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Wina Februar 2020

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AUSGANGSPUNKT SCHULPROJEKT

Zwei Ringe

der Erinnerung

Seit Kurzem hat die obersteirische Stadt Judenburg ein Denkmal

für ihre einstige jüdische Gemeinde, aber nicht bloß für

jene vor 1938, sondern auch für die im 15. Jahrhundert.

InitatorInnen.

Künstler Clemens

Neugebauer,

Katja Heiden,

Professorin am

Judenburger Gymnasium,

Michael

Schiestl, Leiter des

Stadtmuseums.

(v. l. n. r.).

Text und Fotos: Reinhard Engel

Es sind vom Hauptplatz hierher

nur wenige Schritte. Auf

einem kleinen, etwas erhöhten

Rasenstück zwischen

engen Gässchen steht das

Denkmal zur Erinnerung an die ausgelöschte

jüdische Gemeinde: „Zwei Ringe

im Strom der Zeit.“ Es handelt sich um

elliptische weiße Betonskulpturen, in die

stählerne gekrümmte Platten eingefügt

sind. „Wenn man die Ringe betritt, und

das soll man auch, kann man gegen das

Licht die aus dem Stahl herausgefrästen

Namen lesen“, erklärt Katja Heiden, Professorin

für bildnerische Erziehung am

Judenburger Gymnasium und Initiatorin

des Denkmals.

Es gibt auch an anderen Orten Tafeln

mit den Namen vertriebener und ermordeter

Jüdinnen und Juden, meist geht es

dabei um die Opfer der Nazi-Verfolgung

ab 1938. Ihrer wird auch hier gedacht, aber

eben nicht ausschließlich. „Das Denkmal

steht im alten jüdischen Viertel“, erklärt

Michael Schiestl, Leiter des Stadtmuseums,

denn „es gab im 15. Jahrhundert

hier eine blühende jüdische Gemeinde.“

40 Namen aus der Zeit vor der Vertreibung

1496 stehen auf einem der beiden

Ringe, 97 weitere von 1938 auf dem zweiten.

„Man muss betonen, dass diese Listen

nicht wirklich vollständig sind“, so Frau

Heiden.

Gestaltet und errichtet wurde das

Denkmal vom steirischen Künstler Clemens

Neugebauer (siehe Kasten: Erinnerung

auch in Leoben). Er verweist noch

auf weitere Details der Plastik: „Die Ringe

sind unterbrochen als Symbol für die brutale

zweimalige Unterbrechung der Leben

der Judenburger Juden. Und auch die

Stahlplatten mit den Namen sind nicht

makellos. Sie zeigen Spalten, Risse wie

Blitze, so wie das Unheil ganz plötzlich

über diese Menschen hereingebrochen

ist.“ Die mit einer Art Edelrost überzogenen

Stahlplatten hinterlassen nach jedem

Regen ihre Spuren auf dem weiß gestrichenen

Betonrund – je nach Interpretation

bluten oder weinen sie.

Auch wenn Neugebauer für die Umsetzung

verantwortlich zeichnet, geht das

Ring-Denkmal auf die Ideen und Konzepte

einer größeren Gruppe zurück. Der

Ausgangspunkt war dabei eine Schulprojekt,

das Heiden initiierte und über Jahre

hin weiterverfolgte, bis zur praktischen

physischen Umsetzung im Herbst 2019.

Brutale Endpunkte. Beteiligt waren

Schülerinnen und Schüler aus Judenburg

und aus der Wiener Zwi-Perez-Chajes-

Schule. Der ursprüngliche Entwurf von

Jonathan Djanachvili, Magdalena Winter,

Daniela Gruber-Veit, Nechama Zvia

Hermon, Teresa Mösslacher, Christina

Pally und Helene Riegelhaupt wurde

später adaptiert. Er hatte für die beiden

Ringe noch Mosaiken vorgesehen, auf

diese wurde aber aus praktischen Gründen

und der Furcht vor frühzeitiger Verwitterung

schließlich verzichtet. Die endgültige

Form entstand im Schuljahr 2017/18

in Judenburg gemeinsam mit dem Atelier

Neugebauer.

wına-magazin.at

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