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Pamir / Amu Darja
Eine Reise von den Gletschern Zentralasiens zum Aralsee kann nur in großer Höhe
beginnen, am besten mit einem Hubschrauber. Dass ein solches Fluggerät Pässe von
über 5 500 m überfliegen kann, habe ich bis August 2011 auch nicht gewusst. »Nimm
die Tüte und den Sauerstoff«, sagte Jean Schneider, ein Professor aus Österreich. Ich
war gerade dabei, das Bewusstsein zu verlieren. Wir waren auf Erkundungsreise. Große
Fragen: Wie wirkt sich der Klimawandel auf Zentralasien aus, die Gletscherschmelze,
mögliche Erdrutsche und welche anderen Gefahren auf die Region zukommen, wollen
wir beantworten. Mein Blick schweift von links nach rechts, gerade aus, zurück, nahezu
senkrecht nach unten. Noch nie konnte ich ein mächtigeres Naturschauspiel beobachten.
Der Fedschenko-Gletscher ist seit Jahrhunderten in Bewegung. Vom Helikopter
sieht man den grau-weiß-braunen Eisstrom in seiner Einmaligkeit und Größe. Gletscher
haben mit Menschen einiges gemeinsam, denke ich mir. Es gibt große und kleine,
junge und alte. Keiner schaut genauso aus wie der andere. Und der Fedschenko ragt
heraus, vielleicht ist er die Mutter aller Gletscher außerhalb der Arktis und Antarktis.
Einer der längsten mit 70 km sowieso und mit Formen und Farben, wie man sie in der
Gegenwartskunst wiederfindet. Er liegt nicht weit entfernt vom Sarez-See, dem berühmten
Bergsee, den es gerade mal 100 Jahre gibt. Durch ein Erdrutsch ist er entstanden. Wie
tiefblau Wasser aussehen kann! Der Pamir, dieses junge Gebirge, ist ständig durch seismische
Aktivität bedroht. Gletscherseen können brechen, ganze Abhänge sind instabil.
Wo Gletscher sind, gibt es Wasser, und dieses wird entlang der Flüsse, wie dem Pandsch,
der Afghanistan und Tadschikistan teilt, für die Landwirtschaft genutzt. Es wird aber
auch aufgestaut, wie in Nurek, wo heute der höchste Staudamm der Welt das Vakhsch-
Tal verschließt. Wegen der Unsicherheit über die künftige Verfügbarkeit von Wasser
wird über weitere Wasserreservoire und Wasserkraftwerke nachgedacht. Projekt ideen
liegen vor, um die Flüsse weiter zu regulieren, so dass Wasser demnächst noch effizienter
und effektiver genutzt werden kann. Ein Ausgleich der Interessen zwischen Wasserenergiegewinnung
und Bewässerung muss gefunden werden.
Die Hauptstadt Duschanbe folgt den anderen Hauptstädte der Region. Auch sie
erneuert sich und die Staatenbildung schreitet fort. Präsident Rachmon, der nach einem
blutigen Bürgerkrieg Anfang der 90er an die Macht kam, wirbt für sein Lieblingsprojekt,
den Rogun-Staudamm, oberhalb von Nurek. Tausend Kilometer weiter liegt die alte
Oasenstadt Khiva in Usbekistan ganz in der Nähe des wasserreichsten Flusses Zentralasiens,
dem Amu Darja. Der Markt, die Altstadt, die Denkmäler sind Anziehungspunkte.
Menschen aus aller Welt kommen hierher, auch Reisegruppen aus dem bevölkerungsreichen
Ferghana-Tal. Hier wird klar, dass diese Region schon vor fast 1 000 Jahren eine
Hochkultur erlebt hat. Dass es hier die süßesten Wassermelonen und die größten Kürbisse
gibt, überrascht nicht, wenn man weiß, dass die Sonne immer scheint.
70 Fotoessay Pamir / Amu Darja