonInsekten<br />
und anderen Kleintieren. Die Buschbrände<br />
haben 80 Prozent ihres Lebensraums<br />
zerstört. Die Känguru-Insel galt bisher als eine<br />
ArtArche Noah für seltene Arten. Sie wurden<br />
vonden Bränden besonders stark zerstört.<br />
Brennende<br />
Biotope<br />
Derby<br />
Wyndham<br />
GOVERNMENT OF SOUTH AUSTRALIA<br />
DOUG BECKERS<br />
Hastings River Mouse: Die kleinen Nager<br />
(Pseudomysoralis)kommen in Queensland<br />
und Neusüdwales vor. Allerdings sind sie so selten,<br />
dasssie alsbedroht eingestuft wurden.<br />
Ihre Lage dürfte sich nun deutlich verschlechtert<br />
haben, denn durch dieBrände gingen vermutlich<br />
fast40Prozent ihresLebensraumsverloren.<br />
Die gut 90 Gramm leichten und 17 Zentimeter<br />
langen Mäuse fühlen sich in Wäldernwohl,<br />
derenBöden dicht bewachsensind –etwa<br />
mit Farn,Riedgras und Kräutern. Ihre Nester<br />
bauensie gerneinBaumhöhlen. All<br />
dieseBedingungen findensie in ihremVerbreitungsgebiet<br />
nunkaum nochvor.<br />
Bei den Buschfeuern in<br />
Australien sind<br />
schätzungsweise eine<br />
Milliarde Tiere<br />
umgekommen. Viele<br />
ohnehin schon seltene<br />
Arten stehen nun ihrer<br />
Auslöschung noch<br />
näher<br />
VonAnne Brüning (Text) und<br />
Isabella Galanty (Grafik)<br />
Geraldton<br />
WEST-<br />
AUSTRALIEN<br />
IMAGO IMAGES<br />
Bürstenschwanz-Felskänguru: Der wissenschaftliche<br />
Name dieses Beuteltiers lautet Petrogale<br />
penicillata.Die Tiere werden bis zu 60<br />
Zentimeter lang.Sie fressen Gräser,Blätter,<br />
Wurzeln, Rinde und Früchte.Schon vorden<br />
Bränden galten sie als gefährdet, denn Rotfüchse<br />
machen Jagd auf sie, Schafe und Ziegender<br />
sich ausbreitenden Farmen fressen die<br />
Vegetation ab.Die auf Englisch Brush-Tailed<br />
Rock-Wallabygenannten Tiere leben vorallem<br />
in Neusüdwales und im Süden vonQueensland<br />
–Regionen, die vonden Bränden besonders<br />
betroffen sind. Ihr Lebensraum ist bereits<br />
zu 30 bis 50 Prozent zerstört.<br />
Kurzschnabel-Ameisenigel,inder Fachsprache<br />
Tachyglossus aculeatus,sind eierlegende<br />
Säugetiere. Auffällig sind ihre Stacheln am Rücken<br />
und an den Flanken. Aufder Känguru-Insel<br />
lebt eine eigene Unterartder Tiere, der Känguru-Insel-Kurzschnabeligel<br />
Tachyglossus<br />
aculeatus multiaculeatus.Sein Lebensraum<br />
ist nun zu 50 bis 80 Prozent zerstört. Die dämmerungsaktiven<br />
Tiere haben eine lange, klebrigeZunge,<br />
mit der sie ihre Nahrung –Ameisen<br />
und Termiten –auflesen. Sie können gut graben<br />
und auch unter der Erde leben. Ob ihnen<br />
das genützt hat, ist noch unklar.<br />
In den vergangenen Tagen hat David<br />
Lindenmayer seine Frau kaum zu Gesicht<br />
bekommen. Dieauf WildtierespezialisierteVeterinärmedizinerin<br />
war unterwegs<br />
in den von Buschfeuern betroffenen<br />
Gebieten im Südwesten Australiens. Dort<br />
musste sie etwas tun, was wohl zu den<br />
schlimmsten Tätigkeiten ihres Berufs gehört:<br />
„Sie hat verletzte Tiere eingeschläfert“, berichtet<br />
Lindenmayer,der als Landschaftsökologe<br />
und Naturschutzbiologe die seit Monaten<br />
in Flammen aufgehende Natur imSüdwesten<br />
seines Landes auch selbst genau im<br />
Blick hat. „Es ist entsetzlich“, berichtet Lindenmayer,<br />
der am Centre for Resource and<br />
Environmental Studies der Australian National<br />
University in Canberra als Professor tätig<br />
ist. „So viele Tiere wurden durch die Brände<br />
schwer verletzt oder kamen dabei um.“<br />
Am Montag veröffentlichte das australische<br />
Umweltministerium eine vorläufige<br />
Einschätzung der Folgen für die Tier- und<br />
Pflanzenwelt. Demnachsind vonden Buschfeuern<br />
die Lebensräume von mehr als 300<br />
bedrohten Tier- und Pflanzenarten betroffen.<br />
Bei 191 Arten sei mindestens ein Drittel<br />
des insgesamt besiedelten Lebensraums in<br />
Mitleidenschaft gezogen worden. Bei 49davonsogar<br />
mehr als 80 Prozent. Einige Spezies<br />
rückten dadurch noch näher ans Aussterben,<br />
resümiert die Behörde. Der Analyse zufolge<br />
