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Wina Februar 2020

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TEIL DER NORMALITÄT

Matthias Falter:

Die Grenzen der Demokratie.

Politische Auseinandersetzungen

um

Rechstextremismus

im österreichischen

Nationalrat.

Facultas Verlag,

289 S., 60,70 €

Die Rechte

lässt grüßen

Das Thema Rechtsextremismus

ist in Debatten des österreichischen

Parlaments sehr präsent.

Zu diesem Ergebnis kommt der Politikwissenschaftler

Matthias Falter in seiner

Dissertation, die nun unter dem Titel Die

Grenzen der Demokratie auch als Buch erschienen

ist. Genauer angesehen hat er

sich dabei die politischen Auseinandersetzungen

um Rechtsextremismus im österreichischen

Nationalrat in den Jahren

1999 bis 2013.

Dabei erstaunt dann doch, wie oft über

Rechtsextremismus diskutiert wurde:

Falter fand in 39 Prozent aller Nationalratssitzungen

themenspezifische Kontroversen,

Äußerungen oder Zwischenrufe.

Besonders stachen dabei die Jahre

1999 bis 2002 – damals kam es zur ersten

schwarz-blauen Koalition – heraus. Der

Politikwissenschaftler spricht hier von

Rechtsextremismus als „Querschnittsmaterie“,

denn debattiert wurde darüber

„oftmals unabhängig von den jeweiligen

Tagesordnungspunkten“.

Ein Beispiel: Gleich die erste Sitzung

des damals neu gewählten Nationalrats

Ende Oktober 1999 entwickelte sich als

Reaktion auf Aussagen des FPÖ-Kandidaten

für das Amt des Zweiten Nationalratspräsidenten,

Thomas Prinzhorn,

zu einer Debatte über Rassismus und

eben auch Rechtsextremismus, wie Falter

nachzeichnet. „Während des Wahlkampfs

hatte Prinzhorn in einem Interview

behauptet, dass AusländerInnen mit

staatlicher Unterstützung fruchtbarkeitssteigernde

Hormonpräparate bekommen

würden, während dies InländerInnen oft

verwehrt bliebe. Prinzhorn reproduzierte

damit verschwörungstheoretisch aufgeladene

rassistische Diskurse, die eine Be-

Der Politikwissenschaftler

Matthias Falter analysierte

Nationalratsdebatten,

um festzustellen,

wie oft es dabei um

Rechtsextremismus ging.

Die Forschungsergebnisse

sind ernüchternd.

Von Alexia Weiss

drohung der imaginierten biologischen,

d.h. ‚völkischen‘ Substanz konstruieren.

Vergangenheitspolitische Dimension

bekam die Debatte um Prinzhorn noch

durch Medienberichte über die Verwicklung

von Prinzhorns Konzern in Arisierungen

während der NS-Zeit.“

Rechte Tendenzen. Die Debatte um

Prinzhorn habe sich in der Folge zu einer

generellen Debatte über extrem rechte

Tendenzen in der FPÖ und einen allgemeinen

gesellschaftlichen Rechtsruck

entwickelt. Politischer Hintergrund war

der große Erfolg der FPÖ unter Jörg

Haider bei der vorangegangenen Nati-

onalratswahl. Prinzhorns Äußerung sei

im Kontext eines von ethnischen Feindbildern

geprägten Wahlkampfes der FPÖ

gefallen. „Mit dem affichierten Plakatslogan

‚Stop der Überfremdung‘ hatten

die Freiheitlichen einen Begriff aus

dem historischen und zeitgenössischen

rechtsextremen Denken in den offiziellen

Wahlkampf eingeführt und damit

auch zu einer Normalisierung beigetragen“,

analysiert Falter. „Spitzenkandidat

Prinzhorn und Parteichef Haider wurden

auf einem weiteren Wahlplakat als

‚zwei echte Österreicher‘ präsentiert, das

an ein ÖVP-Plakat von 1970 erinnerte,

in dem sich der ÖVP-Spitzenkandidat

Josef Klaus als ‚echter Österreicher‘ gegenüber

dem jüdischen SPÖ-Kandidaten

Bruno Kreisky präsentierte.“

Man merkt bei der Lektüre des Buches

also rasch: Hier ist man mitten in der

österreichischen Verfasstheit der Gesellschaft,

die zwar in Nationalratsdebatten

oft diskutiert, aber in der Realität kaum

verändert wird. Davon zeugten nicht zuletzt

die Vorkommnisse und Debatten

unter der türkis-blauen Koalition von Sebastian

Kurz (ÖVP) und Heinz-Christian

Strache (FPÖ) in den vergangenen

Jahren. Falter spricht von einem „uneindeutigen

Verhältnis zwischen Rechtsextremismus

und der demokratischen

Gesellschaft“ und konstatiert: „Dem abstrakten,

parteiübergreifenden Konsens

der Ablehnung von Rechtsextremismus

steht die Normalisierung extrem rechter

Positionen und Politiken gegenüber.

Rechtsextremismus ist Teil der österreichischen

Normalität und manifestiert

sich im semiprivaten Raum ebenso wie

in der politischen und medialen Öffentlichkeit.“

wına-magazin.at

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