Entstehung von Spektrallinien
Kapitel aus dem Buch "Physik der Sterne"
Kapitel aus dem Buch "Physik der Sterne"
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
3.2 Strahlungstransport in Spektrallinien
315
hinausgeht. Sie zeigt nämlich, und das erkannte bereits Karl Schwarzschild zu
Beginn des 20. Jahrhunderts, dass in der Photosphäre der Sonne der Energietransport
fast ausschließlich durch Strahlung erfolgt. Konvektion spielt im Vergleich
dazu keine oder eine nur sehr untergeordnete Rolle. Würde nämlich Konvektion
überwiegen, dann sollte vom Sonnenrand her kaum Strahlung in Richtung Erde
gelangen (Schwarzschild 1906).
3.2.4 Strahlungsprozesse und Absorptionskoeffizienten
Die in Gl. 3.152 und 3.153 eingeführten Absorptionskoeffizienten haben offensichtlich
mikroskopische Ursachen, die im Wesentlichen mit atomaren Wechselwirkungen
zwischen einem Strahlungsfeld und freien sowie an Atomen und
Molekülen gebundenen Elektronen zu tun haben. Ihre genaue Kenntnis ist
unabdingbar, um aus Atmosphärenmodellen synthetische Spektren berechnen zu
können, die sich mit Spektren realer Sterne vergleichen lassen.
Sternatmosphären bestehen aufgrund ihrer hohen Temperaturen >2500 K aus
einem heißen Plasma aus neutralen Atomen, einer Vielzahl von Ionen in unterschiedlichen
Ionisationszuständen und aus freien Elektronen, die auf verschiedene
Art und Weise untereinander wechselwirken. An dieser Stelle sei noch einmal
daran erinnert, dass man durch Konvention den Nullpunkt der Energie eines Elektrons
so legt, dass Bindungszustände immer negative Energie und freie Elektronen
immer eine positive Energie besitzen. Während gebundene Elektronen nur ganz
bestimmte Photonen mit einer zur Zustandsänderung passenden Energie E γ = hν
aus einem Strahlungsfeld entnehmen (Absorption) oder einem Strahlungsfeld
übergeben (Emission) können, gilt für freie Elektronen diese Einschränkung nicht.
Sie können quasi jeden möglichen positiven Energiewert annehmen. Man kann
deshalb im Wesentlichen drei grundlegende Elektronenübergänge unterscheiden,
die in Bezug auf ihre Absorptions- und Emissionskoeffizienten auch unterschiedlich
zu behandeln sind:
Gebunden-gebunden-Übergänge (bound-bound transitions)
Darunter versteht man die An- und Abregung bei elektronischen Übergängen zwischen
unterschiedlichen diskreten atomaren und molekularen Energieniveaus. Es
gilt hier
hv =|E n − E m | mit n =m.
Derartige Übergänge führen zu diskontinuierlichen „Linienabsorptionskoeffizienten“
und damit zu „Fraunhofer‘schen“ Absorptionslinien in Sternspektren.
Gebunden-frei-Übergänge (bound-free transitions, Photoionisation)
Darunter versteht man die Ionisation eines Atoms, bei der ein gebundenes Elektron
durch die Absorption eines genügend energiereichen Photons eine positive Energie
erhält und damit zu einem freien Elektron mit der kinetischen Energie E kin
= m e
v 2 /2
wird. Der dazu inverse Vorgang ist die Rekombination, bei der diesmal ein positiv