Entstehung von Spektrallinien
Kapitel aus dem Buch "Physik der Sterne"
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3.2 Strahlungstransport in Spektrallinien
X 2
1 − X 2 = k (
BT
P n Q e
exp − E )
P
k B T
333
(3.228)
Im Zentrum der Sonne erwartet man einen Druck in der Größenordnung von
2,3 · 10 16 Pa und eine Temperatur von ca. 1,5 · 10 7 K. Gl. 3.228 liefert in diesem
Fall überraschenderweise nur einen Anteil von rund 75 % ionisiertem Wasserstoff,
obwohl man erwarten kann, dass unter den im Sonnenkern herrschenden Temperatur-
und Druckverhältnissen der gesamte Wasserstoff im ionisierten Zustand
vorliegen sollte. Der Grund dafür ist, dass die Anwendung von Gl. 3.228 auf
das Sonneninnere (oder, allgemeiner, des Sterninneren) in mehrfacher Hinsicht
problematisch ist und dabei zugleich auch die Grenzen der Saha-Gleichung aufgezeigt
werden. Zuerst einmal ist die Annahme falsch, dass die solare respektive
stellare Materie nur aus Wasserstoff besteht. Das freie Elektronengas und damit
die Größe N e
. wird nicht nur von den Elektronen der Wasserstoffatome, sondern
auch aller anderen ionisiert im Sterninnern vorkommenden Elemente gespeist. Insbesondere
„Metalle“ mit relativ geringen Ionisationspotenzialen sind bei Hauptreihensternen
wichtige Lieferanten für freie Elektronen. Ein weiterer wichtiger
Punkt ist, dass die Dichte im Sonnenzentrum so groß ist, dass man die einzelnen
Wasserstoffatome nicht mehr als isolierte Einzelteilchen, sondern nur noch
als miteinander wechselwirkendes Ensemble von Teilchen betrachten darf. Das
bedeutet konkret, dass der mittlere Abstand der Wasserstoffatome bei dem im
Sonnenzentrum herrschenden Druck in die Größenordnung des Bohr‘schen
Atomradius gelangt. Wie man im Rahmen der Quantenmechanik zeigen kann,
führt in solch einem Fall die Wechselwirkung der Atome untereinander zu einer
Reduzierung der Besetzungswahrscheinlichkeit der gebundenen Zustände mit
der Folge, dass mehr Atome ionisiert werden, als die Saha-Gleichung vorhersagt.
Das entspricht physikalisch einer effektiven Absenkung des Ionisationspotenzials
des Grundzustandes. Man kann sich das mit einer einfachen Überschlagsrechnung
plausibel machen. Vergegenwärtigen wir uns dazu die Bedingungen
im Inneren eines Sterns wie unserer Sonne. Die Dichte ρ ⊙ beträgt dort ungefähr
1,7 · 10 5 kg m −3 . Das bedeutet, dass die Teilchenzahldichte der Wasserstoffatome
ungefähr bei N H ≈ ρ ⊙ /m p ≈ 10 32 m −3 liegt. Der mittlere Abstand zwischen den
Atomen lässt sich dann mit.
√
3
l ≈ 3 ≈ 1,3 · 10 −11 m
4πN H
leicht abschätzen. Diese Größe muss nun mit dem Atomradius Gl. 3.9 verglichen
werden. Damit l < a 0
(der Bohr‘sche Atomradius) ist, kann es im Sonnenzentrum
Wasserstoff weder im Grundzustand noch in irgendeinem angeregten Zustand
geben. Unter den dort herrschenden Bedingungen lässt sich Gl. 3.227 offensichtlich
nicht mehr vernünftig anwenden, was dann selbstverständlich für die
Kernregionen aller Sterne gilt. Die Saha-Gleichung liefert dagegen sehr genaue
Resultate, wenn man sie auf Sternatmosphären anwendet.