Entstehung von Spektrallinien
Kapitel aus dem Buch "Physik der Sterne"
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3.2 Strahlungstransport in Spektrallinien
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der Chromosphäre zur noch bedeutend heißeren Sonnenkorona (T > 10 6 K), was
natürlich nur mittels Sonnenbeobachtungssatelliten gelingt 10 (wir erinnern uns –
die Erdatmosphäre ist zu unserem Glück für den größten Teil des UV-Bereiches
optisch dick und damit undurchsichtig).
Erreicht in einem Absorptionsgebiet I ν
> S ν
bzw. in einem Emissionsgebiet
I ν ≤ S ν die Intensität der Linienmitte ν 0
den Wert der Ergiebigkeit S ν
(d. h.
I ν
≈ S ν
), dann ist die entsprechende Spektrallinie gesättigt und kann nur noch in
der Breite wachsen. Man sagt auch oft, dass in solch einem Fall die Linienmitte
„optisch dick“ ist. Die relative Linieneinsenkung Gl. 3.103 erreicht dann bei einer
Absorptionslinie ihren Maximalwert.
Versagen der LTE-Bedingung Lokales thermodynamisches Gleichgewicht ist im
Inneren der Sterne und in deren dichteren Atmosphärenschichten sehr gut erfüllt,
da in diesem Fall thermodynamisch bedingte Stoßprozesse (Maxwell-Boltzmann-Verteilung)
und weniger reine Strahlungsprozesse die Besetzungsstatistik
atomarer Energiezustände bedingen. Jedem Emissionsvorgang folgt quasi sofort
ein entsprechender Absorptionsvorgang, und zwischen beiden Vorgängen besteht
weitgehend ein Gleichgewicht. Der Prozess der Strahlungsdiffusion, der aus solchen
unzähligen atomaren Absorptions- und Emissionsvorgängen besteht, bewirkt,
dass die im Sterninneren erzeugte Energie sehr lange benötigt, bis sie in die langsam
immer durchsichtiger werdenden Atmosphärenschichten gelangt (bei der
Sonne irgendwo zwischen 10.000 bis 170.000 Jahre im Vergleich zu etwas mehr
als einer Sekunde, wenn die Sonne völlig durchsichtig wäre). Das bedeutet, dass
die Idealisierung des LTE mit steigenden freien Weglängen der Photonen in Sternatmosphären
aufgrund der abnehmenden Gasdichte immer schlechter wird, um
schließlich in den heißen Koronen völlig zusammenzubrechen. Dort wird die kinetische
Temperatur durch das dünne, auf sehr hohe Temperaturen (≈ 10 5 − 10 6 K)
aufgeheizte Gas bestimmt, während die Temperatur des Strahlungsfeldes (wie
es in die Planck-Funktion eingeht) weitaus geringer ist und mehr dem der effektiven
Temperatur des Sterns entspricht. Atomare Anregungen werden hier fast
nur noch durch das Strahlungsfeld und kaum mehr durch Stoßprozesse bewirkt.
Dadurch können Atome länger in metastabilen Zuständen verweilen, was sich
spektroskopisch in der Präsenz verbotener Linien äußert (s. Abschn. 3.1.5.6). Die
Anwendung der Boltzmann-Statistik auf die Besetzungszahlen atomarer Zustände
führt unter solchen Bedingungen zu nicht mehr tolerierbaren Abweichungen, da
die Ergiebigkeit S ν
nicht mehr der Planck-Funktion B ν
der kinetischen Temperatur
T kin
des Plasmas folgt. Das erschwert ungemein die Berechnung der Intensitätsprofile
von Spektrallinien, da hier komplexere Methoden auf der Grundlage
sogenannter statistischer Gleichungen zum Einsatz gelangen müssen. Im Fall
stellarer Photosphären (Hauptreihensterne) werden die damit im Zusammenhang
stehenden non-LTE-Effekte aber erst bei sehr heißen Sternen, deren effektive
10 z. B. Solar Dynamics Observatory, http://sdo.gsfc.nasa.gov/.