Wasser-verbindet-ebook
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überleben, aber nicht ohne Wasser. Es ist die Basis des Lebens, und wird deswegen nicht nur
für viele verschiedene wirtschaftliche und technische Zwecke genutzt, sondern hat auch kulturellen,
sozialen und symbolischen Wert. Darum besitzt Wasser in vielen Religionen eine
besondere Bedeutung und steht oft am Anfang der Schöpfungsgeschichte.
Vor allem in jenen Religionen, die in wasserarmen Regionen entstanden – wie das
Judentum, Christentum und der Islam – spielt Wasser eine besondere Rolle. Die Geschichten
des Alten Testaments spiegeln die Erfahrungen der Menschen im Nahen Osten mit Wasserknappheit
wider und zeigen den Respekt, den sie sowohl der lebensspendenden wie der zerstörerischen
Kraft des Wassers zollten. Gott wird gepriesen als derjenige, der Wasser und damit
Leben gibt. Islamische Mystiker vergleichen Allah mit einem endlosen Ozean. Das Paradies
wird beschrieben als ein Garten mit kühlem klarem Wasser. Auch die reinigende Funktion des
Wassers ist mit rituellen Waschungen vor dem Gebet oder während Pilgerreisen ein gemeinsames
Element vieler Religionen. Im Christentum wird der Gläubige durch das Ritual der Taufe
gereinigt und in die christliche Gemeinschaft aufgenommen. Millionen von Hindus vollziehen
rituelle Waschungen im Ganges, dem wichtigsten der sieben heiligen Flüsse im Hinduismus. 1
Diese spirituelle Bedeutung des Wassers hat auch ganz praktische Implikationen. So
gilt Wasser im Islam als Geschenk Allahs und hat deswegen den Status eines Gemeinschaftsguts,
zu dem jeder Zugang haben sollte. Folglich argumentieren viele Interpretationen des
Korans, dass es verboten ist Wasser zu kaufen oder zu verkaufen. Wenn jedoch Infrastruktur,
Wissen oder Arbeitskraft investiert wurden um es zugänglich zu machen, dürfen Gebühren
erhoben werden. Betrachtet man Wasser als Geschenk Gottes hat dies auch Konsequenzen
für den Umgang mit Wasser: Ich sollte es als ein Geschenk wertschätzen und nicht vergeuden;
es ist ein Geschenk nicht nur für mich, sondern auch für meinen Nachbarn, also sollte
ich ihm die Nutzung nicht verwehren. Im Koran wie auch in den Hadith (Überlieferungen
über die Taten und Aussagen Mohammeds) finden sich explizite Aussagen, dass Wasser sparsam,
gerecht, in Abstimmung mit anderen Nutzern und unter Berücksichtigung der Umwelt
genutzt werden sollte. 2 Dementsprechend gaben bei einer Umfrage über die Gründe für sparsamere
Wassernutzung im Syr Darja-Becken 20 % der Befragten an, dass für sie finanzielle
Anreize entscheidend sind, während 30 % moralische und religiöse Beweggründe nannten. 3
So kann der »symbolische« Wert des Wassers in Religion und Kultur eine sehr konkrete Motivation
zum sparsamen Umgang mit Wasser sein.
Im 20. Jahrhundert haben sich jedoch die Wassermanager rund um den Globus nur auf
die technischen Fragen ausreichenden Wasserangebots konzentriert: Man nahm an, dass die
Nachfrage nach Wasser aufgrund von Bevölkerungswachstum und wirtschaftlicher Entwicklung
steigen würde. Um diese zukünftige Wassernachfrage zu bedienen wurden technische
Lösungen auf der Angebotsseite entwickelt: riesige Infrastrukturprojekte wie Staudämme,
Stauseen und Bewässerungssysteme.
Das wachsende Umweltbewusstsein ab den 1960ern führte zu vermehrter Kritik an den
ökologischen Folgen dieser Projekte und der Forderung nach Berücksichtigung ökologischer
Erfordernisse im Wassermanagement. Gleichzeitig führte der technische Fortschritt in den
1 Kürschner-Pelkmann 2003.
2 Faruqui 2001.
3 Abdullaev, Kazbekov and Molden 2007.
16 Wassernutzung und Wassermanagement in vorsowjetischer Zeit