Wasser-verbindet-ebook
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Karakumkanal
Dieser Kanal veränderte nicht nur das Leben in Turkmenistan. Er veränderte die ganze
Region. Mit dem Bau des Kanals wurde Wasser in die turkmenische Wüste geleitet, das
vorher in den Aralsee floss. Die Auswirkungen von Stalins Programm zur Umgestaltung
der Natur, zugunsten des Anbaus von Baumwolle, kann auf einer Länge von über
1 000 Kilometer »bewundert« werden und natürlich auch am Aralsee. Als ich 1992 Ende
Februar in Aschgabat ankam, war es eisig kalt. In dem gas- und ölreichen Land funktionierte
damals so gut wie nichts mehr. Alles wirkte ländlich arm, improvisiert, nur
das Teppichmuseum, wo sich James Baker, der damalige amerikanische Außenminister,
in das Gästebuch eingetragen hatte, zeugte noch von ein wenig Stolz. Mit der Unabhängigkeit
von der Sowjetunion begann die Staatenbildung und der Umbau der Hauptstadt.
Der damalige Präsident Niasov, ein lebenslustiger Mann, hieß uns willkommen
in seinem Land. Seine Visionen hat er schnell umgesetzt. Personenkult verbunden mit
öffentlichem Reichtum und privater Armut wurde für jeden Besucher sichtbar. Große
neue Gebäude mit Marmorfassaden wurden hochgezogen. Kein Ort der Welt hat sich
mehr verändert als diese Stadt mitten in der Wüste. Was man mit Geld machen kann,
ist hier überall im Stadtzentrum, wo man keine Leute antrifft, zu sehen. Doch die Menschen
sind sich ihrer Traditionen bewusst und ihren Gewohnheiten treu geblieben. Die
Nationaltrachten sind farbig und geben Zeugnis von Lebensfreude. Feste werden gefeiert,
Männer und Frauen haben die Aufgaben untereinander aufgeteilt. Hier sieht man
es am besten: Überall wo es Wasser gibt, da gibt es auch Leben. Wie In Merw, dem
geschichtsträchtigen Ort mit Weltkulturerbestatus. Links und rechts der Straße liegen
die Baumwollfelder. Die turkmenische Baumwolle gilt als die beste in ganz Zentralasien.
Die wenigen verbliebenen Brachflächen werden von Kamelen, Ziegen und Schafen
bevölkert. Sie trotzen der Hitze. Wer durch die Wüste von Aschgabat nach Norden reist,
kann auch ein einmaliges Naturschauspiel beobachten. Der Boden brennt. Gas, das sich
entzündet hat, strömt seit über 20 Jahren aus dem Inneren der Erde. Dieser Krater, von
Menschenhand geschaffen und eine außergewöhnliche Sehenswürdigkeit, soll angeblich
zugeschüttet werden. Reminiszenzen an die Sowjetunion finden sich nicht nur am
Krater sondern auch am Kara-Bogas-Gol. Die Glaubersalzminen, einst profitable Anlagen,
reihen sich heute in die lange Liste der Umweltkatastrophen, die die Sowjetunion
in vielen Staaten hinterlassen hat. Auf dem Weg zurück ins Hochgebirge zu den Quellen
des Sarafschan fliegen ich über den Amu Darja, der links und rechts durch die Wüste im
Flussbett gehalten wird.
112 Fotoessay Karakumkanal