Offene Kirche Elisabethen - Die Kirche für alle
Die Offene Kirche Elisabethen in Basel ist die Kirche für alle. Alle Menschen guten Glaubens, die Lebenssinn suchen, jede Lebensweise und Orientierung, dürfen ankommen und zuhause sein. Die ist ein Bericht über unsee Are im 2019.
Die Offene Kirche Elisabethen in Basel ist die Kirche für alle. Alle Menschen guten Glaubens, die Lebenssinn suchen, jede Lebensweise und Orientierung, dürfen ankommen und zuhause sein. Die ist ein Bericht über unsee Are im 2019.
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Jubiläum
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«Wir brauchen eine
sexuelle Reformation»
WAS HAT KIRCHE MIT DER SEXUALITÄT DER MENSCHEN ZU TUN? ERSTMAL NICHTS UND DOCH
WIEDER ALLES. EINE GROSSE FRAGE JEDENFALLS, AUF DIE ES KEINE EINFACHEN ANTWORTEN
GIBT, ABER EINE, DER NADIA BOLZ-WEBER BEREIT IST, SICH ZU STELLEN.
SIE TAT DAS AN UNSERER JUBILÄUMS-TAGUNG «FRISCH UND WEISE» VOM 26. BIS 28. APRIL.
Bolz-Weber ist 51 und liebt ihr – nicht nur aktuell sehr
hektisches – Leben. Sie managt ihre kleine Familie und ihre
Buchprojekte und ihre Vortragstouren. Man sieht ihr die
Lust und den Kampf an, nicht nur an den grossflächigen
Tätowierungen, die ihren Körper zieren. Über diese mag
sie übrigens gar nicht mehr sprechen, zu oft wurde sie darauf
reduziert; obwohl sie zu ihrem Markenzeichen geworden
sind, wie sie jüngst dem Kirchenboten erzählte: «Wenn
Sie so direkt fragen: Auf meinem Arm ist Maria Magdalena,
die Apostelin der Apostel, weil erste Zeugin der Auferstehung
und höchstwahrscheinlich die erste Verkünderin
des Evangeliums, die erste Zeugin der Erlösungsgeschichte
von Jesus. Und dann auf dem anderen Arm Lazarus, der
von den Toten auferweckt wurde. Ich liebe meinen Körper,
wie er ist und möchte keines meiner Tattoos missen.» Sie
lacht und macht klar, dass, wenn man sie auf ihre Tattoos
anspricht, es um etwas anderes gehen sollte, das ihr im
Moment sehr wichtig ist: Menschen seien in ihrem Körper
und in ihrer Biografie zu oft klein gemacht worden, auch
und besonders durch Kirchen. Damit müsse endlich Schluss
sein.
Bolz Weber wird jetzt sehr deutlich: «Das Wört Sünde und
der Begriff Sünder wurde lange und oft missbraucht, um
Menschen einzuschüchtern und zu kontrollieren. Stattdessen
sind wir doch alle komplizierte Wesen mit guten und
bösen Anteilen, fähig zu Gutem und Bösem. Wir sind eben
immer ‹simul iustus et peccator›, gleichzeitig und zu 100%
richtig, gerecht und sündhaft also falsch. Davon zu sprechen,
wir seien der Sünde verfallen, aus der wir uns nicht
retten können, das ist fast immer gleichbedeutend damit,
Menschen ihre Selbstachtung auszureden.» Der Begriff
«Sünder» beschreibe doch zuerst einfach mal die menschliche
Fähigkeit, so richtig daneben zu hauen. Sie wird plötzlich
sehr ernst: «Wir sollten die Scham rausnehmen aus
dieser unserer Disposition, daneben zu hauen. Es gibt keinen
Grund, da Scham zu empfinden.» Für sie führt diese
Argumentation in die Irre, auf die dunkle Seite: «Jedes Mal,
wenn wir diese Seiten verleugnen, und stattdessen jene
fröhliche, glänzende, erfolgreiche Seite, der alles möglich
ist, betonen, dann ist das, als würden die dunklen Seiten im
Fitnesscenter unserer Seele Gewichte stemmen, um immer
stärker zu werden.» Und dann folgt eine Breitseite gegen
die theologische Unterfütterung dieser missbräuchlichen
Nutzung menschlicher Schwäche: «Sünde ist ein wichtiges
Konzept, aber wurde zu lange missbraucht, um Menschen
zu kontrollieren. Es ist jetzt an der Zeit, das neu zu fassen.»