gehören zu den betroffenen Arten neben gut<br />
270 Pflanzenspezies 16 Säugetier-, 14<br />
Frosch- und neun Vogelarten. Zehn der betroffenen<br />
Tierarten stellen wir auf dieser<br />
Doppelseite vor.<br />
In Fernsehberichten waren viele Bilder<br />
von verletzten Wombats zusehen. Um das<br />
Überleben dieser zwar schwer betroffenen,<br />
aber weit verbreiteten Tierart sorgt sich David<br />
Lindenmayer bei allem Mitleid nicht<br />
Perth<br />
Albany<br />
500 km<br />
BLZ/GALANTY; QUELLEN: AUSTRALISCHE REGIERUNG,<br />
GREATBARRIERREEF.ORG, WWF, AFP, NASA, FIRMS;<br />
BNHCRC; DPA<br />
Kalgoorlie<br />
ganz so sehr.Erfürchtet vorallem um die Bestände<br />
von Tierarten, deren Lebensraum<br />
sich auf relativ kleine Gebiete in Australien<br />
beschränkt. Als Beispiel nennt er die Känguru-Insel-Schmalfußbeutelmaus<br />
(siehe<br />
links), die nur auf der vor der Südküste Australiens<br />
gelegenen Känguru-Insel beheimatet<br />
ist. Auf dem durch Feuer schwer verwüsteten<br />
Eiland ist vermutlich auch etwa die<br />
Hälfte der 50 000 Koalas verendet.<br />
Es sind etliche bedrückende Zahlen und<br />
Nachrichten von dem Kontinent auf der<br />
Südhalbkugel. Bislang sind mehr als 30 Menschen<br />
bei den Bränden umgekommen, fast<br />
3000 Wohnhäuser wurden zerstört, knapp<br />
19 Millionen Hektar Land sind abgebrannt.<br />
Dabei sind auch mindestens eine Milliarde<br />
Säugetiere, Reptilien und Vögel ums Leben<br />
gekommen, schätzt Chris Dickman, Ökologe<br />
an der University of Sydney in einer Hochrechnung.<br />
„Es ist tödlich still, wenn man nach einem<br />
Brand ineinen Wald geht“, berichtete der<br />
Indisch<br />
Ökologe Michael Clarke von der La<br />
University in Bundoora dem Fachm<br />
Nature. Lediglich Aasfresser wie Wür<br />
hen und Raben pickten in solch ein<br />
biet an verendeten Tieren herum. Es<br />
schaurige Erfahrung. Ausweichmög<br />
ten gebe es für unverletzt gebliebene<br />
ner solcher Gebiete kaum. „Selbst w<br />
ein Tier zu einem nicht verbrannten<br />
schafft, wird die Dichte der Lebewes<br />
dortauch zu überleben versuchen, di<br />
zität des Gebietes überschreiten“, so<br />
Die Biodiversität in Australien se<br />
hin rückläufig, gibt sein Kollege<br />
Dickman zu bedenken. BeiSäugetier<br />
Australien die höchsten Aussterberate<br />
weit. Die Brände beschleunigten die<br />
zesse nun für eine Reihe weiterer Arte<br />
Hinter der Feuerkatastrophe steckt<br />
mawandel. Darüber sind sich die mei<br />
perten einig. Immerhin war 2019 in Au<br />
das heißeste und trockenste Jahr seit<br />
der Aufzeichnungen. Es sei allerdings<br />
IMAGO IMAGES/IMAGEBROKER<br />
PHIL SPARK<br />
Bergbilchbeutler (Burramys parvus)sind<br />
kleine, mausähnlicheBeuteltiere. Sie messen<br />
gut zehn Zentimeter. Ihrenetwa 15 Zentimeter<br />
langenSchwanz können sie auch zum Greifen<br />
verwenden. Dienachtaktiven Tiere leben in der<br />
Gebirgsregion im südöstlichen Neusüdwales<br />
und im südlichen Victoria. Die Brände haben 10<br />
bis 30 Prozent des Lebensraums der als gefährdet<br />
eingestuften Tierezerstört. Bis 1966 dachte<br />
man,sie seien ausgestorben,weil man nur Fossilien<br />
vonihnen kannte.Dann wurden doch<br />
nochlebende Tiere entdeckt.<br />
Buschbrände im Südosten Australiens<br />
Bei Busch- und Waldbränden verbrannte Fläche im australischen Bundesstaat<br />
Neusüdwales, in Millionen Hektar<br />
5 Mio. ha<br />
4<br />
3<br />
2<br />
1<br />
3,5<br />
2,0 1,9<br />
keine Angabe<br />
Neusüdwales<br />
vorläufig<br />
4,9<br />
0<br />
’70 ’75 ’80 ’85 ’90 ’95 ’00 ’05 ’10 ’15 ’19<br />
Feuersaison jeweils von Oktober bis Ende März des Folgejahres: z. B. 1970 =Saison 1970/71.<br />
Arten weltweit, die vom Aussterben bedroht sind<br />
Amphibien<br />
Nadelbäume<br />
Riffkorallen<br />
Haie und Rochen<br />
Krebstiere<br />
Säugetiere<br />
Vögel<br />
14%<br />
27%<br />
25%<br />
30%<br />
34%<br />
33%<br />
41%<br />
BLZ/GALANTY; QUELLE: CENTRE FOR ENVIRONMENTAL RISK MANAGEMENT OF BUSHFIRES, UNIVERSITY OF WOLLONGONG, DPA, IUCNREDLIST.ORG