Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
URBAN LEGENDS
Zwischen Genuss und
Verzicht
Die dritte Staffel von The Marvelous Mrs. Maisel ist inhaliert, und
für Ende Februar kündigt sich bereits das nächste Serienhighlight an:
Hunters mit Al Pacino. Doch die Umwelt schreit auf.
Das Internet und die zunehmende
Digitalisierung haben
die Welt näher zusammengebracht.
Das bringt auch für Juden
und Jüdinnen in der Diaspora große
Vorteile. Einerseits sind Flüge nach Israel
über die Jahre immer günstiger geworden,
VON ALEXIA WEISS vor allem lassen sie sich nun übers Netz auch
sehr kurzfristig leicht von zu Hause buchen.
Andererseits wurden Laptop und Smartphone auch zum
globalen Shoppingcenter. Mit wenigen Klicks kann ich
Kerzen für die Chanukkia oder Partydekoration für eine
Bar-Mizwa-Feier aus den USA, England oder Israel bestellen
und nach Österreich versenden lassen.
Vor allem aber bringen Streamingdienste wie Netflix
und Amazon Prime jüdisches Lebensgefühl in das eigene
Wohnzimmer. Einerseits bekommt man nun auch leicht
Zugriff auf israelische Serien wie Shtisel, Fauda, When heroes
fly oder Srugim. Andererseits produzieren diese Streamingdienste
nicht nur Mainstreamware, sondern auch viele
Nischenprodukte. Hier sei The Marvelous Mrs. Maisel genannt,
deren dritte Staffel mir rund um Chanukka wunderbare
Fernsehstunden beschert hat.
Interessanterweise wurde gerade diese Serie über eine
jüdische Stand-up-Comedian in den 1950er-Jahren weit
über jüdische Communitys hinaus zu einem Serienerfolg.
Man könnte auch sagen: Die Nische goes Mainstream.
Eine Serie, die schon im Vorfeld alleine auf Grund der Besetzung
verspricht, ein Quotenerfolg zu werden, ist Hunters.
Zu sehen ist die Geschichte von Holocaust-Überlebenden,
die in den USA Nazis jagen, ab 21. Februar auf Amazon
Prime. Al Pacino wird dabei einen der Jäger spielen.
Ich weiß also schon, was ich mir Ende Februar ansehen
werde. Gleichzeitig plagt mich dann doch ein Stück weit
das schlechte Gewissen. Denn umso mehr die Welt durch
gemeinsamen Konsum zusammenrückt, desto schneller
schreitet auch die Zerstörung des Planeten voran.
Jedes Paket, das um die halbe Welt reist, sorgt für zu vermeidenden
CO 2
-Ausstoß. Jedes Streamen ebenso. Gerade
der Onlinekonsum von Serien ist äußerst umweltschädlich.
Eine halbe Stunde Streaming produziert laut Berechnungen
des französischen Think Tanks The Shift Project Emissionen,
die 1,6 Kilogramm Kohlendioxid entsprechen. Das
Streamen war 2018 für den Ausstoß von Treibhausgasen
in der Höhe jener verantwortlich, die in dem Jahr in ganz
Spanien produziert wurden. Doch diese Menge werde sich
in den kommenden Jahren noch verdoppeln, schätzt The
Shift Project. Heute entstehen bereits 34 Prozent des globalen
Datenverkehrs durch das Streamen.
Wie werden wir die Umwelt retten und den Klimawandel
verlangsamen? Da gibt es individuelle Ansätze (etwa
durch persönliche Einschränkungen), aber auch den Ruf
nach staatlichen Regulierungen (Verboten). Persönlich
meine ich: Es wird wohl eine Kombination aus beidem
Umso mehr die Welt durch gemeinsamen Konsum zusammenrückt,
desto schneller schreitet auch die Zerstörung des Planeten voran.
nötig sein. Da das Thema allerdings zu ernst ist, um einfach
abzuwarten – nicht zuletzt aus Verantwortung für das
eigene Kind, die eigenen Kinder, versuche ich doch jetzt
schon, auch den Schutz der Umwelt in mein eigenes Konsumverhalten
miteinzubeziehen.
Interessanterweise fällt es sehr leicht, auf den eigenen
Pkw zu verzichten und vorrangig den öffentlichen Verkehr
zu nutzen. Fleisch esse ich ohnehin seit Kindheitstagen
nicht. Auf die Annehmlichkeiten des Netzes zu verzichten,
ist da schon ungemein schwerer. Gerade das Ansehen
einer gut gemachten Serie lässt einen für einige Stunden
in eine andere Welt eintauchen, das entspannt und erfreut.
Ist hier nun Verzicht das Gebot der Stunde? Ich bin unentschlossen.
Immerhin kann nicht jeder alles richtig machen.
Darüber reflektieren sollte man aber allemal. Und
dann vielleicht entscheiden, was ist mir wirklich wichtig
anzusehen, und worauf kann ich doch verzichten. Denn
auch solche Serien zu streamen, die ohnehin permanent
auf diversen TV-Kanälen laufen, fällt dann doch unter vermeidbar.
Zeichnung: Karin Fasching
wına-magazin.at
41