Bolz-Weber ist lutherische Pfarrerin aus Denver, Mutter
und Ehefrau, ehemalige Alkoholikerin und Gemeindegründerin,
leidenschaftlich in Jesus verliebt und kämpferisch mit
ihm verbunden, und ihre Argumente stammen aus erster
Hand: Aus Geschichten, die Gemeindemitglieder in ihrer
ehemaligen Gemeinde erzählen, und aus dem Text der Bibel
selbst. In ihrem neuen Buch, Schamlos: Als Sexualreformerin
wirft sie einen kühnen Blick darauf, wie konservative
christliche Normen rund um die Sexualität die Gläubigen
in jedem Aspekt ihres Lebens beeinflussen.
Sie sagt, dass die Entscheidung, ihr jüngstes Buch «Shameless.
A sexual reformation» zu schreiben, zutiefst persönlich
war, denn sie entstand daraus, «jenen Teil meines Lebens
als geschiedene, sexuelle, erwachsene Frau und auch als
Pfarrerin zu reflektieren.» Sie sagt: «Was Menschen in der
Blüte ihres Leben als sexuell lebende Menschen erfahren,
ist etwas, was der Kirche egal zu sein scheint – die Kirche
kümmert sich nur darum, dass sie die bösen, die unartigen
Dinge nicht tun. (...) So begann ich damit, meinen Gemeindemitglieder
drei Fragen zu stellen: Welche Botschaften
hast du von der Kirche über Sex und den Körper und das
Geschlecht erhalten? Und wie hat sich diese Botschaft auf
NADJA BOLZ-WEBER BEI IHRER BELEBENDEN PREDIGT WÄHREND UNSERES JUBILÄUMS-HALLELU-JO
dich ausgewirkt? Und wie hast du dann dein Erwachsenenleben
geführt? Und ich nahm, was ich hörte, und was in
meinem eigenen Leben und meiner Seele war, und daraus
entstand dieses Buch.»
Auch dem Kirchenboten gegenüber sagte Bolz-Weber zu
diesem Thema jüngst: «Die Lehren der Kirche(n) über Körperlichkeit
und Sexualität haben eine Menge Schmerzen
verursacht in den Leben vieler Menschen. Martin Luther
hat das gleiche zu seiner Zeit festgestellt: Die Lehren und
das Leben der Kirchen bewirkten damals viel Schmerz im
Leben der Menschen, für die er sich verantwortlich fühlte.
Und er entschied sich, zu den Menschen zu stehen, denen
er Seelsorger war, statt zu den Lehren der Kirche. So traute
er sich, die Lehren zu hinterfragen, die Menschen verletzten.
Ich bin eine der vielen Menschen, die das genau so
tun. Wir sagen: Wenn die Lehren der Kirche(n) so viel Leid
zufügen, dann müssen wir diese Lehren neu denken. Wir
dürfen nie loyaler gegenüber den Lehren der Kirche(n)
sein oder gegenüber Auslegungen von Bibelstellen sein, als
wir es gegenüber den Menschen sind.»
Der Offenen Kirche Elisabethen, an deren Tagung «frisch
und weise» sie am 26. und 27.4. reden wird und am 28.4.
in der Jodelmesse Hallelu-JO die Predigt halten wird, sagte
sie weiter: «Ich bin nicht Christin, weil Christen und Kirche
und Christentum grossartig sind. Ich bin Christin, weil ich
Jesus und Christus brauche, zu dem wir uns alle retten
sollen: Du hast Worte ewigen Lebens. Wir Christen haben
aber unser Bestes getan, diese befreienden Worte zu verschweigen,
und doch sind sie noch da. Die Kirche Jesu
Christi hat die päpstliche Korruption, die Kreuzzüge, das
Sektierertum, hetzende Fernsehprediger und lustige, unterhaltsame
Eventkirche überlebt. Und uns wird sie auch überleben.
Die Kraft des Todes und der Auferstehung Jesu wird
nicht durch die Unfähigkeit der Kirche zunichte gemacht,
der Verheissung des Lebens, des Lebens im Überfluss, gerecht
zu werden.
Weil Gottes Fähigkeit, Dinge richtig zu machen, immer
stärker und grösser ist als unsere Fähigkeit, Dinge falsch
zu machen. Im Ernst: Wenn ich mehr an die Kirche glauben
würde als an Gottes Fähigkeit, unseren Schrott und Müll
zu erlösen, wäre ich schon längst raus.
Aber hier bin ich. Ich bin Christin weil Jesus mich suchte
und fand, als ich eine Fremde war, ein verlorenes Schaf,
das gefunden wurde. Er erettete mich, mit seinem teuren
Blut, vor aller Gefahr. Das glaube ich. Darum bin ich
Christin.»
Offene Kirche Elisabethen – 2019 Offene Kirche Elisabethen – 2019